Es rumorte die letzten Wochen beim 1. FC Lok Leipzig: Kontroverse Entscheidungen der Vereinsgremien beunruhigten einen Teil der Fans und Mitglieder. Martin Mieth, der Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH des Clubs und gleichzeitig Sicherheitsbeauftragter, befand sich plötzlich in Abwehrstellung. Alle negativen Entscheidungen waren in der Wahrnehmung Einiger „seine“ gewesen. Im Interview mit L-IZ.de spricht der 32-Jährige über seine Arbeit beim 1. FC Lok, den Umgang mit Kritik an seiner Person und die Kartenbeschränkung gegen den SV Babelsberg.

Herr Mieth, waren Sie froh, nach dem Spiel beim SV Babelsberg dann gegen Kamenz wieder ein vergleichbar „normales“ Spiel vorbereitet zu haben?

Sicher stand das Spiel in Babelsberg besonders im Fokus, jedoch ist es meine Aufgabe, jedes Spiel so sorgfältig vorzubereiten, dass die Interessen des 1. FC Lok und damit auch seiner Fans gewahrt bleiben. Dies erfordert manchmal auch das Treffen unpopulärer Entscheidungen, die aus meiner Sicht und auch nach Meinung der Gremien des Clubs notwendig sind. Die Begleiterscheinungen im Vorfeld des Spiels waren sicher nicht angenehm, vor allem für mich. Aber ich stehe dahinter und sehe diese Maßnahmen auch als Ausnahme.

Die Ereignisse im August 2013 sind uns allen jedoch noch sehr gut in Erinnerung. Das Konfliktpotenzial im Zusammenhang mit dem Spiel in Babelsberg war aufgrund der Geschehnisse während der damaligen Regionalliga-Partie sehr groß. Es war für uns wichtig, jegliches Risiko zu vermeiden, dass etwas Derartiges erneut passiert. Ausschreitungen, wie sie sich zuletzt im Juni 2015 in Erfurt ereignet haben, würden unseren Club weit zurückwerfen und damit auch meine Arbeit, die unserer Gremien und vieler Ehrenamtlicher zunichte machen.

Neben Ihrer Aufgabe als Sicherheitsbeauftragter im Verein sind Sie noch in anderen Positionen für den FCL tätig. Welche sind das, und mit welchen Themen beschäftigen Sie sich unter der Woche?

Ich bin Geschäftsführer der 1. FC Lokomotive Leipzig Spielbetriebsgesellschaft und für die Bereiche Spielbetrieb, Marketing/ Kommunikation und Merchandising zuständig. Ich arbeite mit dem zweiten Geschäftsführer Torsten Woitag zusammen, der für Finanzen, Sponsoring und Personal zuständig ist. Im Rahmen dieser Aufgaben bin ich für die strategische Ausrichtung und Organisation dieser Abteilungen zuständig. Neben der strategischen Komponente bin ich jedoch auch stark operativ eingebunden, da es die geringe Personaldecke nicht anders ermöglicht. Mein Aufgabengebiet ist also sehr breit gefächert. Aktuell sind Themen wie die Einführung eines Warenwirtschaftssystems oder die stetige Verbesserung des Merchandisingangebots auf der Agenda.

Wie viele Arbeitsstunden investieren Sie pro Woche in den FCL?

Das lässt sich nicht so einfach abschätzen, da ich eigentlich immer mit Lok zu tun habe. Wir sind strukturell und personell noch nicht so aufgestellt, dass man von einem regulären Job sprechen kann. Deshalb kann man von einer Arbeitszeit von mindestens 60 Stunden pro Woche ausgehen, Ligaspiele nicht mitgerechnet. Ich bin jedoch nicht der Einzige, der so viele Stunden aufbringt. Ich kenne keinen Mitarbeiter, welcher nach 40 Stunden nach Hause geht.

Martin Mieth 2014 hockend auf dem Rasen in Berlin. Lok ist soeben in die Oberliga abgestiegen. Foto: Bernd Scharfe
Martin Mieth 2014 hockend auf dem Rasen in Berlin. Lok ist soeben in die Oberliga abgestiegen. Foto: Bernd Scharfe

Sie sind ursprünglich Fan des Vereins gewesen. Wann und wie sind Sie zum Probstheidaer Fußball gekommen?

Ich bin immer noch Fan von Lok, sonst würde ich nicht so viel Zeit und Kraft investieren. Die Perspektive hat sich jedoch verändert, denn als Funktionär muss man oft anders entscheiden, als man das als Fan tun würde, denn man muss stets das Ganze im Blick haben. Mein erstes Spiel habe ich 1993 im Zentralstadion gegen Dynamo Dresden gesehen. Ich war jedoch nur sporadisch im Stadion und habe den VfB beziehungsweise die Loksche meist über die Medien verfolgt. Erst mit der Neugründung bin ich regelmäßig ins Stadion gegangen und habe mich mehr für das Drumherum interessiert. Als ich dann 2010 nach meinem Bachelor-Studium für das unmittelbar folgende Master-Studium an der Universität nach Leipzig zurückgekommen bin, habe ich mich erstmals ehrenamtlich intensiv bei Lok engagiert.

Wie sind Sie letztlich auf der Funktionärsebene gelandet?

Als Ehrenamtler merkte ich relativ schnell, dass Lok viele Probleme hatte. Da wollte ich sehr gerne mit bestem Wissen und Gewissen mithelfen. Als sich die Situation im Frühjahr 2012 zuspitzte, kam ich in Kontakt mit Gleichgesinnten, die ebenso etwas verändern wollten. Wir waren eine ziemlich große Gruppe von ca. 30 Personen. Jedoch blieben zur Mitgliederversammlung 2012 nur Philipp Bludovsky (heute Vorstand beim FC United/ Anm. d. Red.) und ich übrig, die wichtige Themen kritisch ansprachen.

Im Anschluss daran verlor ich den Kontakt zu den Personen, die etwas verändern wollten, da nichts passierte. Ich versuchte, andere engagierte Fans zu finden, die nicht nur reden, sondern anpacken. Ich habe dann zusammen mit Dietmar Schulze die Unterschriftenaktion für eine außerordentliche Mitgliederversammlung initiiert. Zu der Zeit gab es dann auch wieder mehr Kontakte zu Personen, die auch Verantwortung übernehmen wollten und zu Teilen aus dem Aufsichtsrat, vor allem zu Aufsichtsratschef Olaf Winkler. Daraus ist schließlich das Arbeitspräsidium mit Heiko Spauke, Jens Kesseler, René Gruschka und mir entstanden.

Als im August 2015 die Stelle des Geschäftsführers vakant wurde, entschloss ich mich, meinen Hut in den Ring zu werfen. Dabei legte ich von Anfang an darauf Wert, dass ich keinen Bonus aufgrund meiner vorherigen Tätigkeit bei Lok erhalte. So habe ich mich z.B. komplett aus dem Auswahlprozess der Bewerbungen herausgehalten. Mein Anspruch war und ist es, dass ich die Position ausschließlich aufgrund meiner Leistung und meines Wissens erhalte und nicht, weil ich hier Viele kenne.

Mieth gehört seit 2013 dem sogenannten Arbeitspräsidium an. (v.l: Kesseler, Gruschka, Mieth und Spauke - 2015 ausgeschieden). Foto: Bernd Scharfe
Mieth gehört seit 2013 dem sogenannten Arbeitspräsidium an. (v.l: Kesseler, Gruschka, Mieth und Spauke – 2015 ausgeschieden). Foto: Bernd Scharfe

Gerade nach dem Babelsberg-Spiel stehen Sie nun besonders in der Kritik. Die Beschränkung des Kartenverkaufs auf Mitglieder und Dauerkarteninhaber gefiel nicht Vielen. Am Ende wurden nur 101 Karten verkauft. Wie betrachten Sie die Idee im Nachhinein?

Ich finde es schade, dass so wenige Fans unsere Mannschaft unterstützt haben. Theoretisch hätten wir das komplette Karten-Kontingent abrufen können, wenn man nach Anzahl der Mitglieder und Dauerkarteninhaber geht. Im Nachhinein betrachtet, bin ich von der Entscheidung für dieses eine Spiel immer noch überzeugt. Im Vorfeld habe ich die Vorgehensweise auch mit den Gremien abgesprochen, da zu erwarten war, dass es nicht allen Fans gefallen wird. Dafür habe ich auch vollstes Verständnis. Nur muss ich oder die Gremien Entscheidungen im Sinne des Vereins treffen und nicht im Sinne jedes Einzelnen. Es gibt viele Varianten, die man hätte umsetzen können. Wir haben uns zu dieser durchgerungen.

Außerdem zeigt unsere Vorgehensweise in den letzten drei Jahren, dass wir in puncto Sicherheit so weit vorangekommen sind, dass wir mittlerweile alle Sicherheitsspiele in unserem Bruno austragen dürfen und gegen RasenBallsport Leipzig II dabei auch erstmals Leichtbier ausgeschenkt werden darf sowie wir seit langem wieder die Erlaubnis erhalten haben, Sektor 1 der Gegengerade öffnen zu dürfen. Dies ist bei unserer Geschichte nicht selbstverständlich. Vor jedem größeren Spiel finden intensive Gespräche und  Verhandlungen mit den Behörden statt.

Was ich generell an der Diskussion zum Babelsberg-Spiel schade fand, war, dass hier das Ursache-Wirkung-Prinzip von denjenigen ignoriert wurde, die jetzt massiv Unruhe gestiftet haben. Unsere Entscheidung liegt in den Vorfällen im August 2013 begründet. Denken Sie, mir oder den Gremien macht es Spaß, derartige Entscheidungen zu treffen? Ich denke, das kann kein echter Lokfan glauben, der ernsthaft am Fortkommen unseres Clubs interessiert ist.

Gibt es Dinge, die Sie bisher in Ihren Rollen entschieden haben, die Sie mittlerweile bereuen oder anders machen würden?

Grundsätzlich bin ich jemand, der zu seinen Entscheidungen steht. Wenn sie sich im Nachhinein einmal als falsch herausgestellt haben, setze ich alles daran, den Fehler kein zweites Mal zu begehen. Sicher gibt es Dinge, die man im Nachhinein anders entscheiden hätte müssen.

Mehr als 60 Wochenstunden reißt Mieth zurzeit für Lok ab. Foto: Bernd Scharfe
Mehr als 60 Wochenstunden reißt Mieth zurzeit für Lok ab. Foto: Bernd Scharfe

Ihre Kritiker werfen Ihnen vor, Sie würden nicht gut genug kommunizieren und seien unnahbar. Wie sehen Sie sich selbst?

Ich habe als Funktionär schnell lernen müssen, dass die Quantität sowie Art und Weise der Kommunikation nicht zu unterschätzen ist. Besonders im letzten halben Jahr und vor dem Hintergrund der vielen Interessenslagen beim 1. FC Lok. Ich bin jedoch der Meinung, dass ich hier die richtigen Rückschlüsse gezogen habe. Ich arbeite seit meiner Berufung zum Geschäftsführer verstärkt an der Intensität der Kommunikation. Jedoch war ich schon immer, zum Beispiel bei Heimspielen, viel in Kontakt mit Fans, die mich angesprochen haben und ansprechen.

Unnahbar erscheine ich vielleicht, weil ich nicht 1.000 “Freunde” bei Facebook habe, mein Privatleben nicht nach außen trage oder jeden Tag ein Statement in der Presse abgebe, so wie andere. Ich bin jederzeit für Gespräche bereit. Dass ich jedoch eine Kommunikation mit Personen ablehne, die mehr als einmal negativ in mein Privatleben eingegriffen haben, weil Ihnen Lok-Entscheidungen von mir oder den Gremien nicht gefallen (haben), kann glaube ich jeder nachvollziehen.

Ich war jedoch auch immer jemand, der sich nicht dauernd in den Vordergrund bzw. die Presse drängt, um gut dazustehen, sondern der von der Öffentlichkeit unbeachtet seinen Job macht. In der Position als Geschäftsführer ist das jedoch so nicht möglich und zielführend, das ist mir auch klar.

 Was sind Ihre Stärken und Schwächen?

Wie eben angerissen, gibt es in der Kommunikation noch einige Punkte, die ich besser gestalten muss und werde. Meine Stärken liegen in meinem Fachwissen sowie Fehler zu erkennen und daran zu arbeiten, diese abzustellen. Außerdem lege ich Wert auf Struktur, Respekt und Konzept in meiner Arbeit.

Und wie stehen Sie Kritik gegenüber?

Kritik ist etwas sehr Wichtiges in der Bewältigung von Problemen. Nur so kann man sich weiterentwickeln. Sie sollte jedoch objektiv sein und immer auf der sachlichen Ebene ablaufen. Niemand lebt ja in einer Traumwelt, in der alles richtig gemacht wird. Jeder, der mich kennt, weiß das.

 Haben Sie sich bei aller Kritik in den letzten Wochen auch ungerecht behandelt gefühlt?

Hier kamen sicher viele Dinge zusammen, die sich in den letzten Monaten geändert haben. Ein Hauptgrund für meinen “Ruf” bei Teilen der Lok-Fans rührt jedoch auch ganz klar daher, dass in der Vergangenheit positive Entscheidungen meist von anderen kommuniziert und die negativen eher mir zugeschoben wurden. Da hätte ich schon von Anfang an gegensteuern müssen, was ich jetzt tue.

Denken Sie, es ist als Fußball-Funktionär überhaupt möglich, keine Kritiker oder nur eine überschaubare Anzahl an Kritikern zu haben, und ist das eines Ihrer Ziele?

In einem Metier, in dem viele Menschen aufeinandertreffen und Emotionen eine große Rolle spielen, ist es aus meiner Sicht unmöglich, keine oder nur sehr wenige Kritiker zu haben. Mein Ziel ist einzig und allein, weiterhin alle meine Ressourcen für den 1. FC Lokomotive Leipzig einzubringen und meinen Teil dazu beizutragen, dass der Club eine erfolgreiche Zukunft hat. Ich war schon immer eine Person, die eine klare Meinung besaß und diese auch vertreten hat. Ich werde weiterhin jemand mit Ecken und Kanten bleiben.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar