Was macht die Polizei im Vorfeld und bei Sicherheitsspielen des 1. FC Lok Leipzig, um einen reibungslosen Ablauf zu gewähren? Warum ist die Verhaftung von Gewalttätern inflagranti im Gästeblock nicht möglich? Wieso gibt es keine Meldeauflagen für Fußball-Gewalttäter bei Ligaspielen, und wie sieht die Polizei das Gefahrenpotenzial in der Fanszene des 1. FC Lok? Alexander Bertram von der Leipziger Polizei erklärt's.

Welche Maßnahmen ergreift die Polizei zur Zeit bei Sicherheitsspielen des 1. FC Lok, um einen reibungslosen Ablauf zu gewähren?

Zu jedem Heimspiel führt die Polizeidirektion Leipzig einen Polizeieinsatz durch. Diese haben unterschiedliche Ausmaße insbesondere im Kräfteansatz. Dieser richtet sich danach, ob das Spiel als brisant eingestuft wird. Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, hauptsächlich: wer die gegnerische Mannschaft ist, ob sich unter deren Fans gewaltbereites Klientel befindet und wie die Fangruppen zueinander eingestellt sind. Auch die Tabellenplatzierung kann eine Rolle spielen.

Vor jedem Spiel gibt es Sicherheitsbesprechungen. Die Polizei arbeitet hier eng mit der Vereinsführung/ Veranstalter bzw. anderen Sicherheitsträgern zusammen. Die Sicherheit im Stadion ist in erster Linie Sache des Vereins/ Veranstalters. Dennoch wird auch seitens der Polizei ein klares Erwartungsbild an Verein und die beauftragten Sicherheitsdienste formuliert um Störungen zu minimieren und Eskalation zu vermeiden.

Über die Mitarbeiter vom Fanprojekt hält die Polizei Kontakt zu Fans und Fangruppen. Das Fanprojekt stellt das Bindeglied zwischen Fan und Polizei dar. Hier wird viel über die Arbeitsweise der Polizei gesprochen und  Fragen im Zusammenhang mit bereits stattgefundenen Einsätzen beantwortet. Dies dient der Transparenz der Polizeieinsätze. Die szenekundigen Beamten der PD Leipzig pflegen den Kontakt zu Fans und Fangruppen und stehen für diese vollumfänglich – entsprechend deren Möglichkeiten – als Ansprechpartner zur Verfügung.

Die PD Leipzig sucht vor allem vor sicherheitsrelevanten Spielen mit sogenannten Fanbriefen den Kontakt zu heimischen Fans und Gästefans. Hier werden polizeiliche Maßnahmen und die Strategie der Polizei dargelegt. Auch beinhalten die Fanbriefe Hinweise zur günstigen und sicheren An- und Abreise, zu Parkmöglichkeiten sowie eine am Einsatztag geschaltete Telefonnummer, unter der man bei Problemen kompetente Ansprechpartner der Einsatzführung erreichen kann.

Die Polizei arbeitet auch mit dem Verband zusammen. Schon bei Spielansetzungen wird auf die Terminfindung eingewirkt, damit bei entsprechenden Brisanzspielen genügend Polizei vorhanden ist. Jeweils vor Saisonbeginn stellt die Stadt Leipzig, in Ergänzung der Sicherheitsrichtlinie des Fußballverbandes, den Vereinen mit Problemfanszenen einen Auflagenbescheid zu. Dieser wird mit der Polizei, der Feuerwehr und dem DRK abgestimmt. Im Bescheid werden Mindestmaßnahmen für eine störungsfreie Fußballveranstaltung festgelegt.

Auf die Umsetzung/ Einhaltung wird durch Vertreter der beteiligten Behörden/ Verein über die Saison hinweg hingewirkt (z.B. bei den Sicherheitsbesprechungen vor den Spielen). Die Leipziger Polizei wirkt mit Vertretern der Stadt Leipzig, der Fußballverbände, der Vereine in der AG Fußball mit. Hier spricht man über die in der Vergangenheit aufgetretenen Probleme und künftige gegenseitige Erwartungen, tauscht Erfahrungen aus und führt Veranstaltungen zur Saisonvorbereitung.

Polizeieinsatz im Bruno-Plache-Stadion. Foto: Jan Kaefer
Polizeieinsatz im Bruno-Plache-Stadion. Foto: Jan Kaefer

Welche weiteren Maßnahmen liegen theoretisch im Spielraum der Polizei und werden zurzeit nicht angewandt?

Alle Maßnahmen werden ausgeschöpft, um einen reibungslosen Spielverlauf zu gewährleisten. Sie müssen aber erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sein. Auch hier wird abgewägt, ob es sich um ein Brisanzspiel handelt. Maßnahmen werden in Absprache mit den anderen Sicherheitsträgern sowie den am Spiel beteiligten Vereinen getroffen.

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, dass die Polizei potenzielle oder frühere Gewalttäter mit Meldeauflagen während eines Spiels belegt?

Es muß eine Sachlage bestehen, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird. Das bedeutet, es müssen konkrete Hinweise vorliegen, dass bestimmte Personen in Erscheinung treten werden. Gästefans kann nur die Polizei der jeweiligen Wohnorte eine Meldeauflage erteilen. Dieses Mittel hat sich daher bei Ligaspielen nicht als praktikabel erwiesen. Anders sieht es bei Fußball-Großveranstaltungen wie z.B. bei Europameisterschaften aus, wo Meldeauflagen regelmäßig zum Einsatz kommen.

Alternativ nutzt die Leipziger Polizei regelmäßig Aufenthaltsverbote. Diese können an bestimmte Personen (auch Gästefans) für einen bestimmten Ort und Umkreis (Stadion und Umfeld)  in einem bestimmten Zeitraum (z.B. 12 Stunden vor Spielbeginn und nach Spielende) verhängt werden. Werden Personen, gegen die ein solches Aufenthaltsverbot verhängt wurde, in der Verbotszone angetroffen, können diese in Gewahrsam genommen werden. Bei der Identifizierung helfen regelmäßig mitgereiste szenekundige Beamte.

Warum werden bei Straftaten während Fußballspielen, konkret bei Randale im Block, Werfen von Feuerwerkskörpern etc. selten Personen direkt verhaftet?

Das direkte Einmarschieren in den Block birgt immer wieder eine Menge Gefahren und ist als Mittel immer abzuwägen. Die Polizei muss aus Gründen der Eigensicherung voll aufgerüstet und in großer Zahl in den Block. Gerade dadurch fühlen sich dann aber viele Fans provoziert und verbünden sich gegen die Polizei. Hinzu kommt noch, dass die Zuschauerblöcke oft abschüssig sind, wenig Platz bieten und so immer Gefahrenquellen für Polizisten und Fans darstellen. Deshalb werden oft die Fans, die Feuerwerkskörper werfen oder abbrennen lokalisiert, gefilmt und erst beim Abgang in der Pause oder nach Spielende gestellt.

Wie schätzen Sie das Gefahrenpotenzial bei Heimspielen des 1. FC Lok im Gegensatz zu Auswärtsspielen ein und wo bestehen die gravierenden Unterschiede?

Seit der Auflösung der Gruppe „Scenario Lok“ hat sich das Gewaltpotenzial allgemein verringert. Das Gewaltpotenzial in der Anhängerschaft des 1. FC Lokomotive Leipzig kann derzeit mit etwa 150 bis 200 Fans der Kategorie B (gewaltbereit) und ca. 60 Personen der Kategorie C (gewaltsuchend) beziffert werden. Bei Heimspielen der aktuellen Saison waren im Minimum 15 mal und im Maximum 80 mal Kategorie B sowie 25 mal Kategorie C anwesend.

Bei Auswärtsspielen waren es mindestens 15 mal und maximal 100 mal Kategorie B und 40 mal Kategorie C. Bei Risikospielen ist generell eine enorme Mobilisierung unter den Problemfans zu beobachten. Letztlich sind dann viele Personen aus dieser Gruppe zu beobachten, die sonst nicht oder nur sehr selten bei Spielen anwesend sind. Zuletzt war dies beispielsweise in der Saison 2015/2016 beim entscheidenden Spiel um den Aufstieg in die Regionalliga (gegen TV Askania Bernburg) der Fall.

Der Vereinsvorstand hat es sich explizit zur Aufgabe gemacht, die Fanszene des Vereins zu befrieden und klare Strukturen innerhalb dieser zu schaffen. Hierbei sind ihm seit der Saison 2014/2015 merkliche Fortschritte gelungen, die aber der steten Weiterführung bedürfen. Dies gilt insbesondere, da bei weiterem sportlichen Erfolg und Aufstieg(-en) in höhere Spielklassen entsprechend „attraktivere“ Gegner zu erwarten sind, die auch eine noch stärkere Reisetätigkeit der zahlreichen Fans bedingen werden.

Durch das Verbot der Gruppe „Scenario Lok“, Stadionverbote einzelner Personen und schärferer Zugangskontrollen hat der Verein im eigenen Stadion erste Erfolge zu verzeichnen. Es ist aber zu beobachten, dass diese Gruppierungen dann gerade bei Auswärtsspielen in ihrer bekannten Form in Erscheinung treten, wie zuletzt in Bischofswerda festzustellen war. Die angesprochenen Problemfans reagieren im Übrigen auf Weisungen von Ordnern oder Polizeibeamten gereizt, kommen diesen aber überwiegend nach – polizeiliches Handeln wird genau beobachtet und per Foto und Video dokumentiert.

Anmerkung: Das Interview wurde bereits Anfang Mai geführt.

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