LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausg. 65Kay Bohne ist mit seiner Frau Synke seit einem Vierteljahrhundert Bio-Bauer und Direktvermarkter. Im Mittelsächsischen Hügelland ein paar Kilometer westlich von Geithain bewirtschaftet der Familienbetrieb 20 Hektar, und seine Bio-Gemüsevielfalt ist auch in Leipzig gut bekannt.

Aber wenn sich Verbraucher beim Einkauf Eier von glücklichen Hühnern wünschen – komischerweise weniger Fleisch von glücklichen Schweinen oder Milch von glücklichen Kühen – dann frage ich mich, wie viele glückliche Bio-Bauern es gibt und ob Kay Bohne einer von ihnen ist. EU-Agrarsubventionen tragen jedenfalls wenig zu seinem Glück bei. „Je mehr Umweltschutz man betreibt, desto mehr wird man von diesem System bestraft“, so sein vernichtendes Urteil. „Denn die erste Säule der Agrarsubventionen, die weitaus größere der zwei Säulen, ist und fördert ja gerade die, die für die Agrarsteppe verantwortlich sind!“

Verantwortung für Bodenfruchtbarkeit

Agrarsteppe, was für ein Begriff! Um es vorwegzunehmen – unser Gespräch ist ebenso lang wie angeregt, jedoch keinesfalls von Bitterkeit oder Zorn geprägt. Obschon die Philosophie im Biohof Bohne konträr zur konventionellen Agrarindustrie liegt. Philosophie trifft es dabei eigentlich nicht, ist viel zu schwammig. Es sind doch knallharte Wertvorstellungen, die Öko und Konventionell unterscheiden und die entsprechende Folgen nach sich ziehen. „Ich will meinen Kindern einen Boden übergeben, der nicht ausgelaugt ist und auf dem in schmaler eintöniger Fruchtfolge nur wenige Früchte wachsen.“

Schon die Größe einer Agrargenossenschaft ist Bohne suspekt. „Es besteht die Gefahr, dass Verzinsung, Optimierung und Gewinn wichtiger sind als Nachhaltigkeit und Vielfalt“, findet er. Und die Probleme, die entstünden, würden mit der chemischen Keule bekämpft und von der Agrar-Lobby kleingeredet. „Was das mit unserer Gesundheit und der Umwelt macht! Wenn das alles mit eingepreist werden würde …“

Ein typischer Auswuchs konventioneller Landwirtschaft ist die Überproduktion. Erkauft mit intensiver Bewirtschaftung, Monokulturen, Ackergiften sowie einer Bodendegradation, die in Bohnes Augen in den letzten Jahrzehnten verheerende Ausmaße angenommen hat. „Was, wenn die ganzen 800 Jahre Landwirtschaft so gearbeitet worden wäre?“, fragt der Bio-Landwirt mit Nachdruck. Wikipedia definiert Bodendegradation als „die Verschlechterung der Ökosystemdienstleistungen des Bodens bis hin zu deren völligem Verlust.“

Familienbetrieb: Bio und nachhaltig

Der Gegenentwurf ist einfach. Wer Ackergift weglassen will, muss extensiver bewirtschaften und die Fruchtfolge beachten. Haben wir das nicht alle in der Schule mal gelernt? In einem Familienbetrieb ist der Horizont einfach etwas näher und alles bis dorthin leichter zu überblicken. Für Synke und Kay Bohne gab es 1994 nach ihrem Landwirtschaftsstudium keine Alternative zum Bio-Anbau. Ihr Horizont war dabei allerdings kleiner als erhofft. Denn der provisorische Anfang war ein „größerer Garten“ – knapp zwei Hektar Fläche. Als erstes Zugmittel dienten Arbeitspferde.

„Wir haben uns dann für Treuhand-Land beworben zur Pacht“, blickt Bohne zurück – immerhin 15 Hektar. 1998 konnte schließlich der jetzige Hof in Stollsdorf gekauft werden. Der neue Hofladen samt Lagermöglichkeiten war 2014 der letzte räumliche Zugewinn. Dort verkauft eine Tochter der Bohnes. Die andere studiert Ökolandbau in Eberswalde. Darüber hinaus beschäftigt der Familienbetrieb drei Mitarbeiter, vier Mini-Jobber und auch FÖJler.

Trotz Zupacht und Zukauf ist es mit heute 20 Hektar – das sind etwa 30 Fußballfelder – ein kleiner Betrieb geblieben. Umso beeindruckender die Bio-Vielfalt: Obst und Gemüse der Saison, Kartoffeln, Lagergemüse, Getreide, Eier, Apfelsaft, im Winter Rindfleisch. „Damit sind wir bewusst angetreten, weil Direktvermarktung nur so funktioniert.“ Über regionale Kooperation sind im Hofladen auch Honig, Tee und vieles andere mehr erhältlich.

Fruchtfolge statt Monokulturen

Aber ungleich wichtiger ist das Wie. Beim Biohof Bohne sind die Schläge ebenso klein wie wohlsortiert. Ein Schlag bezeichnet einen einheitlich bewirtschafteten und bestellten Teil eines Feldes. In Hofnähe gedeiht das zu bewässernde Gemüse wegen der nötigen Arbeitstechnik. Dazu auch ein paar Gewächshäuser. Die hoffernen Flächen sind Kartoffeln und Getreide vorbehalten. Die Fruchtfolge rotiert natürlich. „Luzerne schließt den Boden auf“, erläutert Bohne. Und Kleegras befördert die Bodenfruchtbarkeit, da es als Schmetterlingsblütengewächs mit Hilfe von symbiotischen Bakterien Luftstickstoff zu binden vermag.

Außerdem schmeckt es als Ackerfutter den Rindern. Fünf Mutterkühe, ein Deckbulle plus Nachwuchs, fünf Pferde sowie gut fünf Dutzend Hühner gehören ebenfalls zum Biohof. Die Tiere wachsen ohne Antibiotika auf, ohne genmanipuliertes Futter aus Südamerika und ohne Hormongaben, dafür mit frischer Luft und Sonnenlicht. Auch einen Seitenhieb kann sich Kay Bohne nicht verkneifen: „Seit die Milchquote abgeschafft wurde, herrscht dort Wildwest, und das Tierwohl spielt in der konventionellen Milchproduktion überhaupt keine Rolle mehr.“

Wer den Boden schonen möchte, muss auch öfter per Hand ran. Synke und Umsicht im Rhabarber. Foto: Peter Tendler, Biohof Bohne
Wer den Boden schonen möchte, muss auch öfter per Hand ran. Synke und Umsicht im Rhabarber. Foto: Peter Tendler, Biohof Bohne

Vertrauen der Verbraucher

Der Biohof Bohne ist Mitglied im Gäa e. V. Dieser Bio-Anbauverband mit strengeren Richtlinien als die EU-Bio-Verordnung vereint knapp 400 Biohöfe. 90 Prozent von ihnen sind im Osten Deutschlands beheimatet. Noch vor der Wende als oppositionelle Umweltgruppe gegründet, hat die Gäa ihren Sitz weiterhin in Dresden und wird auch von Kay Bohne als „unser regionaler Verband“ wahrgenommen und gewertschätzt.

Andersherum würdigt Gäa die Leistungen des Ökolandbaus: Eine umfangreiche, Anfang 2019 veröffentlichte Metastudie des staatllichen Thünen-Institutes habe zutage gefördert, dass Ökolandbau die konventionelle Landwirtschaft in Sachen Umwelt- und Ressourcenschutz deutlich überrage und deutliche und messbare Vorteile bringe. „Jeder Euro für Bio bedeutet eine Investition in sauberes Wasser, gesunde Böden und Klimaschutz“, so Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Bohne findet, dass der Bezug der Verbraucher zu den Landwirten abgenommen hat. Sein Biohof ist davon dank Direktvermarktung und entsprechender Stammkundschaft weniger betroffen. Aber bei großen Supermärkten sei der Weg vom Erzeuger zum Verbraucher länger und unübersichtlicher, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen auch in Bio hingegen kleiner. „Den Aufwand für verschärfte Kontrollbürokratie zahlen wir Kleinen mit“, sagt Bohne. „Uns vertrauen unsere Kunden auch so.“ Aber die Großen könnten anders nicht glaubwürdig sein.

Zumal der Anteil des für Lebensmittel ausgegebenen Geldes in Deutschland immer weiter gesunken ist und manches landwirtschaftliche Produkt eine anonyme Massenware sei. Dennoch macht Bohne auch positive Entwicklungstendenzen aus. In Leipzig beispielsweise herrsche eine wesentlich größere Bereitschaft, Bio zu kaufen. Aber auch im direkten Umland habe sein Absatz stetig zugelegt, nachdem „die Leute in den 1990er Jahren noch andere Sachen um die Ohren hatten“. Und weder in der Region noch im Ort ist Bohne heute der einzige Bio-Betrieb, im Gegensatz zu 1994. Die Region und auch das Regionale haben zugewonnen. „Eine Entwicklung auf niedrigem Niveau – aber immerhin.“

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