Corona hat auch unsere Art des Wirtschaftens infrage gestellt. Nicht nur durch den Shutdown, der große Teile der Wirtschaft für mehrere Wochen komplett lahmlegte. Denn der hat selbst innerhalb des verarbeitenden Gewerbes die Branchen unterschiedlich getroffen. Besonders hart traf es die exportierenden Unternehmen, denn für sie fielen auch gleich noch die Absatzmärkte im Ausland aus. Am Montag, 15. Juni, legte das Statistische Landesamt die Zahlen für den April vor.

Der April war ja nun der Monat, der komplett vom Shutdown erfasst wurde, in dem die Grenzen dicht waren und auch der internationale Warenverkehr zum größten Teil zum Erliegen kam. Das hat auch einige tragende Branchen in Sachsen erwischt.

Der April 2020 führte bei den 1.378 berichtspflichtigen Betrieben der sächsischen Industrie zu einem massiven Umsatzrückgang, stellt denn auch das Statistische Landesamt lakonisch fest. Die Zahlen umfassen nicht die gesamte Wirtschaft, sondern nur einen wichtigen, wahrscheinlich den wichtigsten Abschnitt des verarbeitenden Gewerbes: Betriebe mit 50 und mehr tätigen Personen im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und der Gewinnung von Steinen und Erden.

Der Gesamtumsatz ging gegenüber März um 34,9 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro zurück, binnen Jahresfrist betrug das Minus 38,1 Prozent.

Das ist nur der Monatsumsatz. Für gewöhnlich erwirtschaftet das Verarbeitende Gewerbe in Sachsen 70 Milliarden Euro im Jahr, die Gesamtwirtschaft brachte es 2019 auf 128 Milliarden Euro. Und nicht alle verarbeitenden Unternehmen sind so stark vom Export abhängig wie der Automobilbau, der schon vor Corona in schweres (Export-)Fahrwasser geraten war.

Der sächsische Auslandsumsatz verringerte sich im Vormonatsvergleich um 41,8 Prozent auf 1,0 Milliarde Euro, gegenüber April 2019 sank er um 47,8 Prozent, geht das Statistische Landesamt auf die besondere Wirkung des Exports ein. Die Exportquote, d. h. der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz, erreichte im April 2020 nur noch 32,9 Prozent. Das waren vier Prozentpunkte weniger als im März 2020 und 6,1 Prozentpunkte weniger als im April 2019.

Die geleistete Arbeitszeit der 236.983 Beschäftigten war mit 24.733 Tausend Arbeitsstunden jeweils ein Fünftel geringer als im Vormonat und im Vorjahresmonat. Was logisch ist: Die meisten Unternehmen beantragten im April Kurzarbeit und versuchten gleichzeitig, große Entlassungen zu vermeiden.

Am stärksten von der Krise betroffen war – wie bereits im März 2020 – der Bereich „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“, stellen die Statistiker fest. Der Umsatz lag im April nur bei 229 Millionen Euro. Das entspricht einem Rückgang von 79,4 Prozent gegenüber dem Vormonat sowie von 84,0 Prozent gegenüber April 2019 und stellt einen historischen Tiefstand dar. Der Rückgang wurde in starkem Maße von einem sinkenden Auslandsgeschäft verursacht.

Der Auslandsumsatz des Bereiches brach um 91,3 Prozent gegenüber März auf 44,8 Millionen Euro ein. Binnen Jahresfrist erreichte das Minus ebenfalls diese Größenordnung (93,7 Prozent). Von den 37.165 Beschäftigten im Automobilbau wurden im April mit 1.689 Arbeitsstunden deutlich weniger als die Hälfte der Arbeitsstunden von März 2020 bzw. von April 2019 erbracht.

Da aber viele Absatzmärkte der sächsischen Autobauer nach wie vor in der Coronakrise stecken, steckt hiermit die bisherige Lokomotive der sächsischen Wirtschaftsentwicklung in einer veritablen Klemme. Die rückgängigen Verkaufszahlen im Inland sprechen nicht wirklich dafür, dass das Auto in nächster Zeit wieder zur Wirtschaftslokomotive werden könnte.

Erst am 6. Juni hatte der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) die neuesten Verkaufszahlen für den Mai gemeldet: „Im Mai wurden in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt 168.100 Pkw neu zugelassen. Das sind 50 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Damit fällt der Rückgang im Mai zwar etwas geringer aus als im April. Dennoch ist der Mai 2020 der zweitschlechteste Zulassungsmonat seit 1991.

In den ersten fünf Monaten des Jahres ging das Neuzulassungsvolumen damit um 35 Prozent zurück. Mit 990.300 Einheiten fällt der Pkw-Markt auf das niedrigste Niveau seit der Wiedervereinigung. Die Situation ist damit aktuell noch deutlich schwieriger als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise. Die internationalen Hersteller erreichten im Jahresverlauf einen Marktanteil von 39,7 Prozent.“

Und das wohlgemerkt, obwohl seit Ostern zahlreiche Corona-Einschränkungen aufgehoben wurden und vor allem die Autohäuser wieder öffnen durften. Möglich, dass die Deutschen ihre Autokäufe lieber zurückgestellt haben, weil sie alle nicht wissen, ob sie demnächst noch ihren Arbeitsplatz behalten und die Raten bedienen können.

Und folgerichtig gingen auch die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe im April 2020 auf 55,2 Prozent (gegenüber 100 Prozent im Jahr 2015) zurück und im Bereich „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ fielen sie mit 26,0 Prozent auf einen neuen Tiefstwert seit der Wirtschaftskrise 2008/2009.

Der Blick ins Detail zeigt dann, dass keine andere Branche so heftig betroffen war wie der Kraftfahrzeugbau mit einem Umsatzrückgang von 84 Prozent gegenüber dem März, der ja nur zum Teil vom Shutdown betroffen war. Die Bekleidungsproduzenten büßten 48 Prozent ihres Umsatzes ein, die Möbelbauer 36 Prozent, die Maschinenbauer 33 Prozent, selbst die Pharmabranche 26 Prozent und auch die Papierindustrie setzte 23 Prozent weniger um. Eher glimpflich kamen Nahrungsmittel- und Getränkehersteller mit einem Minus von 10 Prozent davon.

Erstaunlich ist auch der Blick in den Bergbau, wo vor allem der Kohlebergbau zum Tragen kommt. Der setzte zwar im Vergleich zum März nur 2 Prozent weniger um, gegenüber dem Vorjahresmonat aber 22 Prozent weniger, denn natürlich nimmt eine Industrie im Pausenmodus auch deutlich weniger Strom ab als bei Volllast.

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