Die „Verspargelungs“-Kampagnen vor zehn Jahren haben einen kaum reparablen Schaden beim Windkraftausbau in Sachsen zur Folge gehabt. Der Freistaat ist Schlusslicht beim Ausbau der Windenergieanlagen. Doch Bund und EU haben gerade ihre Ziele für die Erneuerbaren Energien erhöht. Und das zu einem Zeitpunkt, da Sachsen praktisch handlungsunfähig ist, weil die verfügbaren Flächen für Windkraftanlagen fehlen.

Das kommende Bundesgesetz für Erneuerbare Energien (EEG) macht aber auch auf die Länder Druck, ihre Ziele beim Klimaschutz zu erfüllen. Doch während Sachsen Milliarden für den Ausstieg aus der Kohle kassiert, bremst die Landesregierung den Ausbau der Windkraft aus: Das Land erklärt nicht, wo neue Flächen für Windstrom entstehen sollen.

Das obliegt zwar vor allem den regionalen Planungsverbänden, die in den Regionalplänen die entsprechenden Vorranggebiete ausweisen müssen. Aber da wird oft noch viel stärker der Gegenwind von Akteuren vor Ort spürbar, die den Windkraftausbau mit aller Macht verhindern wollen. Die Pläne entstehen auch nicht in normalen Abstimmungszeiträumen von ein oder zwei Jahren, sondern brauchen oft fünf und mehr Jahre, bis sich die Akteure vor Ort zu irgendeinem Kompromiss durchgerungen haben.

Wenn der Kompromiss nicht mehrheitsfähig ist, stockt der Prozess wieder.

Und die Debatte um den Flughafenausbau im Leipziger Norden zeigt, dass eben nicht nur die demokratisch gewählten Instanzen beteiligt sind, sondern große Unternehmen einen enormen Einfluss auf die Regionalpläne nehmen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Eigentlich wäre der Freistaat gefragt, Mindeststandards für die Erneuerbaren Energien zu definieren. Denn wenn ein Regionalplan erst einmal beschlossen ist, gilt er wieder für zehn Jahre (und länger) und verhindert in der ganzen Zeit, dass es irgendeine Änderung zum Besseren gibt.

Der Ausbau der Windenergie findet in Sachsen praktisch nicht mehr statt, stellt darum ein weiteres Mal der Bundesverband Windenergie Sachsen (BWE Sachsen) fest, der wahrscheinlich zu Recht befürchtet, dass beim Windkraftausbau in Sachsen in den nächsten Jahren nichts mehr vorangeht.

„Während die Bundesregierung und Europa den Klimaschutz auch angesichts weltweiter Dürren endlich ernst nehmen, blockiert ausgerechnet die Schwarz-Grün-Rote Regierung in Sachsen den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien“, kritisiert Kerstin Mann, Vorständin des Landesverbandes Sachsen des BWE.

Tatsächlich hat die jetzige Regierung den betonierten Stillstand von den Vorgängerregierungen seit 2009 geerbt, was auch an der CDU liegt, die nach wie vor all ihre Energie darauf konzentriert, die Kohleindustrie in Sachsen zu erhalten, obwohl alles dafür spricht, dass die Kohlenmeiler bis 2030 vom Netz gehen. Spätestens dann wird Sachsen zum Stromimportland, weil die eigenen erneuerbaren Ernergiekapazitäten fehlen.

„Mit den aktuellen Vorschriften in Sachsen wird der Ausbau der Windenergie auch in den kommenden Jahren nicht auf ein vertretbares Niveau zurückkehren“, stellt Mann mit Blick auf die aktuelle Regionalplanung fest, die den Ausbau in Sachsen weiter verhindern wird. „Die Landesregierung muss die Regionalplanung schnellstmöglich an den Notwendigkeiten des Klimaschutzes ausrichten.“

Nach den Analysen der „Fachagentur Windenergie an Land“ wurden in Sachsen im ersten Halbjahr 2020 nur drei neue Windräder gebaut. Sachsen ist damit das Bundesland, das in der Stromerzeugung am wenigsten für den Klimaschutz tut.

„Als Land Sachsen werden wir Milliarden für den Ausstieg aus der Kohleverstromung bekommen. Da nehmen wir die anderen Bundesländer in Solidarhaftung. Aber für die gemeinsame Energiewende in Deutschland tut Sachsen viel zu wenig“, zieht Kerstin Mann ihr Fazit zum aktuellen sächsischen Dilemma.

Der BWE Sachsen verweist dabei auch auf das kommende Erneuerbare Energien Gesetz, das sich aktuell in der Abstimmung zwischen Bundesregierung und Bundestag befindet.

„Die Bundesregierung aus CDU und SPD macht ganz klar, dass Deutschland seinen Strombedarf 2030 zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien decken will. Heute liegt der Anteil erst bei etwa 50 Prozent. Hier muss laut dem aktuellen Gesetzentwurf auch jedes Bundesland seinen Beitrag leisten“, sagt Prof. Martin Maslaton, Vorstand im BWE Sachsen und Fachanwalt für das Recht der Erneuerbaren Energien.

Auch die EU hat am Montag angekündigt, die CO2 Emissionen bis 2030 auf 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken (statt 40 %). „Nicht nur für die EU gilt: Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir sofort beginnen. Das gilt auch in Sachsen“, sagt Maslaton.

Zubau von Windkraftanlagen: Auch im ersten Halbjahr 2020 ist Sachsen Schlusslicht unter den Flächenländern

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