Die rasant steigenden Baukosten machen auch den sächsischen Wohnungsgenossenschaften zu schaffen. Denn wenn Bauen immer teurer wird, bremst das nicht nur den Neubau aus, sondern auch die Modernisierungen im Wohnungsbestand. Am Mittwoch, 18. Mai, zog der Verband der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften (VSWG) eine Bilanz zur aktuellen Lage. Denn steigenden Aufwendungen bedeuten eben leider nicht mehr Baugeschehen.

Die sächsischen Wohnungsgenossenschaften sind ein bedeutender Faktor auf dem sächsischen Wohnungsmarkt. Mit einem Wohnungsbestand von 297.254 Wohneinheiten bewirtschaften sie 21,1 Prozent der Mietwohnungen in Sachsen und bieten Wohnraum für rund eine halbe Million Menschen.

Die Bilanzsumme aller im VSWG organisierten Unternehmen beträgt rund 9,6 Milliarden Euro. Als Unternehmen erwirtschaften sie mit jährlichen Umsatzerlösen von rund 1,31 Milliarden Euro einen Anteil von ca. 1,0 Prozent am sächsischen Bruttoinlandsprodukt.

Sie beschäftigten rund 2.600 Mitarbeiter sowie 92 Auszubildende und Studierende und sichern Aufträge sowie Arbeitsplätze in vielen weiteren wohnungswirtschaftlich flankierenden Branchen.

Deutlicher Einbruch der Modernisierungen

Diese negative Entwicklung spiegelt sich auch in den Investitionen für 2021 wider, die um 4,5 Prozent auf 542 Millionen Euro eingebrochen sind. Besonderen Einfluss hatten dabei die Investitionen für Modernisierungsmaßnahmen, die um 16 Prozent auf 157 Millionen Euro gesunken sind. Lediglich die Instandhaltungen liegen mit 312 Millionen Euro etwas über dem Vorjahreswert.

„Diese Steigerung ist jedoch weniger in einem ‚Mehr‘ an Maßnahmen, sondern vielmehr in einem ‚Mehr an Kosten‘ begründet. Gleichwohl steigt auch der Instandhaltungsbedarf, da seit der großen Investitionswelle der 1990er Jahre mittlerweile 25 bis 30 Jahre vergangen sind und die zweite Sanierungswelle auf die Branche zurollt. Mittlerweile liegen die Instandhaltungskosten bei fast 18 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr.

Dies entspricht fast einem Drittel der Miete, die allein für den Werterhalt aufgewendet werden muss. Darin noch nicht enthalten sind der Kapitaldienst für Darlehen, Verwaltungskosten oder die Modernisierung zur Steigerung der Qualität der Bestände“, erläutert Mirjam Philipp, Vorstand des VSWG.

Auswirkungen hat das Baukostenniveau auch auf die Neubautätigkeit. Dies zeigt sich nicht nur in dem Rückgang der Investitionen für neue Gebäude um 5 Prozent auf 72,3 Millionen Euro, sondern auch in der Baufertigstellung von 321 Wohneinheiten im Vergleich zu den 411 Einheiten im Vorjahr. Auch für das Jahr 2022 wird eine Neubautätigkeit auf ähnlich niedrigem Niveau erwartet.

Fast 1.200 leere Wohnungen mehr als im Vorjahr

Der Leerstand steigt aktuell mit steigender Dynamik und hat zum Jahresende 2021 eine Quote von 8,7 Prozent (entspricht 25.929 Wohnungen) erreicht. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass 1.164 Wohnungen mehr als im Vorjahr leer stehen.

Dabei ist auffällig, dass die Leerstände fast flächendeckend steigen. Lediglich die Stadt Leipzig sowie die Altkreise Görlitz und Freiberg konnten ihren Leerstand reduzieren. Alle anderen Regionen – einschließlich der Städte Dresden und Chemnitz – hatten 2021 einen Anstieg zu verzeichnen.

Denn während in Leipzig der Wohnraum knapper wird, weil die Stadt ungebrochenen Zuzug erlebt, wirkt sich in den meisten Landkreisen Sachsens der Rückgang der dort lebenden Bevölkerung immer stärker aus. Was dann zu der widersprüchlichen Entwicklung führt, dass in vielen Landkreisen immer noch Wohnungsbestände abgerissen werden.

Und so betont auch der VSWG, dass dieser Anstieg des Leerstands mit zunehmendem Bedarf für Rückbau eine Folge der demografischen Entwicklung in Sachsen ist. Auch im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2021 wurden 362 Wohneinheiten (Vorjahr: 501 WE) endgültig vom Markt genommen.

Auch für 2022 sind bereits rund 600 Wohnungen für den Rückbau vorgemerkt. Für die nächsten Jahre muss mit einem weiteren jährlichen Anstieg des Leerstands (vor Rückbau) von 0,4 bis 0,5 Prozentpunkten gerechnet werden, so de VSWG. Das entspricht 1.200 bis 1.500 Wohnungen pro Jahr. Insofern ist davon auszugehen, dass der Rückstand in den nächsten Jahren auf einem Niveau von mindestens 500 Wohnungen pro Jahr verharren wird.

Diese Quote zeigt sich auch in dem für die nächsten drei bis fünf Jahre für den Rückbau vorgesehenen Wohnungsbestand von insgesamt etwa 2.100 Wohnungen. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands haben die sächsischen Wohnungsgenossenschaften insgesamt bereits 34.696 Wohnungen zurückgebaut und damit einen signifikanten Teil ihres Vermögens vernichtet.

Mietniveau sachsenweit noch günstig

Die überwiegend von einem Wohnungsüberhang gekennzeichneten Wohnungsmärkte spiegeln sich auch in den niedrigen Mieten wider. Die durchschnittliche Nutzungsgebühr (entspricht der Nettokaltmiete) bei den Wohnungsgenossenschaften betrug zum Jahresende 2021 5,16 Euro/qm und damit nur 5 Cent mehr als im Vorjahr.

Auch die Betriebskosten lagen mit 2,25 Euro annähernd auf dem Vorjahresniveau. Ein besonderes Augenmerk gilt in diesem Zusammenhang der Entwicklungen auf den Energiemärkten.

„Die massiven Preissteigerungen, die bereits 2021 begonnen und sich durch den Beginn des Krieges in der Ukraine noch einmal deutlich verschärft haben, sind ein großes Risiko für die Bezahlbarkeit des Wohnens. Bereits ab 2022 ist mit signifikant höheren Vorauszahlungen zu rechnen. Ein Großteil der Kostensteigerungen werden aber vermutlich erst 2023 in der Heizkostenabrechnung für das Kalenderjahr 2022 durchschlagen“, so der VSWG-Vorstand.

2.300 weitere barrierearme oder barrierefreie Wohnungen bis 2024

Im Rahmen der Jahresstatistik 2021 wurde auch der Bestand an barrierearmen und barrierefreien Wohnungen ausgewertet. Demnach sind rund 1.600 Wohnungen barrierearm nach DIN 18040-2. Der vergleichsweise geringe Anteil von 0,5 Prozent des Gesamtbestandes lässt sich dadurch erklären, dass die von der DIN geforderten Bewegungsflächen etc. im Bestand kaum bzw. nicht durch vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Aufwand herzustellen sind.

Ferner sind rund 7.500 Wohnungen oder rund 2,5 Prozent des Bestandes barrierearm gestaltet. Für die nächsten drei Jahre (2022 bis 2024) planen die sächsischen Wohnungsgenossenschaften weitere ca. 2.300 Wohneinheiten barrierearm oder barrierefrei zu modernisieren.

Dies zeigt den steigenden Bedarf an barrierearmen Wohnungen insgesamt. Dabei sollte jedoch betont werden, dass immer mehr Abstand genommen wird von der Beschränkung auf die Zielgruppe „ältere Menschen“. Auch für junge Menschen, Familien oder fitte Rentner sind die umgesetzten Ausstattungsmerkmale attraktiv, sodass hier ein „universal design“-Ansatz gefahren wird.

Neben den barrierearmen und barrierefreien Wohnungen gibt es noch etwa 37.000 Wohnungen, die zumindest über barrierereduzierte Zugänge verfügen. Somit ist jede 8. Genossenschaftswohnung auch für eingeschränkte Personen gut erreichbar und zugleich kostengünstig in der Miete.

„Die Ruhe vor dem Sturm“

„Der sächsische Wohnungsmarkt bereitet sich aktuell auf stürmische Zeiten vor. Das Jahr 2021 war von massiven Kostensteigerungen gekennzeichnet, die ihren Ausgangspunkt infolge hoher Nachfrage, gestörten Lieferketten und mangelnden Baukapazitäten haben. Die hohen Kosten sorgen dafür, dass geplante Maßnahmen kritisch hinterfragt werden müssen, da die zur Refinanzierung erforderlichen Mieten oft nicht erzielbar sind“, so Sven Winkler, Referent Betriebswirtschaft des VSWG.

VSWG-Vorstand Mirjam Philipp ergänzt: „In Kombination mit den steigenden Leerständen muss dringend gegengesteuert werden, denn derzeit entscheidet sich die Zukunft des Wohnens in Sachsen.“

Die 208 im Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) organisierten Wohnungsgenossenschaften sind ein bedeutender Faktor im sächsischen Wohnungsmarkt. Der VSWG hat seinen Sitz im Verbandshaus in Dresden und ist gesetzlicher Prüfungsverband sowie Fach- und Interessenverband für die im Bundesland Sachsen ansässigen Wohnungsgenossenschaften.

Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem Information, Beratung sowie Aus- und Weiterbildung der Mitglieder. Zudem übernimmt der Verband die gemeinschaftliche Interessenvertretung der Mitglieder in der Öffentlichkeit.

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