Rund um die elektrischen Triebzüge der Baureihe 1442 der Deutschen Bahn, die ab Dezember 2013 im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz und damit im Leipziger City-Tunnel zum Einsatz kommen sollen, hat sich längst eine innige Dreierbeziehung entwickelt. Familienbande der neuen Züge bestehen zur Talent-2-Fahrzeugfamilie. Und damit ist für reichlich Emotionen gesorgt.

Die Deutsche Bahn ist entzückt über die ungewöhnliche silbergrau-lindgrüne Farbgebung der Außenhaut der S-Bahnen und hofft auf heilbare Kinderkrankheiten. Der Hersteller Bombardier muss einen engen Lieferplan stückzahlmäßig und in der geforderten Qualität abarbeiten. Und die Fahrgäste der Bahn in Mitteldeutschland haben seit reichlich vier Monaten auf der RegionalExpress-Linie Leipzig – Dresden und seit Januar auch auf der Linie Leipzig – Cottbus Gelegenheit, sich mit den Unzulänglichkeiten der Fahrzeuge vertraut zu machen, die mit den geplanten Tunnel-“Talenten” eng verwandt sind. Mäßige Talente sind das, wie Berge von kritischen Erfahrungsberichten aus den ersten Einsatzwochen lehren.

In diese nicht gerade harmonische Konstellation platzte am Donnerstag – 14. Februar – in einigen überregionalen Medien die Nachricht, dass die Deutsche Bahn ihren Lieferanten Bombardier wegen einer ellenlangen Mängelliste auf Schadenersatz im hohen dreistelligen Millionenbereich verklagen will. Die noch nicht exakt benannte Summe bezieht sich auf mehrere, längst in Betrieb genommene, störanfällige Baureihen, soll aber um Schadenersatzforderungen für verspätet gelieferte “Talente” ergänzt werden. Immerhin begann der Talent-Einsatz zwischen Leipzig und Cottbus im Januar 2013 mit über drei Jahren Verspätung. Während also die Bestellliste noch im Zustand der Abarbeitung ist, stehen vorläufig noch nicht bezifferte Zahlungsforderungen bereits im Raum.

Die alles entscheidende Frage für den Betriebsbeginn von City-Tunnel und Mitteldeutschem S-Bahn-Netz ist, ob die 51 bestellten silbergrau-lindgrünen Tunnel-Talente rechtzeitig und mängelfrei eintreffen. Sie werden im Vorfeld – seitens der Bahn war März 2013 geplant – für Ausbildungsfahrten gebraucht, sie müssen den mehrtägigen scharfen Betriebstest im Oktober bestehen und in voller Stückzahl ab Dezember 2013 loslegen, um das komplette Linienprogramm fahren zu können.

Zu Bau und Anlieferung der Baureihe 1442 gibt es bisher nur einen Hinweis. Er findet sich in der diesjährigen Januar-Ausgabe der Mitarbeiterzeitung DB Welt. Demnach wurden bereits fünf Fahrzeuge vom Herstellerwerk in Hennigsdorf gebaut. Abgenommen hat die Deutsche Bahn die Fahrzeuge noch nicht. Erst müsse die Zulassung vom Eisenbahnbundesamt als Voraussetzung für die Abnahme vorliegen, denn man wolle die Fahrzeuge nur in vertragskonformem Zustand abnehmen, heißt es bei der DB.

Ein Sprecher der Deutschen Bahn bestätigte auf Anfrage, man gehe davon aus, dass Bombardier Transportation alle bestellten Fahrzeuge, beginnend im Mai 2013, “vereinbarungsgemäß bis Ende des Jahres zur Aufnahme des mitteldeutschen S-Bahn-Netzes” ausliefere. Die Lokführer würden indes schon seit vergangenem Jahr auf geliehenen Fahrzeugen ausgebildet. Pläne für die weitere Ausbildung richteten sich nach der Anlieferung der Tunnel-Talente.

Die Baureihe 1442 wird das Gesicht des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes schlechthin prägen. Andere als Fahrzeuge aus der Talent-2-Familie können nicht eingesetzt werden, weil sämtliche S-Bahn-Linien durch den City-Tunnel führen. Selbst der Gedanke, im äußersten Fall vorübergehend andere Baureihen einspringen zu lassen, die von E-Loks über den unterirdischen Streckenabschnitt gezogen werden, ist nach Auskunft von damit befassten Betriebseisenbahnern längst verworfen worden. Die Brandschutzvorschriften brachten das Aus. Teilweise lag es an betriebsnotwendigen, aber entflammbaren Flüssigkeiten, die mitgeführt werden müssen, im Tunnel jedoch verboten sind. Und damit müssen die “Talente” ihr Talent wohl oder übel unter Beweis stellen. Eine Alternative ist nicht in Sicht.

Zur DB und Bombardier in der “Süddeutschen”: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/probleme-mit-regional-und-s-bahn-zuegen-deutsche-bahn-verklagt-zughersteller-1.1599749

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