Wir nehmen ja jeden Hinweis gern an. Auch den, dass die LVB in der 2013er Erhebung im Rahmen des „Systems repräsentativer Verkehrsbefragungen“ (SrV) durch die Technische Universität Dresden Zuwächse verzeichnet hat, nur die S-Bahn drastisch verloren habe. Das wird im Bericht, der am 9. Juli vorgestellt wurde, auch ausführlich beschrieben.

“Der Anteil des Umweltverbundes am Modal Split ist um 1,2% auf 61,7% angestiegen, obwohl das Teilsegment ÖPNV um 1,7% gesunken ist. Ein Grund für die Verluste im ÖPNV ist im stark eingeschränkten Angebot im S-Bahn- und Nahverkehrszugnetz im Befragungsjahr 2013 zu suchen. Ein flächendeckendes S-Bahn-Netz existierte 2013 faktisch nicht. Unter anderem war die S-Bahn-Linie S1 Hauptbahnhof – Grünau 2013 stillgelegt, während andere Teilabschnitte mit geringerer Kapazität und Angebot durch die Mitteldeutsche Regiobahn betrieben wurden. Die Verluste im Bereich S-Bahn- und Nahverkehrszugbereich sind daher 2013 besonders deutlich. Gegenüber 2008 gab es hier einen Rückgang um 2,6%. Dabei konnte u.a. die zwischenzeitliche Einstellung der S1 nach Grünau auch nicht durch die Verstärkung der Buslinie 80 kompensiert werden. Straßenbahn und Bus verzeichneten demgegenüber mit 0,6% leichte Zuwächse gegenüber 2008.”

Eine nicht ganz einfache Frage – denn weder die Deutsche Bahn noch die damalige Deutsche Regiobahn haben Fahrgastzahlen veröffentlicht. Vorstellungen von der Nutzung der S-Bahn bekommt man in Leipzig immer nur durch stichprobenartige Befragungen. So wie in dieser SrV-Erhebung, mit der 2013 in Leipzig 570 Haushalte mit insgesamt rund 1.000 Personen erreicht wurden. Oder mit den jährlichen Bürgerumfragen der Stadt, die deutlich mehr Leipziger erfassen. So zum Beispiel die “Bürgerumfrage 2013”, die sogar 7.107 Personen erfasst hat.

Verschiedene Befragungen, verschiedene Zahlen

Und da wird es spannend, denn wo die SrV-Erhebung für 2008 auf eine S-Bahn-Nutzung von 3,5 Prozent kommt und 2013 nur noch von 0,9 Prozent, kommt die “Bürgerumfrage 2008” (Befragtengruppe: 1.867) für den S-Bahn-/Eisenbahnanteil am Weg zur Arbeit auf 3 Prozent, die “Bürgerumfrage 2013” weist hier 2 Prozent aus. Der Rückgang ist also deutlich geringer. Der Anteil von Straßenbahn und Bus stieg in diesem Vergleich leicht von 21 auf 22 Prozent.

Man ist also mitten in den Niederungen der Statistik. Höhere Zahlen von Befragungsteilnehmern ergeben deutlich geringere Verschiebungen.

Und da die SrV-Befragung 2013 stattfand, war noch völlig unklar, wie sich der City-Tunnel nun auf das Verkehrsverhalten auswirken würde.

Das sollte dann mit einer zweiten SrV-Befragung im Juli 2014 geklärt werden, deren Ergebnisse nun freilich noch nicht vorliegen.

Die Stadtverwaltung zu diesem Thema: “Die Ergebnisse für den turnusmäßig bundesweit durchgeführten Befragungsteil 2013 – für Leipzig: bevor der Tunnel ans Netz ging – liegen jetzt vor. Leipzig hat daher eine zweite Befragung beauftragt, die im Juli 2014, ein gutes halbes Jahr nach Inbetriebnahme des City-Tunnels, begann und deren Ergebnisse 2016 verfügbar sein werden. Dann will die Stadt gemeinsam mit dem Zweckverband Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) eine Mobilitätsanalyse für den Großraum Leipzig veröffentlichen. Diese wird dann auch die Wirkungen des City-Tunnels und damit des neuen mitteldeutschen S-Bahn-Netzes im Raum Leipzig dokumentieren.”

Ein vorzügliches Tempo.

2014 gewann die S-Bahn eindeutig – Bus und Straßenbahn büßten ein

Aber tatsächlich gibt es jetzt schon Zahlen zur Zeit nach der Tunnel-Eröffnung. Natürlich stehen die ebenfalls in der am Donnerstag, 9. Juli, vorgestellten “Bürgerumfrage 2014”.

Wir greifen uns auch hier wieder die Erhebung zu den Wegen zur Arbeit heraus. Und da wird deutlich, dass viele Leipziger nach Inbetriebnahme des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes auf die S-Bahn zurückgekehrt sind. Der Anteil der S-Bahn/Eisenbahnnutzer stieg von 2 Prozent deutlich auf 5 Prozent an, übertrifft also auch den Wert von 2008, als es mal 3 Prozent waren.

Und da die Leipziger Statistiker die 2.653 im Jahr 2014 befragten Personen auch nach ihrer Verkehrsmittelnutzung im Vorjahr (2013) gefragt haben, können sie sogar sehr genau sagen, wer nun wie umgestiegen ist. Ein paar Leute sind tatsächlich vom Auto auf die S-Bahn umgestiegen, aber den größten Zuwachs bekam die S-Bahn aus dem Bereich der LVB-Kunden (Straßenbahn und Bus).

Wobei auffällt, dass die LVB gleich mehrfach Federn gelassen hat – sie hat Fahrgäste nicht nur an die S-Bahn verloren, sondern in ebenso starker Dimension auch ans Auto, an den Radverkehr und etwas geringer auch an den Fußverkehr. Ein paar Leute sind auch vom Auto auf die Straßenbahn umgestiegen, noch viel stärker aber aufs Fahrrad. Das Fahrrad war 2014 auch bei den Arbeitswegen eindeutig der Gewinner.

Zweitwichtigster Grund zum Wechsel: finanzielle Gründe

Und Leipzigs Statistiker haben auch gefragt, warum die Leipziger das Verkehrsmittel gewechselt haben. Hauptgrund ist natürlich die Veränderung des Abfahrtortes oder Reiseziels (Wohnort, Arbeitsplatz, Kita, Schule) mit 22 Prozent der Nennungen. Aber 18 Prozent der Befragten sind aus finanziellen Gründen umgestiegen. Ein Thema, das die Leipziger Verkehrsdiskussion nun seit Jahren begleitet – es gibt erhebliche Bevölkerungsgruppen, die sich die Preissteigerungen in Teilen der Mobilität nicht (mehr) leisten können. Sie wechseln auf preiswertere Verkehrsarten – vor allem auf Fahrrad und Schusters  Rappen.

16 Prozent wechselten auch aus gesundheitlichen Gründen, 15 Prozent aus zeitlichen Gründen. Auch das ein LVB-Thema – denn wenn die Straßenbahn das Tempo von Auto und Fahrrad nicht mithalten kann, wird sie vor allem im Berufsalltag unattraktiv. 15 Prozent der Wechsler sind ins neue S-Bahn-Netz gewechselt.

Die Bezugsgruppe sind 34 Prozent der Befragten, die angegeben haben, wenigstens bei einem Weg und Reisezweck ein anderes Verkehrsmittel gewählt zu haben als im Vorjahr. Wenn man das auf die Wahl der Verkehrsmittel für den Arbeitsweg ummünzt, kommt man auf 5 Prozent der Befragten, für die die S-Bahn eine Alternative ist.

Immer öfter zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs

Aber auch die SrV-Befragung machte sichtbar, dass die Leipziger öfter zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren, denn die durchschnittlich zurückgelegten Wege verkürzten sich: “91,9 Prozent der Leipziger sind mobil – ein Wert, der in den letzten zehn Jahren kontinuierlich anstieg. Nach wie vor verbringen die Leipziger durchschnittlich 72 Minuten pro Tag im Verkehr, allerdings ist ein Trend zu kürzeren Wegen zu beobachten, was mit dem Ansteigen des per Rad oder zu Fuß zurückgelegten Wege-Anteils korrespondiert. 2013 waren die Wege im Schnitt jeweils 5,4 km lang. Statistisch gesehen, legte 2013 jeder Leipziger pro Tag 3,6 Wege zurück, wobei der einzelne Weg jeweils 20 Minuten in Anspruch nahm. Die Arbeit machte 14 Prozent aller ‘Verkehrszwecke’ aus, Schule und Ausbildung sechs Prozent, Einkauf 19 Prozent und Freizeit 15 Prozent. Pro tausend Einwohner gab es in Leipzig 416 PKW (leicht steigend, aber unter dem Städtedurchschnitt von 455) und 915 Fahrräder – ein absoluter, bundesweiter Spitzenwert (Städtedurchschnitt: 745).”

10 Prozent sind sogar aus Umweltgründen gewechselt. Um Klima und Lärm ging es in der “Bürgerumfrage 2014” ganz ausführlich.

Fazit: Es stimmt – der ÖPNV hat von 2008 zu 2013 insgesamt eingebüßt, Straßenbahn und Bus haben leicht zugelegt, aber nicht so viel, um den S-Bahn-Verlust auszugleichen. Dafür hat die S-Bahn 2014 ordentlich zugelegt, Straßenbahn und Bus aber spürbare Anteile eingebüßt – und das vor allem an den Rad- und den Fußverkehr.

Die Ergebnisse des Befragungsteils 2013 des SrV.

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