Es war ein so eine Art herbstlicher Vorwahltermin im November 2013. Da rollten die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) einen schicken Hybridbus ans Connewitzer Kreuz. Der damalige Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) kam höchstpersönlich aus Dresden angefahren, um einen dicken Scheck über 2,9 Millionen Euro zu überreichen. Oder besser: gleich drei Schecks. Es ging um das Pilotprojekt "eBus Skorpion", das von einem Dreier-Projektkonsortium umgesetzt werden sollte.

Einer der Schecks ging ans Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) aus Dresden, einer an die Westsächsische Hochschule Zwickau (WHZ), Fakultät Kraftfahrzeugtechnik, und einen bekamen die LVB. Das Projekt gehört zum großen Elektromobilitätsprojekt Schaufenster Bayern-Sachsen “Elektromobilität verbindet”. Und den Journalisten wurde so richtig was zum Gucken, Fotografieren, Ausprobieren angekündigt.

Denn ausprobiert werden sollte, wie das vorhandene Oberleitungsnetz der Straßenbahn auch zum Betanken von E-Bussen genutzt werden könnte. Dabei sollten nicht einfach nur – wie das in Leipzig bis in die 1970er Jahre mal funktionierte – O-Busse wieder durchs Stadtbild fahren, sondern es sollte auch getestet werden, wie man Elektrobusse mit den vorhandenen Leitungen zügig aufladen kann, um sie dann auch mal längere Strecken ohne Oberleitung, dafür mit Batterie fahren zu lassen.

Kein ganz einfaches Projekt, das stellten auch die drei Projektpartner fest.

“Im Projektzeitraum bis 2016 werden die technische und wirtschaftliche Umsetzung untersucht. Dazu wird in einem ersten Schritt ein Forschungsfahrzeug unter realen Fahrbetriebsbedingungen auf der Linie 70 getestet. Die Nachladung des Energiespeichers wird dabei im laufenden Betrieb über eine Oberleitung erfolgen”, kündigten sie an. Als voraussichtlicher Termin für den Einsatz der ersten E-Busse war spätestens das Jahr 2015 angekündigt. Das klang ganz so, als würde das nun zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 passieren. Immerhin hatte man den Einsatz eines elektrisch betriebenen Busses als Ersatz für die Straßenbahnlinie 9 überlegt.

Wenn die derzeitigen Beschlüsse von Landkreis, Stadt Markkleeberg und MDV so bleiben, wird tatsächlich ab Dezember die Buslinie 70 nach Markkleeberg fahren. Aber nicht mit Strom, sondern wie bisher mit Diesel.

Auf der Projektseite des IVI wird das Projekt zwar noch genauso angekündigt.  Aber in Wirklichkeit hat sich schon im Sommer 2014 alles geändert. Die drei Projektpartner haben festgestellt, dass sie das Ganze so nicht umsetzen können. Die Probleme beginnen schon bei einem technischen Detail, das bei der Vorstellung im November 2013 gar nicht so kompliziert klang: Wie müssen Oberleitungs-Bügel für solche E-Busse konstruiert sein, damit sie auch im Tagesbetrieb problemlos funktionieren? Im Unterschied zu den alten O-Bussen sollen ja die neuen E-Busse keine starren Oberleitungsbügel bekommen, sondern sogar sehr flexible, die eingefahren werden können (oder praktischerweise automatisch einfahren), wenn ein Wegstück ohne Oberleitung kommt, die aber auch wieder automatisch ausfahren, andererseits auch seitlich flexibel sind, denn die Busse müssen ja auch immer wieder an den Straßenrand ausscheren, um neue Fahrgäste aufzunehmen.

Das scheint eine echte technische Tüftelarbeit zu sein. Die Westsächsische Hochschule Zwickau arbeitet  – noch – an einem automatischen An- und Abdrahtsystem für Fahrzeuge, welche unter einer partiellen Oberleitung nachgeladen werden sollen, antwortet LVB-Pressesprecher Marc Backhaus auf Nachfrage, wo denn nun die schmucken Testbusse für Leipzig bleiben. Sie kommen 2015 einfach nicht. Und ob 2016 was passiert, steht auch in den Sternen.

Über die Komplexität des Ganzen informierten die Projektpartner auch 2013 schon: “Um die Praktikabilität und Flexibilität von An- und Abdrahtvorgängen zu erhöhen, soll ein dynamisch-automatisiertes Plug-in-System entwickelt werden. Dafür sind der Einsatz von Radar- und Ultraschallsensoren zur Ortung der Oberleitung sowie elektromechanische Stellantriebe zum schonenden Andrücken des Stromabnehmers an die Oberleitung geplant. Hinsichtlich der gemeinsamen Nutzung einer Doppelfahrleitung für beide Fahrtrichtungen soll eine Polarisierungsänderung der Stromabnahme im Fahrzeug entwickelt werden.” Augenscheinlich doch ein komplexes Unterfangen.

Marc Backhaus: “Im Rahmen des Projektes wird in Leipzig kein Testbetrieb stattfinden. Somit werden auch keine Fahrzeuge im Rahmen des Projektes umgerüstet.”

Ist das Projekt also gestorben? – Nicht ganz. Während die Zwickauer Ingeneure versuchen, einen flexiblen Abnehmer für die E-Busse zu entwickeln, versuchen die LVB mit dem anderen Projektpartner zusammen, dem Fraunhofer IVI aus Dresden, mit mathematischen Modellen herauszufinden, ob sich die wichtigsten Leipziger Buslinien zur Umrüstung auf ein E-Bus-System eignen. Die sechs nachfragestärksten Linien würden dabei einer rechnerischen Untersuchung unterzogen, so Backhaus. Dazu gehören zum Beispiel so stark frequentierte Linien wie die 60, die 70 und die 90.

Backhaus: “Ziel ist es, Aussagen über die technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu generieren.”

Denn wichtige Grundbedingung ist, dass ein größerer Teil der Strecke auch unter Oberleitungen der Straßenbahn gefahren wird, so dass die Busse sich im Fahrbetrieb immer wieder neu aufladen können. Und die verbleibenden Abschnitte dürfen nicht zu lang sein, dass die Fahrzeuge ohne Saft liegenbleiben. Was ja auch Ausnahmesituationen wie Staus, Umleitungen und Unfälle betrifft: Wenn der E-Bus gerade im leitungslosen Abschnitt aufgehalten wird, darf das nicht dazu führen, dass er auf einmal ohne Strom dasteht.

Die Projektbeobachter werden jetzt also stückweise Informationen bekommen, wie es weiter geht: LVB und IVI werden irgendwann die Buslinien benennen können, die sich zur Umrüstung auf E-Bus-Betrieb eignen. Und die Westsächsische Hochschule Zwickau wird irgendwann (hoffentlich) einen modernen und intelligenten Stromabnehmer für E-Busse präsentieren, der im Idealfall auch auf die jetzt schon gefahrenen Hybridbusse der LVB montiert werden kann. Oder – was wohl wahrscheinlicher ist – in künftige komplett als E-Bus konstruierte Fahrzeuge eingebaut werden kann. Nur der lang ersehnte Pilotbetrieb fällt in diesem Jahr erst mal aus, so beschlossen schon vor einem Jahr mit Neujustierung des ganzen “Skorpion”-Projekts.

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Keine Kommentare bisher

“… E-Busse in Leipzig findet 2015 nicht statt.”

Na dann ist das Palaver um Luftreinhaltung in Leipzig doch mal ganz klar gescheitert.

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