Nicht nur beim Fahren geraten Leipziger Radfahrer immer wieder in brandgefährliche Situationen. Auch beim Stehen und Warten sind sie oft genug mitten im Malstrom, eingeklemmt auf viel zu schmalen Verkehrsinseln, umrauscht vom Verkehr und in Ampelphasen gefangen, die vor allem für flotte Motorisierung gedacht sind, Fußgänger und Radfahrer aber eher als Zaungäste im Verkehr betrachten.

Und das passiert nicht an alten Verkehrsstrukturen, sondern an solchen, die in den vergangenen Jahren für teuer Geld geschaffen wurden und werden. Von Planern, die sich überhaupt nicht vorstellen können, dass mehr als ein oder zwei Radfahrer am Innenstadtring auftauchen könnten.

Ein Leser schildert ein Beispiel vom Johannisplatz: “Der Johannisplatz ist auch an sich eine große Gefahrenzone, weil dort aus verschiedenen Richtungen RadlerInnen kommen, sich an der Ampel treffen und dann kreuz und quer wieder davon radeln. Es kommen bspw. Leute von der Nürnberger Straße angeradelt und möchten gerade über den Johannisplatz. Sie stehen schon ‘im Weg’ für Leute, die vom Grimmaischen Steinweg auf die Prager Straße wollen. – Wenn die besagten ‘Nürnberger’ dann von der Ampel losgefahren sind, gibt’s den nächsten Konflikt … die einen biegen rechts ab und andere wollen geradeaus, teilweise auch aus der Gegenrichtung. Es ist dann also an der Spitze des Parkes vor dem Grassimuseum eine sehr große undurchschaubare Menschenmenge …”

Da kann es durchaus sein, dass dieser Leser hier just einer Leserin begegnete. Sie schreibt uns zu dieser Konfliktstelle:

“Wenn man die Nürnberger Straße überquert hat und Richtung Prager Straße weiterfahren möchte, stehen auf Höhe der Straßenbahnhaltestelle häufig Fahrzeuge auf dem Radweg, um z. B. den dortigen Bäcker zu beliefern. Man muss also auf die Straße ausweichen. Allerdings verjüngt sich die Straße genau an dieser Stelle gleichzeitig von einer zweispurigen zu einer einspurigen Straße. Ein ziemlich gefährliches Unterfangen, als Radfahrer in den fließenden Verkehr zu wechseln, da die Autofahrer naturgemäß nur auf die Autos, die sich jeweils einfädeln, achten bzw. in die Rückspiegel schauen und daher die Radfahrer übersehen.”

Beim Vor-Ort-Termin war der Bäckerladen nicht mehr vorzufinden. Irgendwie scheint der Platz doch nicht so ideal zu sein, um hier Schrippen an vorbeifahrende Radfahrer zu verkaufen.

Auf der Insel gestrandet: Radfahrer am Goerdelerring / Dittrichring. Foto: Ralf Julke
Auf der Insel gestrandet: Radfahrer am Goerdelerring / Dittrichring. Foto: Ralf Julke

Aber richtig Stress macht eine Verkehrsinsel am Goerdelerring.

Dazu schreibt uns die Leserin:

“Wenn man aus Richtung Jahnallee kommend den Goerdelerring Richtung Richard-Wagner-Platz bzw. Blechbüchse überqueren möchte, ist die dortige Fußgänger- und Radfahrampel völlig widersinnig geschaltet. – Die Ampel für das 1. Teilstück der Straße schaltet nämlich so spät auf Grün, dass man die gesamte Straße nicht in einem Zug überqueren kann, sondern auf dem kleinen Mittelstreifen eingeklemmt zwischen mehrspurigen Straßen sowie Straßenbahnschienen auf eine weitere Grünphase warten muss, um die Straße vollständig zu überqueren. – Da dort eine Vielzahl von Menschen die Straße überqueren möchte, ist dieser Wartebereich allerdings viel zu schmal, so dass viele auf die Schienen ausweichen müssen. Wenn dann dort noch eine Bahn fährt, ist das Chaos perfekt. Sie klingelt die Wartenden weg aber keiner weiß, wohin man ausweichen soll, da der Platz für Radfahrer und Fußgänger viel zu klein ist. – Seltsamerweise ist das alles kein Problem, wenn man von der Blechbüchse kommend den Goerdelerring Richtung Jahnallee überqueren möchte, da hier die Grünphase ausreichend lang bemessen ist, so dass man in einem die Straße überqueren kann.”

Ähnliche Probleme kann man an der Querung von der Nürnberger Straße kommend über die Windmühlenstraße beobachten. Auch hier landen Fußgänger und Radfahrer nach einer Grünphase erst einmal auf der Insel. Aber der Wartebereich ist so schmal, dass man mit dem Fahrrad praktisch noch auf den Schienen der Straßenbahn steht. Richtig gefährlich wird’s, wenn mehrere Radfahrer da stehen – gar noch mit Kinderanhänger – und die Linie 9 will um die Kurve fahren. Da sieht man des Öfteren verzweifelte Eltern beim Versuch, Kind, Rad und sich selber irgendwie im engen Raum in Sicherheit zu bringen.

Nicht viel besser ist die Ampelquerung am Ausgang der Härtelstraße, wo sich Radfahrer aus der Härtelstraße und der westlichen Windmühlenstraße treffen, um die Grünphase zur nördlichen Seite der Windmühlenstraße abzuwarten, während nicht nur die normal fahrenden Radfahrer der Windmühlenstraße geradeaus wollen, sondern auch die sturen Falschfahrer sich durchdrängeln.

Und die gegenüberliegende Seite dieser Kreuzung ist auch nicht viel geräumiger. Radfahrer sozusagen als anpassungsfähige Heringe auf engstem Raum.

Was sagt der ADFC dazu?

Alexander John, Stellvertretender Vorsitzender des ADFC Leipzig

Der Johannisplatz bietet nicht nur aus Sicht des Radverkehrs viel Diskussionspotential. Die Umgestaltung des Platzes und der Kreuzung war für damalige Verhältnisse schon fast revolutionär. Der Eine oder die Andere wird sich noch an die Schleifenfahrt um den Platz, vorbei am Haupteingang des Grassimuseums, erinnern oder an eine rückwärtsfahrende Straßenbahn der Linie 12. Radfahrende werden sich wohl am ehesten noch an einen dichten Grünstreifen zwischen Johannisplatz und Augustusplatz (Grimmaischer Steinweg) auf der KWL-Seite erinnern, das war der angenehmste Teil der Gegend. Direkt auf dem Johannisplatz war durchgehend hohe Aufmerksamkeit gefordert, denn es wimmelte nur vor Hindernissen und man wusste nie so recht, wo darf ich nun mit dem Rad fahren oder was ist hier wie gemeint.

Mit dem Umbau 2005/2006 hat sich die Situation für den Fuß- und Radverkehr gebessert. Wesentlich deutlicher allerdings für den Kfz-Verkehr und den ÖPNV. Letzterem gönnt man es, bei ersterem wundert man sich, wie es nach dem Beschluss des Stadtentwicklungsplanes Verkehr und öffentlicher Raum (STEP VöR) dazu kommen konnte. Ziel war ja auch eine Entlastung des Promenadenringes und die Verringerung der PKW-Nutzung. Hätte man die Ziele verfolgen wollen, hätte man die Kreuzung anders bauen müssen: kleiner, weniger Fahrspuren, mehr Platz für den Fuß- und Radverkehr. Dass das nicht geschehen ist, hängt auch mit dem Fördermittelgeber zusammen. Finanziert wurde der 12,5 Millionen Euro teure Umbau aus dem Olympia-Sofortprogramm mit einer Förderhöhe von immerhin 90 %.

Wie das allerdings so ist, verändern sich die Dinge, Sichtweisen und Nutzungsintensitäten im Laufe der Zeit. Der Radverkehr hat in absoluten Zahlen massiv zugenommen, der PKW-Verkehr stagniert seit Jahren und so hat man bereits seit mindestens fünf Jahren die oben beschriebenen Probleme und noch einige mehr. Denn auch der Kfz-Verkehr, der vom Augustusplatz kommt und in die Nürnberger abbiegen möchte, steht. Da fährt oft nichts mehr. Ähnlich ist es mit dem Kfz-Verkehr, der von der Dresdner in die Querstraße abbiegen möchte. Hier zeigt sich aus umweltpolitischer Sicht ein schönes Phänomen: Fuß- und Radverkehr legen den Kfz-Verkehr lahm, insbesondere, weil der geradeaus fahrende Radverkehr rechts neben dem rechtsabbiegenden Kfz-Verkehr geführt wird.

Und dass Highlight für die Radfahrenden von der Prager Straße soll nicht fehlen: Auf einmal steht man da an einem “Zipfel” und muss sich für rechts oder links entscheiden, obwohl man geradeaus möchte. Nun gibt’s die Hartgesottenen, die stellen sich zu den Kfz und fahren mit diesen geradeaus. Der Rest gurkt über zig Ampeln und Ecken in Richtung Augustusplatz.

Wie könnten Lösungen aussehen?

Was bereits Jede und Jeder bereits heute selbst tun kann: Wer von der Nürnberger kommt, kann ein paar Meter vor der Kreuzung (Höhe Baum) anhalten und warten bis es grün wird. So werden die Radfahrenden und Zufußgehenden vom Augustusplatz in die Prager Straße nicht behindert und auch diejenigen, die in Richtung Dresdner/Täubchenweg wollen, haben etwas mehr Platz zum Aufstellen. Man selbst kann dann auch besser losfahren, weil man nicht Teil des Knäuels direkt an der Ampel ist.

Wer vom Augustusplatz kommt und in Richtung Dresdner/Täubchenweg oder Querstraße möchte und zu den sicheren Radfahrenden gehört, kann sich auch entsprechend einordnen. Da spart man sich auch einiges an Wartezeit an den vielen Ampeln.

Will man auch die anderen Probleme lösen, dann müsste man eine Neuaufteilung des Straßenraumes vornehmen. Hierzu gehört auch, dass man an der Querstraße den Radfahrstreifen links neben dem Rechtsabbieger markiert, denn ein Großteil der Fahrzeuge aus der Querstraße möchte zum Promenadenring und gefährdet damit massiv die Radfahrenden. Ganz besonders schlimm sind die vielen (Fern-)Busse, denn die sehen die Radfahrenden (anscheinend) nicht – oder wollen sie nicht sehen.

Ganz besonders wichtig bei der Neuaufteilung ist die Relation Augustusplatz – Prager Straße. Hier könnte mittels Kombispur der geradeaus fahrende Radverkehr auf der Fahrbahn mit dem rechtsabbiegenden Kfz-Verkehr geführt werden.

Und eine direkte Führung von der Nürnberger in die Querstraße wäre auch schön. Auch wenn man eigentlich über vier Ampeln und fünf Ecken fahren müsste, sieht die Praxis bereits etwas anders aus. Nicht Wenige fahren direkt rüber und vermindern somit das Konfliktpotential Rad-/Fußverkehr auf den Furten und den (viel zu) kleinen Aufstellflächen.

Und da die Stadt gerade in einem Forschungsprojekt “Leistungsfähigkeit für den Radverkehr” (sinngemäß, genauer Titel nicht bekannt) mitarbeitet, dürfen wir bester Hoffnung sein, dass es auch irgendwann zu Radverkehrsanlagen kommt, die auch die Leistungsfähigkeit für mehrere (zehn-)tausend Radfahrende am Tag haben. Denn wenn die Leipzigerinnen und Leipziger im Jahr 2020 bei ca. 600.000 Einwohnern 20 % ihrer Wege mit dem Rad zurücklegen, dann werden nicht mehr nur 290.000 Wege/Tag (2013) abgewickelt werden sondern ca. 430.000/Tag. Dann wollen in Spitzenzeiten je Ampelphase nicht nur 15 Radfahrende vom Augustusplatz in die Dresdner Straße/Täubchenweg, sondern 20, 30 oder gar 40.

Denn eines sollte hierbei auch bedacht werden: Der Johannisplatz ist das zentrale Drehkreuz für den Radverkehr vom und in den Leipziger Osten und dieser ist erst im Kommen. Noch stehen im Leipziger Osten relativ viele Häuser leer, noch gibt es zahlreich Baulücken und PKW-Parkplätze. Noch. Denn bspw. Volkmarsdorf hat 2013 und 2014 jeweils fast 1.000 Einwohner hinzugewonnen. Auch wenn das Wachstum in Reudnitz, Neustadt-Neuschönefeld, Anger-Crottendorf und Sellerhausen-Stünz (etwas) geringer ausfällt, da kommen insgesamt auch ein paar Tausend Einwohner in sehr kurzer Zeit hinzu und auch diese wollen attraktiv mit dem Rad fahren. Und das ist auch gut so.

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Aber ein ganz großer Knüller hat sich die Narrenbehörde (besser bekannt als Verkehrsamt) auf dem Roßplatz einfallen lassen: Früher konnte man als Fußgänger und als Radfahrer in einem Zug von Grünewaldstraße den Roßplatz queren und in die Universitätsstraße einfahren. Fand ich gut, und das Ganze machte auch nicht den Eindruck, dass die Autofahrer hätten lange warten müssen.

Die Narren in og. Behörde haben das nun unterbunden: Radfahrer bekommen u.U. schon gleich nach 5 Metern wieder Rot (da gibts nämlich noch ein Ampelchen…). Die Fußgänger müssen einen Zwischenstopp auf der Insel machen, wo …Moment… genau: fünf Straßenbahnlinien ihre Gleise freigehalten haben wollen (8,10,11,14,16). Nein, liebe Narren an der Prager Straße, die Schaltung für die Straßenbahnen ist nicht so optimal, dass die genannte Fußgängerinsel im richtigen Moment geräumt wäre. Das ist nicht der Fall. Radfahrer (die z.B. von der Ringbebauung kommen) und Kinderwagenfahrer haben unmögliche Not, Platz zu machen.

Und dabei hieß es mal in den 1980ern: Der Fußverkehr soll nicht auf Fußgängerinseln verharren. Das hatte man in den nachfolgenden 30 Jahren dann auch weitestgehendst umgesetzt. Nur nicht in Leipzig. Dort wird der Inselaufenthalt wieder eingeführt. Narrenbehörde.

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