2015? Das war auch mal wieder eine kurzzeitig aufflackernde Diskussion um die Fahrpreise bei den LVB, schnell wieder abgewürgt mit dem Hinweis, darüber würden die Gremien des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) befinden, da hätte der Stadtrat gar kein Mitbestimmungsrecht. Hat er aber doch - nämlich an der Stelle, an der entschieden wird, in welcher Größenordnung die Stadt selbst den ÖPNV mitfinanziert.

Denn dass die steigenden Kosten bei den LVB jedes Jahr zu 100 Prozent bei den Fahrgästen abgeladen werden, hat ja auch damit zu tun, dass die Stadt ihren Zuschuss an die LVB seit fünf Jahren gedeckelt hat, festgezurrt beim niedrigsten Wert, der in den letzten 15 Jahren gezahlt wurde: 45 Millionen Euro. Garantiert durch den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag (VLFV) und eindeutig zu wenig, um die auferlegten Aufgaben auch zu erfüllen.

Aber so rechnet die Leipziger Stadtverwaltung das Ganze nicht.

Sie rechnet von der Einhaltung des Grenzbetrages her. Das ist zwar völlig sinnfrei, hat aber mit der hiesigen Interpretation des europäischen Wettbewerbsrechts zu tun. Denn danach ist der Zuschuss nur berechtigt, wenn die LVB den gewährten Zuschuss von 45 Millionen Euro nicht überschreiten und auch ja keinen Gewinn machen. Nettoeffekt heißt das in der Vorlage. Oder im Betriebswirtschaftler-Deutsch der Auswertung, die die Stadt Leipzig dazu hat vornehmen lassen: “Im Ergebnis der Prüfung bescheinigt die PKF, dass ‘für die betrachtete Periode 2014 die Finanzierung der LVB im gesamten Bereich Linienverkehr auf und auf dem Gebiet der Stadt Leipzig den finanziellen Nettoeffekt gemäß Anhang der VO (EG) 1370/2007 nicht überschreitet und aus beihilferechtlichen Gesichtspunkten nicht zu einer rechnerischen Überkompensation führt und der angesetzte Gewinn angemessen ist.’“

Also ist alle rechtens und es wird auch weiter 45 Millionen Euro geben?

Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat findet: Nein, das ist es nicht. Denn damit lädt die Stadt sämtliche Kostensteigerungen im ÖPNV allein bei den Fahrgästen ab. Würden die LVB die steigenden Kosten nicht sämtlich auf die Fahrpreise umlegen, würden die 45 Millionen zwangsläufig überschritten.

Schon im Herbst hatte die Linksfraktion beantragt, bis zum Beschluss des neuen Nahverkehrsplans den Zuschuss auf 48 Millionen Euro anzuheben. Das wurde damals abgebügelt.

Aber zu aller Verblüffung kam dann das Stadtplanungsdezernat mit der Vorlage nach, jetzt nachträglich den Zuschuss für 2015 und 2016 auf 45 Millionen Euro zu beschließen. Das soll jetzt am 20. Januar geschehen. Die Linken fühlen sich schlicht im falschen Film.

“Zur Festlegung einer Maximal-Summe für den Gesamtfinanzierungsbeitrag der Stadt Leipzig halten wir eine Trennungsrechnung für unerlässlich. Seit nunmehr sieben Jahren wird der ursprüngliche Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 mit dem Passus, in § 2 Absatz 4a VLFV in den Folgejahren eine Trennungsrechnung durchzuführen, fortgeschrieben”, schreiben die Linken in ihrem Antrag

Und sie fordern die Beibehaltung der derzeitigen Zusatzfestlegung, welche festlegt: “Für die Jahre ab 2015 wird anhand der Trennungsrechnungen und des sich für den Planungszeitraum ergebenden Finanzierungsbedarfs überprüft, ob die Begrenzung des Jahres 2014 für die Folgejahre fortzuführen oder anzupassen ist.“

“Genau diese Überprüfung halten wir für umgehend geboten, da ansonsten der Anschein entsteht, dass die vorgeschlagenen 45 Millionen Euro als Höchstbetrag durch keinerlei Rechnung gedeckt bzw. begründbar sind”, betonen die Linken. “Eine Vorlage der Trennungsrechnung ist längst überfällig und sollte daher bis spätestens 30.06.2016 erfolgen.”

Was übrigens auch in der Vorlage des Planungsdezernats angedeutet wird, wenn auch nicht sehr eindeutig: “Die seit 2009 anhand einer Trennungsrechnung vorgelegte Fortschreibung der Parameter der Aufwendungen für die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen bzw. die vorliegenden Verwendungsnachweise haben aber aufgezeigt, dass die Anspruchshöhe für die geleisteten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen deutlich über diesem Maximalbetrag gemäß VLFV liegt. Aufgrund der bisherigen Bescheinigungen der  Wirtschaftsprüfer ist es sehr wahrscheinlich, dass die  LVB auch weiterhin mit den jährlich vorzulegenden Verwendungsnachweisen dies belegen werden”, heißt es dort.

Das heißt, die LVB müssten eigentlich von der Stadt sogar mehr als die zugesagten 45 Millionen Euro fordern können, um die “geleisteten  gemeinwirtschaftlichen  Verpflichtungen” finanzieren zu können. Tatsächlich belegt die Prüfung, dass die LVB eben keinen durch das Wettbewerbsrecht nicht genehmigten Gewinn gemacht hat.

Aber das wird in der Vorlage nicht erklärt, sondern gleich der kühne Sprung vollzogen: “Insofern verbleibt es bei dem Höchstbetrag von 45 Millionen Euro, der als beihilfekonform festgestellt wurde.” Was dann so klingt, als hätten die LVB Mühe gehabt, den “Maximalbetrag” auszureizen. Was einfach nicht stimmt.

Aber tatsächlich heißt es, dass die LVB auch die schwer verdienten Fahrgasteinnahmen dazu verwenden, um “gemeinschaftliche Verpflichtungen” zu erfüllen. Da die Stadträte aber keine Trennungsrechnung vorgelegt bekommen, können sie nicht nachvollziehen, welche genau das sind und welche Kosten sie verursacht haben.

Also haben sie auch tatsächlich keinen Einblick in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens, wissen also auch nicht, wie viel Geld die Stadt eigentlich zuschießen müsste, um die “gemeinschaftlichen Verpflichtungen” zu finanzieren.

Logische Folgerung für die Linken: “Um jedoch die wirtschaftliche Planung für die LVB nicht weiter zu verzögern, schlagen wir eine Erhöhung des Maximalbetrages auf mindestens 48 Millionen Euro für die Jahre 2015 und 2016 vor. Die nunmehr bereits einige Zeit laufende Debatte um die Prüfung alternativer Finanzierungen des ÖPNV hat gezeigt, dass die Anforderungen an die Nahverkehrsbetriebe deutlich gewachsen sind und dass die öffentliche Hand in größerem Maße ihrer Verantwortung gerecht werden muss. Die Fahrgäste können diesen höheren Finanzbedarf nicht alleine schultern. Die jährlichen Preissteigerungen müssen ein Ende haben. Die Stadt Leipzig muss sich als Aufgabenträger des öffentlichen Nahverkehrs auch aus der Sicht der Finanzierung zu ihrer Verantwortung bekennen.”

Und dazu gehört als Allererstes mehr Ehrlichkeit und eine echte Ausgabentransparenz. Vielleicht hört dann auch die Augenwischerei mit den immer so “alternativlosen” Fahrpreiserhöhungen auf. Denn mit der von den Linken geforderten Trennungsrechnung könnte sich ziemlich bald herausstellen, dass die Fahrgäste tatsächlich Aufgaben mit finanzieren, die eigentlich als “gemeinschaftliche Verpflichtungen” vereinbart sind und die eigentlich die Stadt bezahlen müsste.

Und so lautet der Änderungsvorschlag der Linksfraktion: “Die Ratsversammlung bestätigt die derzeit gültige Fassung der Zusatzfestlegung zum Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag (VLFV) zu vom 23.12.2013. – In Abstimmung mit der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) mbH und der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH soll der Maximalbetrag von 45 Millionen Euro auf mindestens 48 Millionen Euro für die Jahre 2015 und 2016 entsprechend des VLFV § 2 Abs. 4a fortgeschrieben werden.”

Die Begründung der Stadtverwaltung.

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Es gibt 2 Kommentare

@Stefan: Neue Schulden noch teurer.

Spätestens ab 2018 ist Leipzig nur noch mit Massenüberwachung und Bargeldverbot regierbar.

“Investieren” scheint bei LVB und bei Stadtkämmerern ein Fremdwort zu sein. Ja, Geld leihen und irgendwo reinstecken. Zum Beispiel in ein größeres Fahrangebot.

Leipzig wächst jedes Jahr um eine Kleinstadt, aber die LVB machen kein besseres Fahrangebot. Nicht so wie in Berlin, wo es gefühlt jedes Jahr eine neue Tram- oder Buslinie gibt(!) Ich wüsste echt nicht, in welcher deutschen Stadt man nochmal so leicht Fahrgäste gewinnen kann wie gerade in Leipzig. Die Leute wollen ja mit Tram, Bus und S-Bahn fahren, aber werden durch das für diese Halbmillionenstadt(!!!) unterirdische Angebot abgeschreckt. Leipzig wird tagsüber bespielt wie eine 250.000-Einwohner-Stadt.
10′-Takt hört sich toll an, gibts aber keine 12 Stunden am Tag.

Wie ein bekannter engagierter Bürger immer sagt: Allein einen Haltestellenmast aufstellen und Geld verdienen. Und es geht noch viel mehr. Ich glaube, in Leipzig wäre in keiner anderen Sparte zusätzliches Geld so gut investiert wie in die Verkehrsstruktur.
Sparen ist teuer.

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