ReportageFür die einen ist es Kilometer 0, für uns ist es Kilometer 7 oder 9 auf dem Weg an der Parthe entlang. Wer nach all den Hosianna-Gesängen glaubt, am Leipziger Hauptbahnhof gäbe es irgendeine Art großen Schilderbaum oder eine riesige Informationstafel, die zeigen, wie man von hier auf die besten Leipziger Radrouten kommt, der irrt. Der Leipziger Hauptbahnhof ist eine Wüste.

Wir haben ja schon mehrfach versucht, das zu verstehen, was die Touristiker in Leipzig alles anstellen. Aber wir werden es nie verstehen. Es sind zu viele Luftschlösser, zu viele bunte Tralalas. Und zu wenig handfester irdischer Verstand.

Es gehört wirklich nicht viel dazu, eine Stadt wie Leipzig für Radfahrer ordentlich zu vernetzen. Und dazu gehört nun einmal ein zentraler Startpunkt, an dem alle ankommenden Radwanderer sofort erfahren, auf welchem Weg sie am schnellsten auf welche Route kommen.

Der logische Punkt dafür ist das Umfeld des Hauptbahnhofs. Da gehört eine große Karte hin, auf der alle Routen eingetragen sind. Und es gehören Wegweiser hin, die zeigen, wie man von hier aus direkt auf die Routen kommt.

Hier geht es tatsächlich los: Wegweiser auf der Ostseite des Hauptbahnhofs. Foto: Ralf Julke
Hier geht es tatsächlich los: Wegweiser auf der Ostseite des Hauptbahnhofs. Foto: Ralf Julke

Gibt es alles nicht. Und falls es das trotzdem geben sollte, ist es nicht wirklich auffindbar. So verschenkt Leipzig, das wie blöde vom Wassertourismus träumt, den Radtourismus komplett. Ist das Narretei oder nur Ignoranz? Gibt es einen Radweg nach Schilda? (Natürlich.)

Deswegen gibt es auch nirgendwo einen großen Wegweiser, der hier zeigt, wie man auf den Parthe-Mulde-Radweg kommt. Weil wir hier aber schon hunderttausendmal langgekommen sind, wissen wir, wo der Anschluss ist: Das sieht man auf der Ostseite des Hauptbahnhofes, da, wo der Überweg zum „Victor’s Residenz-Hotel“ führt. Da muss man rüber und sofort scharf links abbiegen, denn diese Route führt tatsächlich an der stark befahrenen Brandenburger Straße entlang, wochentags also überhaupt kein Vergnügen, nur Gedröhn.

Am Friedrich-List-Platz umfährt man die Kreuzung, ist kurz auf der Lagerhofstraße, um dann wieder über die Brandenburger Straße hinaufzueilen auf die Brandenburger Brücke. Die wäre ganz schön als Aussichtspunkt auf das imposante Bahnhofsgelände. Aber das befindet sich westwärts der Brücke. Da versperrt Sichtschutz den Blick.

Hinter der Brücke geht es zwar gleich wieder munter bergab Richtung Adenauerallee. Aber das ist ein Punkt, da sollte man verharren, wenn man sich nicht gar die Zeit nimmt, eine der verfügbaren Bettelampeln zu benutzen, um auf die andere Straßenseite zu gelangen. Denn da sieht man die Parthe wieder, genau da, wo wir sie im letzten Kapitel bei unserem Abschweif verlassen haben. Nördlich der Straße Am Gothischen Bad kommt sie hier – ganz tief unten – wieder ans Tageslicht. Oder verschwindet im Dunkeln, wenn man es recht betrachtet. Denn wir fahren ja flussaufwärts.

Wegweiser im Mariannenpark: Dieselbe Route nutzen auch der Fernradweg Leipzig - Berlin, der Lutherweg (das grüne L) und der Jakobsweg (die gelbe Muschel). Foto: Ralf Julke
Wegweiser im Mariannenpark: Dieselbe Route nutzen auch der Fernradweg Leipzig – Berlin, der Lutherweg (das grüne L) und der Jakobsweg (die gelbe Muschel). Foto: Ralf Julke

Jetzt freilich die Brandenburger Straße abwärts zur Adenauer Alle, wo uns zwar kein Schild verrät, wie es hier auf dem Parthe-Mulde-Radweg weitergeht. Aber wir biegen trotzdem rechts ab und fahren bis zu einer kleinen Fußgängerinsel, wo dann auch ein kleines Schild verrät: Der Parthe-Mulde-Radweg biegt hier nach links ab – direkt in den Mariannenpark.

Hier stoßen wir auf mehrere eifrig beklebte Wegweiser, die uns nicht nur verraten, dass wir auf dem Parthe-Mulde-Radweg sind, sondern auch auf dem Fernradweg Berlin-Leipzig, auf dem (sächsischen) Lutherweg und auf dem Jakobsweg. Das hätte man auch am Hauptbahnhof schon verraten können. Jetzt wissen wir es. Wer mag, kann im Mariannenpark verschnaufen, Rosen bewundern, durch hübsche Baumrondelle flanieren oder den Staudengarten bestaunen. Zwei Spielplätze laden ein, falls die kleinen Mitfahrer sich austoben wollen.

Und kurz bevor wir die Volbedingstraße an einer etwas verzwickten Stelle überqueren, erhaschen wir noch einen Blick aufs Schloss Schönefeld. Hier steht auch die erste Informationstafel, die einen der Orte an der Parthe-Mulde-Radroute näher erläutert. Was – wie wir jetzt wissen – in Leipzig etwas Seltenes ist. Hier macht sich schon das Wirken der Gemeinden aus dem Partheland bemerkbar, die ihr Stückchen Welt gemeinsam vermarkten. Sie haben sich im Zweckverband Parthenaue zusammengetan. Und wir werden auch ihrem gar nicht so heimlichen Zentrum begegnen.

Schloss Schönefeld. Foto: Ralf Julke
Schloss Schönefeld. Foto: Ralf Julke

Denn eigentlich – auch wenn Schönefeld ein ordentlicher Leipziger Stadtteil ist – haben wir es ab hier mit lauter Parthedörfern zu tun. Und entsprechend ländlich wird die Landschaft ab jetzt. (Na ja, mit den üblichen Unterbrechungen.)

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