Löst sich jetzt endlich der Knoten, der nun seit zehn Jahren verhindert, dass die sächsische Großstadt Chemnitz attraktiv ans Fernverkehrsnetz angeschlossen ist? Zumindest der Verkehrsausschuss des sächsischen Landtages hat am Dienstag, 25. Oktober, getan, was möglich ist, dem Bundesverkehrsministerium quasi den roten Teppich ausgerollt: Sachsen plant die Strecke, da muss doch der Bund die Elektrifizierung endlich ins Programm nehmen, oder?

Schon seit Ewigkeiten steht die Elektrifizierung der Strecke Leipzig-Chemnitz im Bundesverkehrswegeplan unter „Vorhaben des potentiellen Bedarfs“. Das ist eine Wartekategorie. Vor 2030 ist nicht absehbar, dass der Bund Projekte in dieser Kategorie überhaupt in die mittelfristige Finanzplanung aufnimmt.

Das Thema lag auch schon bei der CDU/FDP-Regierung auf dem Tisch. Damals vereinbarte Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) mit der Deutschen Bahn, die Vorplanungen in sächsischer Regie voranzutreiben. Das ist auch noch immer der Stand der Dinge, wie die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Katja Meier, von Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) erfuhr: „In einem ersten Schritt wurde im Januar 2013 ein Vertrag über eine Grobstudie zur vorlaufenden Variantenauswahl abgeschlossen. Dabei wurden unter fahrplantechnologischen und kostenseitigen Aspekten sowohl eine Streckenführung über Borna, als auch über Bad Lausick untersucht. Nach Vorliegen der Grobstudie haben sich DB Netz AG und das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) auf Basis der erzielten Ergebnisse im April 2013 auf die Vorzugsvariante mit Streckenführung über Bad Lausick festgelegt.“

Die Vorplanungen wurden 2014 abgeschlossen. „Die Ergebnisse der Vorplanung wurden dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) übergeben, damit diese in die noch offene Bewertung einfließen können“, teilt Dulig mit.

Sein Amtsvorgänger war so euphorisch in die Planungen gegangen, dass auch gleich die entsprechenden Planungsleistungen in den Haushalten 2013 bis 2015 mit entsprechenden 18 Millionen Euro beziffert wurden. Der Landtag bewilligte das Geld. Beides eigentlich starke Zeichen an das Bundesverkehrsministerium. Doch das reagierte überhaupt nicht und ließ auch im jetzt diskutierten Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan 2030 die Strecke im Wartesaal.

Mit dem Beschluss im Verkehrsausschuss hat die sächsische Politik jetzt den Druck noch ein wenig erhöht.

„Seit 10 Jahren ist die Region Chemnitz mit 1,2 Millionen Einwohnern von der Bahn AG vom Fernverkehr abgekoppelt. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Deshalb wollen wir die Strecke Leipzig-Chemnitz so schnell wie möglich elektrifizieren und ausbauen. Das ist die Voraussetzung, dass auf dem Chemnitzer Hauptbahnhof wieder IC und ICE halten können“, erklärt dazu der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Andreas Nowak. „Um das Projekt voranzutreiben, hat die Staatsregierung bereits auf eigene Kosten Vorplanungen gemacht. Daran sollte sie jetzt anknüpfen und die weiteren notwendigen Planungen zum Ausbau der Strecke vorfinanzieren. Das Geld gibt es dann später vom Bund zurück. Das ist seit den 1990er Jahren bei sächsischen Verkehrsvorhaben ein immer wieder erfolgreiches Konzept. Nun liegt es am Verkehrsministerium, die Sache in Berlin kraftvoll voranzutreiben. Dafür muss die Strecke im Bundesverkehrswegeplan eine höhere Priorität bekommen.“

Der Beschluss im Verkehrsausschuss beruht übrigens auf einem Antrag der SPD-Fraktion, wo man jetzt sogar ein bisschen stolz ist, dass der Verkehrsausschuss einstimmig zugestimmt hat.

„Jetzt hoffen wir, dass die Stimme aus Sachsen auch auf Bundesebene ernst genommen wird“, erklärt Thomas Baum, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Sieht den Ball aber nicht beim sächsischen Verkehrsminister, sondern beim CSU-Mann in Berlin. „Das Bundesverkehrsministerium ist jetzt am Zug, damit die Planungen fortgesetzt werden können. Südwestsachsen darf nicht länger vom Fernverkehr abgekoppelt bleiben. Das ist für die wichtige Wirtschaftsregion von existenzieller Bedeutung. Deutschlandweit gibt es keine andere Wirtschaftsregion, die dermaßen vom Schienenfernverkehr abgekoppelt ist. Der Handlungsbedarf ist enorm.“

Mit dem Antrag wird die Staatsregierung aufgefordert, sich beim Bund und bei Gesprächen mit der Deutschen Bahn mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass der südwestsächsische Raum nicht länger vom Fernverkehr abgekoppelt bleibt. Dazu zählen neben der Elektrifizierung der Strecke Chemnitz-Leipzig auch die Fertigstellung der Elektrifizierung der Sachsen-Franken-Magistrale auf bayerischer Seite und der Ausbau und die Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung von Thüringen bis nach Sachsen.

„Voraussetzung ist und bleibt der zügige Ausbau und die Elektrifizierung verschiedener Strecken in der Region. So muss die Strecke Chemnitz-Leipzig endlich in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes aufgenommen werden“, drängt Baum. „In den laufenden Haushaltsberatungen arbeiten wir noch daran, dass möglichst Geld für Planungen zur Verfügung gestellt werden kann.“

Dass die Elektrifizierung der Strecke Leipzig-Chemnitz derart hinterherhängt, liege auch am Bundesverkehrsministerium, hatte Dulig gegenüber Katja Meier erklärt. Denn um das Projekt für den Bundesverkehrswegeplan verifizierbar zu machen, braucht es eine ingenieurtechnische Bewertung. „Die ausstehenden Bewertungen werden von Ingenieurbüros durchgeführt, welche das zuständige BMVI beauftragt. Das BMVI hat sich bisher noch auf keinen konkreten Termin dazu festlegen wollen, geht aber nach gegenwärtiger Kenntnis davon aus, dass die Bewertungen innerhalb des Jahres 2017 vorliegen werden.“

Das Geld für die Planungen im sächsischen Haushalt jedenfalls sei nicht verfallen, so Dulig. Wenn endlich ein Nicken aus Berlin käme, könne man sofort mit der Streckenplanung beginnen.

Antrag der SPD-Fraktion. Drs. 5246

Antwort vo Martin Dulig an Katja Meier (Grüne). Drs. 6537

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