Für FreikäuferWie verteidigt sich eigentlich ein Ministerium, wenn seine untergeordneten Behörden Käse erzählt haben? Macht es tabula rasa? Schreibt es Entschuldigungsbriefe? Augenscheinlich nicht. Obwohl genau das passiert sein muss, als das Leipziger Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) im März beim Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LaSuV) nachfragte, ob noch Fördergeld für den Radwegebau da sei. Die Antwort war eindeutig: Kein Geld mehr da.

Oder – um die Auskunft des Leipziger Planungsdezernats zu zitieren, die die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Meier, auch in ihren Landtagsanfragen zitiert hat: „Im März dieses Jahres fand eine Abstimmung zwischen VTA und LASuV statt, um die Fördermittelsituation für den Straßenbau zu erörtern. Durch den Fördermittelgeber wurde dargelegt, dass die Fördermittel im Straßenbau derzeit ausgeschöpft sind. Dabei unterscheidet der Fördermittelgeber die Vorhaben gemäß Förderrichtlinie zum Kommunalen Straßenbau nicht in Straßenbau und Radwegebau, so dass die derzeitige Fördermittelsituation auch auf Vorhaben des Radverkehres anzuwenden ist. Im Ergebnis des o. g. Gespräches musste die Prioritätenliste zum Radverkehrsprogramm für die Jahre 2017/2018 angepasst werden, ohne Einbeziehung von Landesfördermitteln, nur unter Berücksichtigung der momentan zur Verfügung stehenden städtischen Eigenmittel.“

Leipzig baut jetzt also nur die Radwege, die es mit eigenen Mitteln finanzieren kann, die anderen sind aus der Planung gefallen, weil gesagt wurde, dass keine Fördergelder da waren.

Obwohl weitere Anfragen von Katja Meier ergeben, dass die Radfördertöpfe des Freistaats nicht einmal ausgeschöpft worden waren – auch in den Vorjahren nicht. Und der Gipfel der Freude war dann, als sie vom Verkehrsminister erfuhr, dass sogar noch 5 Millionen Euro aus dem Vorjahr übrig waren und alle 8 Millionen für 2017 noch zur Verfügung standen.

Da hat also irgendjemand richtig Murks erzählt.

Ein Murks, den Katja Meier so auch nicht stehen lassen wollte. Denn irgendjemand im Verkehrsministerium muss ja wohl erklären können, warum man den Leipziger Planern ins Gesicht sagte, es sei kein Geld da, obwohl der Fördertopf noch voll war.

Also hat sie genau danach gefragt und ein paar Antworten bekommen, die an Windungen nichts zu wünschen übrig lassen.

Wir übernehmen den Spaß einfach mal so, wie er beantwortet wurde:

Frage 1: Hat die Abstimmung zwischen dem Verkehrs- und Tiefbauamt der Stadt Leipzig und dem LASuV, so wie vom Dezernat für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig ausgeführt, im März 2017 stattgefunden?

Die Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung Leipzig und dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV), Niederlassung Leipzig, hat im März 2017 stattgefunden.

Frage 2: Haben Vertreter*innen des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr oben zitierte Aussage sinngemäß getätigt, „ … dass die Fördermittel im Straßenbau derzeit ausgeschöpft sind. Dabei unterscheidet der Fördermittelgeber die Vorhaben gemäß Förderrichtlinie zum Kommunalen Straßenbau nicht in Straßenbau und Radwegebau, so dass die derzeitige Fördermittelsituation auch auf Vorhaben des Radverkehres anzuwenden ist.“?

Die Aussage wurde vom LASuV getätigt und war hinsichtlich der Fördermittelbereitstellung zum damaligen Zeitpunkt korrekt. Eine Unterscheidung in Straßenbau und Radwegebau gibt bereits die geltende Richtlinie des SMWA für die Förderung von Straßen- und Brückenbauvorhaben kommunaler Baulastträger (RL KStB) vor. Hier wird auf Teil A Ziffer II Nummer 1 und Ziffer V Nummer 1 RL KStB verwiesen. Generell erfolgt die Förderung aus unterschiedlichen Haushaltstiteln, die untereinander gegenseitig deckungsfähig sind.

 

Frage 3: Falls ja, wieso wurden Landesmittel für die kommunale Radverkehrsförderung, die mit der jährlichen Gesamtsumme von 8 Mio. Euro vom Landtag im Haushaltstitel 07 06 I 883 17 „Förderung Radverkehr einschließlich SachsenNetzRad“ beschlossen wurden, bereits im März des laufenden Haushaltsjahres für die Förderung von kommunalen Straßenbaumaßnahmen, die in einem anderen eigenen Haushaltstitel festgesetzt sind, verwendet?

Die Fördermittel für den kommunalen Radverkehr wurden zu diesem Zeitpunkt nicht für die Förderung von kommunalen Straßenbaumaßnahmen verwendet.

Frage 4: Zu welchem konkreten Zeitpunkt wird durch wen entschieden, dass im laufenden Haushaltsjahr beschlossene Mittel für einzelne Haushaltstitel, die drohen, nicht in ausreichendem Maße abgerufen zu werden teilweise für andere Haushaltstitel (je nach Deckungsfähigkeit) verwendet werden?

Erst wenn absehbar ist, dass der Haushaltsansatz im laufenden Haushaltsjahr durch vorliegende bzw. noch zu erwartende Anträge für Radverkehrsanlagen nicht ausgeschöpft wird, wird die gegenseitige Deckungsfähigkeit der unterschiedlichen Haushaltstitel in Anspruch genommen.

Frage 5: Wann wurden welche weiteren Kommunen in Sachsen vom LASuV bzw. vom SMWA dahingehend beraten, dass die Fördermittel für kommunalen Radverkehr im Jahre 2017 für weitere neue kommunale Anträge nicht mehr zur Verfügung stünden, da diese nun für die stark nachgefragten Straßenverkehrsvorhaben eingesetzt würden?

Eine Beratung dahingehend ist nicht erfolgt. Des Weiteren wird auf die Beantwortung der Fragen 1 und 4 verwiesen. Überdies muss der Mittelabfluss der Haushaltsmittel 2017 berücksichtigt werden, weil die bewilligten Zuwendungen nur entsprechend dem Baufortschritt (Zwei-Monatsfrist) ausgezahlt werden.

***

Da kann Katja Meier jetzt also würfeln: Stimmt nun die Aussage, „dass die Fördermittel im Straßenbau derzeit ausgeschöpft sind (…) so dass die derzeitige Fördermittelsituation auch auf Vorhaben des Radverkehres anzuwenden ist“? Oder stimmt die Aussage „Die Fördermittel für den kommunalen Radverkehr wurden zu diesem Zeitpunkt nicht für die Förderung von kommunalen Straßenbaumaßnahmen verwendet“?

Nur eine Aussage kann wirklich stimmen. Denn alle Anfragen haben auch ergeben, dass 2016 nur ein Drittel der Fördermittel für Radwege ausgegeben wurden. Und auch für 2017 waren bislang erst 3,4 Millionen der bereitstehenden 8 Millionen bewilligt worden. Wenn es schlicht um Verrechnungen innerhalb des Ministeriums geht, ist es natürlich Unfug, den Kommunen die Antragstellung zu verweigern mit der Begründung, das Geld sei nicht vorhanden. Ergebnis: Die Stadt Leipzig, die einen millionenschweren Bedarf im Radwegebau hat, hat ihre Prioritätenliste für beide Haushaltsjahre – 2017 und 2018 – geändert und baut nun einige wenige Radwege – ohne Landesförderung.

Die Anfrage von Katja Meier. Drs. 10312

Die Grünen-Anfrage im Leipziger Stadtrat, die das Dilemma erst ans Tageslicht brachte. 52

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Wenn die Abstimmung – sicherlich – aktenkundig stattgefunden hat, kann man doch bestimmt auch Ross und Reiter benennen. Somit wird es doch hoffentlich eine Handhabe geben, wenn vorsätzlich falsche Aussagen getätigt oder sogar Fördermittel vorenthalten werden.
Das klingt alles sehr skandalös.

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