Bis 2025 wird manches Vorhaben im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz schon deshalb nicht umzusetzen sein, weil es lange Jahre an Planungs- und Finanzierungsvorlauf braucht. Aber wenn die Region Leipzig tatsächlich bis 2030 das prognostizierte Wachstum hinlegt, dann werden auch die Projekte gebraucht, die der ZVNL im Konzept 2025+ vorschlägt.

Von „zum Teil erheblichen baulichen Maßnahmen“ spricht der ZVNL dabei. Aber wer genauer hinschaut, sieht, dass es sich hauptsächlich um all die Hausaufgaben handelt, die die Deutsche Bahn seit Jahren vor sich herschiebt – vom Bundesverkehrsminister in seinem gehemmten Tatendrang ganz zu schweigen.

Auch jenseits der Grenzen des ZVNL-Bediengebietes warten Städte und Landkreise händeringend auf einen attraktiven Anschluss nach Leipzig. Auch ihre Wettbewerbsfähigkeit hängt davon ab, wie gut sie an das Zentrum der Metropolregion Mitteldeutschland angeschlossen sind.

Mit der S-Bahn ins Vogtland

„Der ZVNL strebt eine gute Anbindung in den Nahverkehrsraum Vogtland sowie weiter nach Oberfranken an. Zur Umsetzung werden zwei Varianten geprüft“, kann man zu diesen Projekten, die nach 2025 umgesetzt werden sollen, im „Nahverkehrsplan 2017“ des ZVNL lesen, der jetzt zur Abstimmung im Leipziger Stadtrat vorliegt. „Die S-Bahn-Linie S 5x wird – die Umsetzung entsprechender baulicher Maßnahmen vorausgesetzt – in Werdau geflügelt und verkehrt dann nach Plauen–Hof und Zwickau. Dies bedarf allerdings zusätzlicher Fahrzeuge, um die Kurzwende der S 5x und die Anschlüsse in Zwickau (S) Hbf zu sichern und eines Zugdeckungssignals im Bahnhof Werdau.“

Wobei das Fahrzeugproblem nicht erst an dieser Stelle auftaucht. Es könnte sich schon in den nächsten Jahren (auch ohne weitere neue Linien) stellen, wenn auf wichtigen Strecken Kapazitäten erhöht werden müssen, weil die Nachfrage steigt.

Aber ob man die eine S-Bahn-Linie – die 5x – unbedingt splitten muss, das weiß man beim ZVNL auch noch nicht so richtig. Gerade im Südraum hat man ja noch eine Alternative.

„Die Alternative ist die Verlängerung der bisher zweistündlich in Altenburg endenden S 5 nach Plauen (V) ob Bf. Die Infrastrukturmaßnahme in Werdau ist hierfür nicht erforderlich, die Kurzwende der S 5x in Zwickau (S) Hbf bleibt ohne den Einsatz zusätzlicher Fahrzeuge gesichert.“

Das klingt dann schon nach der realistischeren Variante. Denn um die Infrastrukturgelder fürs Schienennetz wird in den nächsten Jahren ein Hauen und Stechen einsetzen, wenn der nächste Verkehrsminister (oder vielleicht mal als bessere Wahl eine Verkehrsministerin?) nicht endlich die Gewichte verlagert – weg von ressourcenfressenden Milliardenprojekten hin zur elementaren Stärkung der regionalen Schienennetze.

Auch das nächste Vorhaben wird es ohne echtes Engagement von Bund und Bahn nicht geben.

Mit der S-Bahn irgendwann nach 2025 nach Grimma und Döbeln

Hier ist zwingend die ausstehende Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Döbeln die Voraussetzung. Wäre sie schon vorhanden, wären Grimma und Döbeln schon längst Teil des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes.

So aber kann der ZVNL nur darauf setzen, dass die Bahn hier endlich ihre Hausaufgaben macht.

„Ausgehend von einer erfolgten Elektrifizierung der Strecke nach Döbeln werden die vormaligen Leistungen der RB 110 als neue S-Bahn-Linie im 30-Minuten-Takt bis Grimma und im Stundentakt weiter bis Döbeln erbracht“, beschreibt der ZVNL das für nach 2025 Notwendige. „Welche S-Bahn-Linie bis Döbeln geführt wird, ist noch zu prüfen. Gemäß Zielnetz 2018+ kommen dafür die Linien S 2 aus Richtung Delitzsch und S 4 aus Richtung Eilenburg in Betracht.“

Mit der S 6 nach Narsdorf und nach Weißenfels

Und nicht nur die Elektrifizierung nach Grimma fehlt – auch die nach Chemnitz. Was nicht nur die Direktverbindung der beiden Großstädte Leipzig und Chemnitz auf mittelalterlichem Niveau hält, sondern auch wünschenswerte S-Bahn-Angebote auf der Strecke blockiert.

„Für die S-Bahn-Linie S 6 ist eine Verlängerung bis Narsdorf zu prüfen“, formuliert der ZVNL. „Voraussetzung dafür ist die Umsetzung der Elektrifizierung Leipzig–Chemnitz sowie der Ausbau des Haltepunktes Narsdorf zum Bahnhof.“

S 6, das ist die Linie, die man schon vor 2025 gern nach Markranstädt fahren lassen möchte. Und dort wirkt die Linie natürlich wie ein Türöffner in den Süden von Sachsen-Anhalt.

Deshalb will man sie künftig auch nicht in Markranstädt enden lassen.

„Ebenfalls zu prüfen ist die Option einer Verlängerung der S 6 bis Weißenfels im 60-Minuten-Takt, im Falle es kommt zur Umsetzung der Variante a).“

Das ist die Variante, die die S 6 nach Markranstädt führt und nicht – wie in der anderen Variante – nach Grünau, Miltitzer Allee. Für Markranstädt spricht genau diese Möglichkeit, weil man die S-Bahn darüber hinaus zu weiteren Städten verlängern kann. Bei Grünau gibt es nur noch die Prüfvariante, ob man von der Miltitzer Allee eine Verbindung zum Bahnhof in Markranstädt hinbekommt. Was auch attraktiv wäre, denn auf der Strecke wären deutlich mehr Unterwegshalte auf Leipziger Gebiet als auf der Markranstädter Tour (10 versus 4).

ZVNL: „Zu prüfen ist auch die Option der Errichtung einer Eisenbahnverbindung zwischen Markranstädt und dem bisherigen S-Bahn-Endpunkt Miltitzer Allee. Die Ergebnisse einer dazu bereits Anfang der 2000er Jahre durchgeführten Untersuchung sind zu evaluieren.“

Aber die Verbindung würde wieder deutlich mehr Planungen und Kosten verursachen. Was bei den zögerlichen Reaktionen auf Bundesebene wohl eher dazu führen würde, dass hier mit einer zeitnahen Umsetzung nicht zu rechnen ist.

Dichtere Takte nach Torgau, Zeitz, Gera und Weißenfels

In den 2020er Jahren stehen auch eine Reihe von Neuvergaben für die Transportleistungen auf etlichen Regionalstrecken im Verbandsgebiet des ZVNL an. Diese Gelegenheit möchte der ZVNL gern nutzen, um auf einigen Strecken eine deutliche Beschleunigung und bessere Vertaktung mit den S-Bahn-Linien hinzubekommen.

Dazu werden dann freilich einige kleine, kaum genutzte Haltepunkte aus dem Streckennetz fallen. Das betrifft auch die Strecke nach Torgau, die man deutlich beschleunigen möchte.

„Spätestens mit der Neuvergabe der Leistungen soll der RE 10 beschleunigt werden und zusammen mit der S 4 ein kohärentes Angebot auf der Strecke nach Torgau realisieren“, heißt es dazu im Nahverkehrsplan des ZVNL. „Die vorgesehenen Maßnahmen (Streckenausbau, Haltauflassung) stehen deshalb immer im direkten Zusammenhang mit dem 60-Minuten-Takt der S-Bahn, um eine halbstündliche SPNV-Anbindung bis Torgau sicherzustellen.“

Dann wäre Torgau genauso gut ans S-Bahn-Netz angebunden wie das Leipzig deutlich näher gelegene Eilenburg.

Und auch im Süden würde sich eine bessere Anbindung lohnen. Im thüringischen Gera wird ja schon offen für eine Eingliederung Geras ins Mitteldeutsche S-Bahn-Netz geworben.

Der ZVNL hält das für machbar, zumindest als eine Variante mit schnellerem Regionalbahn-Verkehr: „Eine Beschleunigung der Verbindung nach Zeitz und Gera würde die direkte Anbindung von rund 130.000 Einwohnern (Stand 2016) an die Großstadt Leipzig weiter verbessern. Es wird geprüft, inwieweit der Betrieb dazu beschleunigt werden kann und einzelne Baumaßnahmen die Streckengeschwindigkeit erhöhen. Weitere Haltauflassungen im ZVNL-Gebiet sind jedoch nicht vorgesehen.“

Weiter im Text: „Weitere Prüfoptionen bestehen hinsichtlich der SPNV-Anbindung der um das Oberzentrum Leipzig herum angeordneten Mittelzentren. Während alle diese Zentren mindestens im 30-Minuten-Takt eine SPNV-Verbindung zum bzw. vom Oberzentrum Leipzig aufweisen können, bestehen in der Anbindung von Zeitz noch Defizite. Es ist zu prüfen, ob auch zwischen Leipzig und Zeitz eine Verdichtung zu einem werktäglichen 30-Minuten-Takt erfolgen kann.“

Und wenn man schon mit der S 6 nach Markranstädt und Weißenfels fährt, lohnt sich auch dort die bessere Vertaktung mit der Regionalbahn.

„Auch eine Beschleunigung des RE 17/SE 15 zwischen Leipzig Hbf und Weißenfels ist denkbar, wenn es gelingt, die S 6 über Markranstädt hinaus bis Weißenfels zu verlängern. Grundvoraussetzung dafür ist die Umsetzung der Variante a) der Linienführung der S 6 aus dem Zielnetz 2018+.“

Aber vieles, was im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz noch an Potenzial steckt, lässt sich nur erschließen, wenn die Bahn einige wichtige Investitionen tätigt, um die nun schon seit Jahren gekämpft wird, ohne dass im Bundesverkehrsministerium jemand den Mumm hat zu sagen: Das passiert jetzt.

Dazu gleich mehr an dieser Stelle.

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