Im Leipziger Stadtrat geht die Sorge um, mit dem neuen S-Bahn-Netz würde es heftige Einschnitte im Angebot geben. Zumindest zeigte sich die Linksfraktion geradezu alarmiert, als die LVZ am 9. August 2023 titelte „Einschnitte hätten erhebliche Folgen“ und meinte: „Es drohen offenbar Kürzungen im Fahrplan ab 2026“. Also gab’s eine besorgte Anfrage im Stadtrat. Und das wichtigste Zwischenergebnis: Die Fahrgastzahlen steigen auch bei der Mitteldeutschen S-Bahn.

„Wie haben sich die Fahrgastzahlen auf den Linien des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes in den Jahren 2018, 2019, 2020, 2021, 2022 sowie im ersten Halbjahr 2023 allgemein sowie insbesondere in den Tageszeiten ab 20 Uhr entwickelt? (Bitte unter Angabe der Linien, Fahrtrichtungen, Haltepunkten, Stunden)“, wollte die Linksfraktion es genau wissen.

Aber das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA), das hier mit Informationen aus dem Zweckverband für den Nahverkehr Leipzig (ZVNL) agiert, antwortete: „Dargestellt werden kann die Entwicklung der Fahrgastzahlen insgesamt in den Jahren 2016 bis 2022. Die gewünschte detailliertere Auswertung konnte seitens des ZVNL aufgrund des Aufwandes nicht durchgeführt werden. Relevante Veränderung der Tagesganglinien konnten allerdings in den letzten Jahren nicht festgestellt werden.“

Zu sehen sind die durchschnittlichen Einsteiger pro Wochentag im S-Bahn-Gebiet des ZVNL. Grafik: Stadt Leipzig
Die durchschnittlichen Einsteiger pro Wochentag im S-Bahn-Gebiet des ZVNL. Grafik: Stadt Leipzig

Also gibt es nur die Einsteigerzahlen pro Tag für das ZVNL-Gebiet (Leipzig, Landkreis Leipzig, Nordsachen), und das auch nur für die Wochentage. Aber die Zahlen zeigen auch so schon deutlich, wie der Zuspruch für das S-Bahn-Angebot von 53.587 täglichen Einsteigern im Jahr 2016 auf 62.345 Einsteiger im Jahr 2019 stetig anwuchs. Dann kamen die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021, als die Zahlen deutlich zurückgingen. Aber schon 2022 wurde mit 64.333 Einsteigern die Zahl von 2019 deutlich übertroffen.

Aus den Zahlen kann man – zumindest für die Wochentagsnutzung – auch Jahreszahlen errechnen. Danach wuchs die Zahl der Einsteiger im Verbandsgebiet von 14 auf 17 Millionen. Und wer da im Berufsverkehr schon mitgefahren ist, weiß, wie eng es da wird. Das heißt: Eigentlich ist das Angebot schon zu klein. Auch was die Wagengrößen betrifft.

Neue Züge ab 2026

Und da soll es, so das VTA in seiner Antwort, ab 2026 deutliche Zuwächse im Wagenangebot geben. „Für das MDSB2025plus-Netz kommen künftig neue Fahrzeuge vom Typ Mireo der Fa. Siemens zum Einsatz. Diese Fahrzeuge haben eine deutlich größere Kapazität gegenüber den heute eingesetzten Fahrzeugen vom Typ E-Talent 2. Darüber hinaus stehen durch den Verzicht auf Klappsitze im Bereich der Fahrradabstellung die ausgewiesenen Sitzplätze zukünftig auch immer zur Verfügung.“

Um die Größenordnung zu zeigen, hat das VTA auch eine Tabelle beigefügt.

Ein Kapazitätsvergleich der heutigen S-Bahn-Züge und der ab 2026 eingesetzten. Grafik: Stadt Leipzig
Kapazitätsvergleich der heutigen S-Bahn-Züge und der ab 2026 eingesetzten. Grafik: Stadt Leipzig

„Grundsätzlich ist der ZVNL in der Ausschreibung des MDSB2025plus-Netzes bei der Dimensionierung der Zugkapazitäten von einem Nachfragezuwachs von 30 % ausgegangen“, erklärt das VTA in seiner Antwort. „Im Frühjahr 2022 wurde außerdem eine Stadtrandbefragung durchgeführt, welche für Leipzig Ein- und Auspendler untersucht. Dafür wurden in und außerhalb von Leipzig (nicht das ganze Streckenband), während der Hauptverkehrszeit Fahrgäste befragt sowie Ein- und Ausstieg, Fahrschein, Vor- und Nachlauf für alle Ein- und Auspendler erhoben und auf die Befragungsfahrt hochgerechnet. Binnen- und gebietsfremde Verkehre wurden nicht betrachtet. Die Daten erklären somit die Ein- und Auspendler einer Fahrt, einer Linie in der Hauptverkehrszeit.

Ein Ergebnis dieser Befragung ist, dass die den SPNV nutzenden Pendler aus den folgenden Kommunen kommen (Häufigkeit in absteigender Reihenfolge):

Halle (Saale), Schkeuditz, Delitzsch, Markkleeberg, Eilenburg, Bitterfeld-Wolfen, Wurzen, Torgau, Taucha, Borna, Chemnitz, Böhlen, Borsdorf, Kabelsketal, Dessau-Roßlau, Rackwitz, Machern, Dresden, Naumburg (Saale) und Markranstädt.“

Steigende Preise, knappe Regionalisierungsmittel

Doch genau da, wo die Menschen im Berufsverkehr betroffen sind, soll es keine Ausdünnungen im Fahrplanangebot geben, betont das VTA: „Grundsätzliche Zielstellung der Stadt Leipzig und des ZVNL ist es, keine Kürzungen im Leistungsumfang vorzunehmen. Hierfür werden sich die Stadt und der ZVNL auch weiterhin einsetzen. Um jedoch kurzfristig die Ausschreibung vornehmen zu können, musste – entsprechend des derzeit zur Verfügung stehenden Haushaltsbudgets des ZVNL – eine Reduzierung angenommen werden. Dies erfolgte vor dem Hintergrund einer Zeitlage, wo die wenigsten Pendler/-innen betroffen sind.“

Dass es freilich notwendige Anpassungen im künftigen S-Bahn-Fahrplan geben soll, darüber berichtete auch die LZ schon am 25. Juli – ohne das Thema zu skandalisieren. Denn dabei geht es schlicht um die Frage, mit wie viel Geld der ZVNL das S-Bahn-Netz ab 2026 finanzieren kann. Eine erste Ausschreibung musste aufgehoben werden, weil die Angebote den Kostenrahmen sprengten. Grund dafür: die gestiegenen Preise für Material und Energie.

Also wurde das Paket geteilt und neu ausgeschrieben, sodass sich ab 2026 zwei Anbieter in das Netz teilen. Und in den Tagesrandzeiten gab es entsprechende Ausdünnungen, die möglicherweise – so das VTA – 3 Prozent der Fahrgäste betreffen.

Um das wieder aufzulösen, braucht es natürlich mehr Geld – entweder vom Bund oder vom Land. Und dazu sei man auch in Gesprächen, betont das VTA: „Wie bereits in der Antwort zu Frage 4. angedeutet, ist der Verbandsvorsitzende des ZVNL regelmäßig zum SPNV und dessen Finanzierung mit dem SMWA im Gespräch. Die Stadt Leipzig als Verbandsmitglied unterstützt dies ausdrücklich.“

Das Sächsische Wirtschaftsministerium ist deshalb der direkte Ansprechpartner, weil es die vom Bund zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmittel an die Zweckverbände weiterreicht und damit auch die Institution ist, die beim Bund vorstellig werden müsste, wenn die Regionalisierungsmittel dringend erhöht werden müssen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Eine deutliche Kapazitätsausweitung gibt es doch nur bei den Stehplätzen. Ansonsten wird es statt 1.310 Sitzplätzen zukünftig 1.400 in der Hauptverkehrszeit geben. Auf der S4 sogar noch weniger als heute. Da kann man nur hoffen, dass der RE10/11 dann stündlich in der Hauptverkehrszeit fährt.

Schreiben Sie einen Kommentar