In der 67. Aufsichtsratssitzung und 68. Gesellschafterversammlung am Donnerstag, 16. August, wurde Steffen Lehmann zum dritten Mal und für weitere fünf Jahre als Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verkehrsverbunds (MDV) bestätigt. Und so nebenbei kündigte Lehman auch schon einmal an, dass der Verbund im Dezember ein ganzes Stück weit wachsen wird. Der Leipziger Stadtrat hat den Beschluss dazu schon auf dem Tisch.

Lehmann, der unter anderem das Pilotprojekt „Muldental in Fahrt“ als Vorreiter für ein attraktives Mobilitätskonzept im ländlichen Raum im Freistaat Sachsen mit den beteiligten Projektpartnern initiiert hat, ist seit 2009 alleiniger Geschäftsführer der MDV GmbH.

„Ich freue mich an der Spitze der Verbundgesellschaft auch in den nächsten Jahren im Interesse unserer Gesellschafter Mitteldeutschland aktiv mitgestalten zu können“, erklärt Steffen Lehmann. „Ich möchte die erfolgreiche Arbeit im ‚MDV-Strategieprozess 2025‘ fortsetzen. Dabei stehen die Vernetzung der beiden Oberzentren Leipzig und Halle mit den Landkreisen, die Neustrukturierung der Verkehrsangebote in den Landkreisen sowie der Schaffung von Rahmenbedingungen für eine auskömmliche Finanzierung des ÖPNV weiterhin im Fokus.“

Doch auch an weiteren Themen mangele es dem MDV nicht. Im Dezember 2019 steht die große Verbunderweiterung im Schienenpersonennahverkehr an, welche die Landkreise Anhalt-Bitterfeld, Wittenberg und die Stadt Dessau-Roßlau in den MDV integriert.

Schienenpersonennahverkehr ist hier als Begriff wichtig. Denn die in Sachsen-Anhalt gelegenen Kreise treten dem Verkehrsverbund nicht komplett bei. Aber sie vollziehen jetzt – mit ein bisschen Verspätung – den Schritt, der eigentlich 2013 schon fällig gewesen wäre: Damals ging ja bekanntlich das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz in Betrieb. Die S-Bahnen verbinden seitdem einen Großteil der Region. Aber diese Landkreise, die ja nun auch wichtige Teile des S-Bahn-Netzes umfassen, waren noch nicht Teil im Verbundsystem. Das heißt: Wer hier wohnt oder Urlaub macht, profitierte bislang noch nicht vom Ticketsystem des MDV.

Eine ziemlich unsinnige Grenze.

Aber die Vorlage für den Stadtrat, der den Beitritten und damit der Änderung in der Gesellschafterversammlung ja zustimmen muss, zeigt auch, dass allein eine Vereinheitlichung des Ticketverbundes schon mal eine Stange Geld kostet.

In der Vorlage, die im September beschlossen werden soll, heißt es dazu: „Mit Inbetriebnahme des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes (MDSB) 2013 bzw. 2015 wurden die SPNV-Verknüpfungen auf dem derzeitigen Verbundgebiet insbesondere nach Sachsen-Anhalt deutlich erweitert und qualitativ verbessert. Damit sind die Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg sowie die Stadt Dessau-Roßlau (alle Sachsen-Anhalt) verkehrlich deutlich näher an das MDV-Gebiet herangerückt und es gibt insbesondere für Pendler entsprechend attraktive Verbindungen.“

Geschäftsführer des MDV Steffen Lehmann. Foto: MDV
Geschäftsführer des MDV Steffen Lehmann. Foto: MDV

Nur verzweifelten die Pendler dann oft genug am Ticketsystem. Das soll sich jetzt ändern: „Nach intensiven Abstimmungen und Verhandlungen unter Abwägung aller Vor- und Nachteile hat sich der Aufsichtsrat des MDV am 01.02.2018 dazu entschieden, die SPNV-Angebote in den zuvor genannten Kommunen ab Dezember 2019 in den MDV zu integrieren (Teilintegration, da keine Integration des straßengebundenen ÖPNV-Angebotes erfolgt).

Zusätzlich soll ab Dezember 2019 auch der Bahnhof der Stadt Könnern (Teil des Salzlandkreises, ebenfalls Sachsen-Anhalt) Teil des MDV und ein MDV-Übergangstarif für die Stadt Könnern (inkl. ÖSPV, aber ohne Stadtverkehr) umgesetzt werden. Damit können die Verbundfahrscheine dann auch im SPNV im Erweiterungsgebiet genutzt werden. Ob, wann und unter welchen Rahmenbedingungen eine Einbeziehung aller Nahverkehrsangebote im Erweiterungsgebiet erfolgen könnte (Vollintegration), ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.“

Aber allein der Hinweis deutet darauf hin, dass hinter den Kulissen mit aller Vorsicht verhandelt wird. Logisch wäre es ja, das gesamte Einzugsgebiet der S-Bahn auch in einem einheitlichen Verbundsystem (auch für den ÖPNV) unterzubringen.

Die Vorteile laut Dezernat für Stadtentwicklung und Bau im ersten Schritt: „Von der geplanten Teilintegration profitieren insbesondere Pendler aus den bzw. in die östlichen Gebiete(n) Sachsen-Anhalts, die mit einem Ticket sowohl den SPNV als auch die Stadtverkehre in Leipzig und Halle nutzen können. Darüber hinaus gestalten sich damit auch die Nutzungsmöglichkeiten für Touristen attraktiver. Insgesamt wird die ÖPNV-Nutzung in Mitteldeutschland vereinfacht und damit eine weitere attraktive Alternative zu Fahrten mit dem Privat-Pkw geschaffen.“

Die Erwartungen an diesen Schritt sind hoch. „Es kann davon ausgegangen werden, dass sich durch die Teilintegration die Anzahl an Fahrgästen im MDV-Gebiet sowie insbesondere die Nutzung des SPNV-Angebotes erhöht, wodurch insgesamt auch mehr Erlöse zu erwarten sind.“

Aber auch der Teil-Beitritt kostet erst einmal Geld, denn die vier neuen Landkreise haben ja noch keinen Zugang zum Ticket-System des MDV. Der muss erst einmal ausgebaut werden.

„Der Gesamtaufwand für die Umsetzung der Teilintegration beträgt vsl. 2,65 Millionen Euro und wird nahezu komplett durch die NASA und den ZVNL getragen. Konkret bedeutet dies, dass die Finanzierung des einmaligen Aufwands für die technische Umstellung der Vertriebstechnik, der Leistungen Dritter sowie personelle Ressourcen durch die NASA und den ZVNL erfolgt. Der bei den Verkehrsunternehmen anfallende einmalige Aufwand (v. a. Personalaufwand zur Begleitung der technischen Umstellung) wird als Pauschalbetrag über den MDV erstattet.

Die notwendigen Investitionen in technische Lösungen zur Tarifdatenpflege i. H. v. rund 80.000 Euro werden durch die Verbundgesellschaft finanziert. Die darüber hinaus entstehenden Kosten in Form von Durchtarifierungs- und Harmonisierungsverlusten werden vollständig als Pauschalbetrag abschmelzend durch die Aufgabenträger im SPNV finanziert, wobei der berechnete Pauschalbetrag durch einen Gutachter geprüft und testiert wird.

Es wird eingeschätzt, dass die zuvor genannten und durch die Verbunderweiterung entstehenden Kosten nach einer entsprechenden Einschwingphase vollständig durch zusätzliche Fahrgeldeinnahmen und Ausgleichszahlungen gedeckt werden können und die positiven Effekte der Teilintegration letztlich die getätigten Investitionen rechtfertigen.“

Pendeln wird also auch aus Sachsen-Anhalt einfacher und preiswerter für die Betroffenen. Und damit lohnt es sich auch, in den dort angeschlossenen Städten eine Wohnung zu suchen, wenn man in Leipzig partout nichts Bezahlbares mehr findet.

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