Organtransplantationen sind die Königsdisziplin in der Chirurgie: Es geht um das wertvollste, das ein Mensch dem anderen schenken kann, ein Organ, das perfekt entnommen und übertragen werden muss. Bei Lebendspenden steigt dieses Verantwortungsgefühl sogar nochmals, denn hier verzichtet ein Mensch zu Lebzeiten zugunsten eines Angehörigen auf seine körperliche Unversehrtheit. 23-mal war das in diesem Jahr am Universitätsklinikum Leipzig der Fall, 23-mal wurde eine Niere einem Spender entnommen und einem Empfänger transplantiert.
Um diese Operation für die Spender so schonend wie möglich zu gestalten, kommt dabei der OP-Roboter daVinci zum Einsatz. In beiden Disziplinen vereint das Uniklinikum Leipzig (UKL) besondere Expertise – in der Roboterchirurgie und der Transplantationsmedizin.
Für Prof. Jens-Uwe Stolzenburg war der 1000. Da Vinci-Eingriff des Jahres Routine. Der Urologe und Pionier der robotergestützten Chirurgie entnahm dabei dem 53-Jährigen Reimo H. aus Chemnitz eine gesunde Niere. Einen Operationssaal weiter nahm das Team der Transplantationschirurgie um Prof. Daniel Seehofer das Organ in Empfang und übertrug dieses dem 27-jährigen Stiefsohn.
„Chirurgie ist immer mit großer Verantwortung verbunden, aber in einem solchen Fall empfinde ich das nochmals stärker“, sagt Prof. Stolzenburg. „Immerhin geht es hier um ein so wertvolles Gut wie ein gespendetes Organ. Da soll und muss die Operation für den Spender so schonend wie nur möglich stattfinden“.
Daher nutzt der 61-Jährige Operateur den daVinci-OP-Roboter, um eine Spenderniere zu entnehmen. Die so gesetzten Schnitte sind winzig, die Verletzungen minimal, der Heilungsprozess umso schneller und erfolgreicher. Auch das entnommene Organ wird in bestmöglichem Zustand dem Empfänger übergeben.
Entsprechend früh war Reimo H., der Patient mit dem 1000. daVinci-Eingriff des Jahres, wieder auf den Beinen: Nach drei Tagen wollte er bereits nach Hause gehen. Dem konnte Dr. Anette Bachmann, behandelnde Nephrologin, so nicht nachgeben: „Ein bisschen müssen wir noch nach Ihnen schauen, auch wenn es Ihnen schon sehr gut geht“, war ihre Ansage an den sehr mobilen Patienten.
Nach Roboter-Operationen sei das fast immer so, berichtet die Spezialistin, die die Nierentransplantationen und damit auch die Lebendspenden am UKL betreut. So viele wie in diesem Jahr waren es noch nie, 23 in 12 Monaten.
„Das ist für uns ein sehr schönes Kompliment, denn es zeigt, dass die Menschen uns vertrauen und sich so eher für die doch nicht ganz einfache Variante einer Lebendspende entscheiden“, sagt Dr. Bachmann. So wie die Chemnitzer Familie. „Hier kam dazu, dass es zudem eine Transplantation mit verschiedenen Blutgruppen war, was durchaus nochmal herausfordernder ist“, beschreibt die Oberärztin. Aber auch hier haben die Leipziger inzwischen Routine.
„Die Ergebnisse zeigen ja auch, dass es gut gelingen kann“, ergänzt Dr. Anette Bachmann. Denn nicht nur der Spender, auch der Empfänger Martin A., hat sich von der Operation sehr gut und schnell erholt. Seinen 28. Geburtstag wenige Tage später konnte er bereits zuhause feiern, und nunmehr ganz ohne Dialyse, zu der er in den letzten zweieinhalb Jahren mehrmals in der Woche musste. „Das ist wie ein Freispruch“, freut sich Martin, der seit seiner Kindheit an einer Nierenerkrankung litt, in den Tagen nach der Transplantation, „ich merke schon, dass es langsam bergauf geht“.
Darüber freut sich auch Prof. Daniel Seehofer. Der Chirurg hat die Niere transplantiert. „Das ist eine sehr gute Entwicklung, die neue Niere hat gleich ihre Arbeit aufgenommen und damit den Körper entlastet“, so der Leiter des Leipziger Transplantationszentrums. Das läge natürlich auch daran, dass die gespendete Niere dank der Lebendspende sehr kurze Zeit nach der Entnahme wieder eingesetzt werden konnte.
„Das verbessert die Funktionsfähigkeit der Organe sehr, zudem haben wir so die Chance, zu einem Zeitpunkt zu transplantieren, zu dem Spender und Empfänger optimal gesundheitlich vorbereitet sind – anders als wenn plötzlich ein Organ gemäß der Warteliste zur Spende zur Verfügung steht.“ Durch den Organmangel käme es da manchmal zu Wartezeiten von bis zu 12 Jahren – hier wäre gesamtgesellschaftlich eine „Widerspruchsregelung“ für alle, die auf ein Organ warten, eine große Hilfe.
Vielleicht sehen auch deshalb immer mehr Menschen eine Lebendorganspende als einen Ausweg für ihre Liebsten. So wie auch das zweite Spender-Empfängerpaar, das am gleichen Tag wie Stiefvater und Sohn operiert wurden. Da spendete die Frau ihrem Ehemann eine Niere. Auch hier ist die Operation gut verlaufen und das Ehepaar kann Weihnachten zuhause feiern – mit einer zweiten Chance auf ein langes gesundes Weiterleben.
„Das würden wir uns natürlich für noch mehr unserer Patientinnen und Patienten wünschen“, ergänzt Prof. Seehofer. „Es ist und bleibt ein wunderbarer Moment auch für alle Ärztinnen und Ärzte, die beigetragen haben, dass die Lebendspende und die Transplantation erfolgreich verlaufen sind: Die Entlassung eines wieder gesunden Menschen in den Kreis seiner Familie – erst recht in der Weihnachtszeit“, ergänzt Prof. Stolzenburg.
Hintergrund
2025 wurden am UKL bisher 62 Nieren transplantiert, 23 davon als Lebendspende. Das waren doppelt so viele wie im Vorjahr. Im gleichen Zeitraum wurden 43 Lebertransplantationen durchgeführt, in einem Fall als Lebendspende. Ein Pankreas konnte transplantiert werden, und zusammen mit dem Herzzentrum wurden fünf Lungen transplantiert. 269 Menschen stehen aktuell auf den Wartelisten am UKL.
Bis zum 25. November wurden am UKL in diesem Jahr 1000 daVinci-Operationen durchgeführt. Insgesamt waren es bereits mehr als 8800. Damit ist das UKL eines der deutschlandweit aktivsten Zentren für robotisch gestützte Chirurgie. Die Technik kommt in verschiedenen Bereichen zum Einsatz, in der Urologie ebenso wie in der Kinderchirurgie, der Gynäkologie und der Viszeralchirurgie. Hier werden unter anderem komplizierte Eingriffe an der Leber, der Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre und am Darm mithilfe der OP-Roboter umgesetzt.






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