Die großen Zeitungen stöhnen alle, wie beklaut sich die Diesel-Auto-Besitzer durch den Mogel-Skandal der deutschen Autokonzerne fühlen. Entweder haben sich die närrischen Redakteure alle noch einen Diesel gekauft, als längst bekannt war, dass hier geschummelt wurde. Oder sie fahren mit Scheuklappen und Sonnenbrille durch den morgendlichen Stau. Denn was die viel zu vielen Autos verstopfen, das fehlt dem ÖPNV. Selbst Sachsens Verkehrsminister hat das gemerkt.

Und deswegen will sich Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) an diesem Donnerstag und Freitag auf der Verkehrsministerkonferenz (VMK) in Hamburg für Nachbesserungen am Diesel-Maßnahmenpaket der Bundesregierung einsetzen. Derzeit sind die Inhalte des getroffenen Kompromisses des Koalitionsausschusses der Bundesregierung vom 1. Oktober in vielen Teilen noch unbestimmt, stellt er fest.

Es gibt also noch kein richtiges Diesel-Paket, auch wenn das manche schon so geschrieben haben.

Hintergrund für die Maßnahmen ist eine zu hohe Schadstoffbelastung in vielen deutschen Städten. Das betrifft Sachsen zwar nicht mehr ganz so. Im Text des Verkehrsministeriums: Im Freistaat Sachsen ist nach Umsetzung der Luftreinhaltepläne durch Leipzig und Dresden eine dauerhafte Einhaltung der Grenzwerte zu erwarten – Fahrverbote oder andere Einschränkungen sind derzeit nicht zu erwarten.

Nur sind diese Luftreinhaltepläne eben noch nicht umgesetzt. Und hier wie dort fehlt es an Geld für den ÖPNV, dessen Ausbau in beiden Plänen als zentrales Mittel gilt, den Autoverkehr in den Städten einzudämmen und mehr Menschen zur Nutzung von Tram und Bus – und eigentlich auch S-Bahn – zu bewegen.

Aber immer fehlt es am Geld. Auch Leipzigs OBM Burkhard Jung (SPD) fürchtet, dass Leipzig mit seinen Nahverkehrsplänen ab 2023 in einen gewaltigen Investitionsstau läuft.

Und es sind immer wieder die von der Bundesregierung aufgeweichten Pläne zur Behebung all der Schäden, die das Diesel-Debakel verursacht hat, die hinten und vorne keinen Effekt zeigen, weil alles, was den Autokonzernen wirklich mal Grenzen setzt, rausoperiert wurde oder aufgeweicht bis zur völligen Nutzlosigkeit. Das jetzige Paket ist auch wieder nur so ein Schnell-Hilfe-Paket für die Städte, in denen die fälligen Fahrverbote schon spruchreif sind. Wo also auch keine Luftreinhaltepläne mehr reichen, um die Diesel-Stinkerei wirksam zu mindern.

„Die vom Bund kürzlich beschlossenen Maßnahmen sind meines Erachtens nicht weitreichend genug und gehen zulasten der Verbraucher, Gewerbetreibenden und Kommunen in den nicht betroffenen Regionen“, stellt denn auch Verkehrsminister Martin Dulig fest.

„Ich fordere daher den Bund auf, die geplanten Maßnahmen generell bundesweit auszuweiten. Dies betrifft zum einen die Förderung von Hardware-Nachrüstungen für betroffene dieselbetriebene Handwerker- und Lieferfahrzeuge aber auch Umtauschprämien oder technische Lösungen für betroffene Verbraucher. Fahrzeuge, die sich wirtschaftlich vom Alter her noch umrüsten lassen, müssen umgerüstet werden – ohne dass die Verbraucher zur Kasse gebeten werden. Und zwar überall in Deutschland.“

Und er befürchtet wohl zu Recht, dass die Bußgelder, die über die schuldig gewordenen Konzerne verhängt werden, wieder nicht da landen, wo sie bei der Entlastung der Städte wirklich helfen.

„Ich erwarte zudem eine zweckgebundene Ausschüttung der jetzt verhängten Bußgelder der Automobilindustrie im Zusammenhang mit dem Dieselskandal. Die Gelder sollten vom Bund unmittelbar den Kommunen zur Verfügung gestellt werden, damit sie in ihren öffentlichen Verkehrsunternehmen die technische Umrüstung ihrer teils veralteten Fahrzeugflotten, etwa bei Dieselbussen, vorantreiben können“, fordert Dulig.

„Der Bund sollte die Bußgelder nicht im allgemeinen Staatshaushalt verrechnen, sondern diese zusätzlichen Einnahmen weiterreichen. Damit würden die Bußgelder tatsächlich zu einer spürbaren Verbesserung der Luftqualität in den Städten beitragen.“

Dazu hat er sich noch ein Blümchenthema mit in die Arbeitstasche gepackt.

Dulig will sich bei der Sitzung auch für eine frühzeitige nachhaltige Regelung zum Mopedführerschein mit 15 Jahren (AM15) einsetzen. Das Modellprojekt „Moped mit 15“ läuft seit dem Jahr 2013 im Freistaat Sachsen sowie in den Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen. Später kamen auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hinzu. Das Modellprojekt war zunächst bis Ende April 2018 befristet und wurde im Februar dieses Jahres durch sächsische Initiative um weitere zwei Jahre verlängert.

„Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen mit dem Führerschein mit 15 gemacht. Egal ob Kino, Jugendtreffs, Schwimmbad – besonders in ländlichen Regionen bedeutet der Moped-Führerschein für Jugendliche ein deutliches Mehr an Mobilität und damit auch ein Mehr an Lebensqualität“, so Dulig.

„Leider ist das Interesse in den Bundesländern, die nicht an eine ostdeutsche Tradition des Mopedfahrens mit 15 Jahren anknüpfen können, eher verhalten. Daher streben wir die Einführung einer Optionslösung an, also dass die Länder wählen können, ob sie künftig generell von solch einer Regelung Gebrauch machen wollen.“

Allein im Freistaat wurden bisher rund 16.000 praktische Prüfungen absolviert. Vor dem Hintergrund des Auslaufens des Modellprojekts zum 30. April 2020 sollte frühzeitig eine nachhaltige Regelung von AM15 zumindest in den Modellprojektländern angestrebt werden.

VCD kritisiert die Täuschungspolitik der Bundesregierung ein Jahr nach dem Dieselgipfel

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