Manche Erklärungen sind zu einfach, gerade wenn es um die Luftschadstoffbelastung in unseren Großstädten geht. Zum Jahresbeginn hat das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) die Jahresendwerte zur Luftbelastung in Sachsen ermittelt. Und dabei fiel ausgerechnet die Lützner Straße in Leipzig wieder unangenehm auf.

Nach der Auswertung des LfULG habe sich das alte Jahr mit einer einzigen Grenzwertüberschreitung in Sachsen verabschiedet. Was einerseits positiv ist: Noch vor wenigen Jahren rissen die Schadstoffbelastungen in mehreren sächsischen Städten die Grenzwerte – Dresden und Chemnitz waren genauso dabei wie beide Messstationen in Leipzig.

Wobei Sachsen immer noch den großen Vorteil hatte gegenüber vielen westdeutschen Regionen, dass hier immer noch weniger Menschen mit dem Auto zur Arbeit pendeln. Die Hauptursache für die hohe Belastung mit Stickstoffdioxid sind nun einmal vor allem Dieselfahrzeuge. Seit die Tricksereien der Autokonzerne bei den Dieselmotoren aufgeflogen sind, ist zumindest klar, warum das Stickoxid-Problem in Stuttgart, Hamburg oder Gelsenkirchen nicht in den Griff bekommen wurde.

Und warum auch die sächsischen Luftreinhaltepläne viel weniger Effekt zeigten als erwartet. In Leipzig war ja extra 2011 eine Umweltzone eingerichtet worden, um die schmutzigen Dieselfahrzeuge draußen zu halten. Aber wenn sogar bei Euro-Norm 5 getrickst wurde?

An der Messstation Leipzig-Mitte in der Nähe des Hauptbahnhofs wurde 2016 noch ein Jahresmittel von 50 µg/m³ an Stickstoffdioxid gemessen, volle 10 µg/m³ zu viel, 2017 wurden erstmals die 40 µg/m³ erreicht. In der Lützner Straße wurde 2016 mit 42 µg/m³ eine knappe Jahresüberschreitung gemessen, 2017 waren es laut Statistischem Jahrbuch  41 µg/m³.

Da wirkt die Meldung aus dem LfULG für das Jahr 2018 schon ein wenig anders: An der Messstation Leipzig – Lützner Straße ist der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid um zwei Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) Luft überschritten worden, gab es also wieder 42 µg/m³. Erlaubt sind 40 Mikrogramm.

Der Versuch einer Erklärung: „Als Straßenschlucht mit einem sehr hohen Verkehrsaufkommen musste die Lützner Straße in Leipzig im vergangenen Jahr noch mehr Autos verkraften als üblich. Den Beobachtungen von Anwohnern zufolge sei durch Straßenbaumaßnahmen in unmittelbarer Umgebung zusätzlicher Verkehr angezogen worden, um die Baustelle zu umfahren.

Dies könne den Experten des Landesumweltamtes zufolge eine Ursache für die knappe Überschreitung des Grenzwertes sein. Als weitere Einflussquelle kommt eine Baustelle gegenüber der Luftmessstation in Betracht (Sanierung eines Hauses mit Fahrbahneinengung, Schuttberäumung und Anlieferung von Baumaterial). 2017 wurde der Grenzwert an dieser Station eingehalten.“

Die Baustelle, die hier von namenlosen Anwohnern ins Spiel gebracht worden sein könnte, ist die der Plagwitzer Brücke im Verlauf der Karl-Heine-Straße. Ein Teil des sonst dort üblichen Verkehrs rollte bestimmt über die Lützner Straße.

Was freilich in Leipzig zwingend dazukommt, ist die massive Zunahme von Autobesitz. Allein von 2013 bis 2017 stieg der Pkw-Bestand von 207.626 auf 223.733 Fahrzeuge, der Anteil der Autos mit Dieselmotor stieg dabei sogar von 22,2 auf 25,6 Prozent. Und wenn man bedenkt, dass die Pendlerzahlen in Leipzig permanent wachsen, also über die Lützner Straße auch tausende Pendler aus dem Leipziger Osten und darüber hinaus Richtung Stadtinneres fahren, ahnt man, dass die Grenzwertüberschreitung auch mit diesem wachsenden Verkehrsaufkommen zu tun hat. Und das wieder korrespondiert mit einigen fehlenden ÖPNV-Angeboten – etwa der fehlenden S-Bahn nach Markranstädt.

Gerade das Nadelöhr Lützner Straße macht sichtbar, wie sich ungelöste Verkehrsprobleme ballen und zu Schadstoffbelastungen führen, die andernorts längst schon wieder sinken. So wie am Leipziger Hauptbahnhof, wo die Jahresbelastung auf 38 µg/m³ gesunken ist. Und das, obwohl die Messstation direkt an einer stark befahrenen Kreuzung liegt.

Und auch an den anderen Messstationen an verkehrsreichen Straßen in den Ballungszentren Leipzig, Dresden und Chemnitz wurde der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten: Dresden-Bergstraße: 40 µg/m³, Dresden-Nord: 29 µg/m³ und Chemnitz-Leipziger Straße: 35 µg/m³.

Und auch die Feinstaubbelastung blieb 2018 niedrig.

Feinstaub-Grenzwert-Überschreitungstage an sächsischen Messtellen. Grafik: Freistaat Sachsen, LfULG
Feinstaub-Grenzwert-Überschreitungstage an sächsischen Messstellen. Grafik: Freistaat Sachsen, LfULG

Begünstigt durch die milden Winter der letzten Jahre ist auch 2018 der Grenzwert für Feinstaub (PM10) das vierte Jahr in Folge an allen sächsischen Luftmessstationen eingehalten worden. Für die Bewertung liegt ein Tagesgrenzwert zugrunde. Er beträgt 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und darf maximal an 35 Tagen pro Kalenderjahr überschritten werden.

Die Lützner Straße verzeichnete 2014 zuletzt eine Überschreitung dieser maximal möglichen Tage – da gab es Feinstaub-Grenzwert-Überschreitungen an 43 Tagen. In den Folgejahren waren es dann zwischen 21 und 26 Tagen. Und da auch 2019 schon gemessen wird, ist auch schon sichtbar in der Tabelle, dass der 1. Januar schon für eine massive Grenzwertüberschreitung sorgte. Da wurde auch in der Lützner ordentlich Feuerwerk gemacht.

In Leipzig-Mitte wurde schon 2014 mit 34 Tagen die Maximalzahl von Tagen mit Grenzwertüberschreitung unterschritten, seitdem gab es zwischen 10 und 22 Tagen mit Grenzwertüberschreitungen im Jahr.

Und der Hautgrund dafür sind weniger die Luftreinhaltepläne, als die in der Regel recht milden und kurzen Winter, es wurden weniger Öfen geheizt und es wurden weniger rußbelastete Luftmassen ins Stadtgebiet eingetragen.

Dafür stieg eine andere Luftbelastung 2018 deutlich an.

Die Ozonkonzentrationen im Sommer 2018 waren witterungsbedingt außergewöhnlich hoch, stellt das LfULG fest. Die Informationsschwelle von 180 µg/m3 zur Information der Bevölkerung wurde an vier Tagen überschritten. Auch die Zielwerte zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Vegetation konnten insbesondere an den Stationen auf dem Erzgebirgskamm nicht eingehalten werden. Außergewöhnlich war auch die Überschreitung des Zielwertes zum Schutz der Gesundheit im Tiefland (Messstationen Schkeuditz, Collmberg und Chemnitz/Hans-Link-Straße). Betrachtet man den Zeitraum der letzten 10 Jahre, so sind die Ozonkonzentrationen ungefähr gleich geblieben. In so extrem heißen Sommern wie 2003, 2015 und 2018 steigen die Ozonwerte jedoch witterungsbedingt wieder deutlich an.

Die Konzentrationen weiterer Luftschadstoffe wie Benzol und Schwefeldioxid waren unauffällig und lagen deutlich unter den gesetzlichen Grenzwerten.

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