Zurzeit sind zwar Straßenbahnen und Busse in Leipzig relativ leer. Fast hat man schon wieder vergessen, wie vollgestopft sie noch vor vier Wochen im Berufsverkehr waren. Und das trotz stagnierender Fahrgastzahlen. Dass Leipzig die Stärkung seines ÖPNV über Jahre viel zu sehr vertrödelt hat, macht noch eine andere Zahl sichtbar, die das Amt für Statistik und Wahlen am 1. April veröffentlicht hat.

Denn Leipzig wächst ja bevölkerungsmäßig nicht, weil hier die Aussicht aus dem Fenster so schön ist, sondern weil die neuen Arbeitsplätze in und um Leipzig entstehen. Oft genug in Gewerbeparks, die schlecht oder gar nicht an den ÖPNV angeschlossen sind. Das Thema wurde im Herbst 2019 ja bei der Stadtratsdiskussion zum Nahverkehrsplan sehr deutlich.

Gerade die Randbereiche der Stadt sind grottenschlecht mit ÖPNV versorgt. Die großen Gewerbegebiete etwa im Norden gehören dazu. Wer seine Wege zur Arbeit so organisieren will, dass er auch noch Familie, Arztbesuch und Einkauf unter den Hut bekommt, kommt oft um den Pkw nicht herum.

Lediglich die Leipziger, die sich Wohnungen im Stadtinneren leisten können und dort auch ihre Arbeitsstelle haben, können meist wählen, ob sie die kurzen Strecken mit dem ÖPNV oder gar mit dem Fahrrad zurücklegen. Wer aber sowieso schon gezwungen ist, sich eine Wohnung in Randlage zu suchen, der hat diese Wahl meist nicht. Schon gar nicht, wenn auch sein Arbeitsplatz irgendwo in der Randlage liegt.

Das Ergebnis: Während die Einwohnerzahl 2019 um 5.151 wuchs (von 596.517 auf 601.668), stieg die Zahl der gemeldeten Pkw um 2.760 (von 227.314 auf 230.074). Die starken Anstiege des Pkw-Besitzes in Ortsteilen wie Seehausen, Eutritzsch, Möckern, Altlindenau oder Volkmarsdorf lassen ahnen, wie eng verquickt der Pkw-Besitz mit dem Zuzug und dem Wachstum der Erwerbstätigenzahl ist.

Das sorgt zwar nicht wieder für einen Anstieg der Pkw-Quote, die zuvor kontinuierlich gesunken war von 385 Pkw je 1.000 Einwohner im Jahr 2016 auf 376 im Jahr 2017 und dann 375 in den Jahren 2018 und 2019. Die Zahl stagniert derzeit also. Was übrigens so auch auf den Bestand der privaten Pkw zutrifft, wo 2016 noch 346 Pkw pro 1.000 Einwohner gezählt wurden, ab 2017 aber nur noch 336.

Was freilich kaschiert, dass der Besatz in den Ortsteilen völlig unterschiedlich ist. Kommen in Volkmarsdorf nur 164 Pkw auf 1.000 Einwohner, sind es in Plaußig-Portitz z. B. 566. Auf Werte über 500 kommen fast alle Ortsteile am Stadtrand.

Die Pro-Kopf-Werte stagnieren also seit drei Jahren. Trotzdem steigt der Pkw-Bestand im ganzen Stadtgebiet. Was zu all den wilden Parkplatzsituationen führt, die seit Jahren in Schleußig, Plagwitz und Gohlis zu beobachten sind und nun auch in Schönefeld und anderswo. Natürlich kommt hinzu, dass bisher genutzte Stellplätze auf Brachen wegfallen, wenn Lücken bebaut werden oder wichtige Infrastrukturen im Ortsteil entstehen.

Eine Lösung kann nur ein wesentlich leistungsfähigeres ÖPNV-System sein, das auch neue Querverbindungen von Wohn- und Arbeitsorten schafft und das vor allem wichtige Gewerbegebiete auch belastbar ans Netz anschließt.

Aber gerade da wurden wichtige Zukunftsvisionen verschlafen, wenn man nur an die fehlenden S-Bahn-Haltepunkte gerade im Leipziger Norden denkt.

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