Es ist noch nicht so weit - aber wenn sich Sachsens Statistiker einmal selbst ernst nehmen wollen, dann legen sie irgendwann einen gesplitteten Verbraucherpreisindex vor - den allgemeinen, wie es bis jetzt geschieht, und den speziellen für den sächsischen Durchschnittsverdiener. Denn offenkundig hat der eine spürbar andere Inflationsrate zu verkraften als der amtliche Durchschnittskonsument.

Ein wenig schimmert das Dilemma auch in der (vorläufigen) Jahresauswertung des Statistischen Landesamtes für 2013 durch. “Im zurückliegenden Jahr werden sich aller Voraussicht nach die sächsischen Verbraucherpreise gegenüber 2012 durchschnittlich um 1,6 Prozent erhöht haben, folglich verlangsamt sich die Teuerung um 0,4 Prozentpunkte (2011 zu 2012: 2,0 Prozent). Besonders unerfreulich für die Verbraucher sind 2013 die Entwicklungen auf dem Nahrungsmittelmarkt (4,8 Prozent).”

Heißt im Klartext: Da, wo auch der Haushalt mit kleinem Budget zugreifen muss, weil es den täglichen Bedarf betrifft, war die Inflationsrate mehr als doppelt so hoch wie im gesamten Warenkorb.

Und zum Warenkorb gehören auch viele Dinge, die in Geringverdiener-Haushalten schlicht von der Ausgabenliste gestrichen werden. Sie gehören dann einfach nicht mehr zu den Geldausgaben übers Jahr – der Rest bleibt notgedrungen drin. Einige dieser Posten stecken dann zum Beispiel in der Kategorie “Freizeit, Unterhaltung, Kultur”, die immerhin 11,5 Prozent am 2010 definierten “Wägungsschema”, also dem aktuell gültigen Warenkorb, ausmacht. Da stecken dann all die (eingesparten) Ausgaben für Zoos, Freizeitparks, Theater, Museen, Konzerte, Oper, Gewandhaus drin …

Ähnlich ist es mit dem Posten “Verkehr” (13,5 Prozent am Warenkorb). Welche Rolle spielt diese Kategorie noch, wenn man kein Auto mehr besitzt und nach der letzten Preiserhöhung der LVB auch das Abo gekündigt hat?

“Beherbergung / Gaststätten” steckt mit 4,7 Prozent im Warenkorb. Aber wer bucht noch ein Hotelzimmer, wenn er gerade so seine Wohnung bezahlen kann? Immerhin macht Wohnen knapp 32 Prozent am “Wägungsschema” aus. Und da wird es schon sehr spannend, denn dazu gibt es Vergleichszahlen aus der Leipziger Bürgerumfrage 2012. Danach zahlen die Leipziger im Schnitt 34 Prozent für ihre Warmmiete – wobei der Strom noch gar nicht inbegriffen ist, der im “Wägungsschema” aber mit enthalten ist. Singles zahlen in Leipzig durchschnittlich sogar 40 Prozent ihres Einkommens für die Wohnung, Rentner 36 Prozent.

Und das ist nur die Verschiebung beim Wohnen. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke werden im “Wägungsschema” mit 10,2 Prozent gewichtet. Was sichtlich weniger ist als “Verkehr” und “Kultur”. Aber wenn der klamme Haushalt die “Luxusausgaben” weg lässt, was passiert dann mit dem Wägungsschema?

Eigentlich eine Splittung: Einkommensschwächere Haushalte haben dann eine Verteilung, in der Wohnung und Nahrungsbeschaffung die größten Posten sind, reichere Haushalte haben dann genug Geld über, um bei “Verkehr”, “Gesundheitspflege”, “Bildung”, “Kultur”, “Beherbergung” mehr Geld auszugeben.

Im “Verkehr” lohnt es sich erst wieder so richtig, denn dort sind die Preise insbesondere für den Sprit, deutlich gefallen.

Während die Preise im Supermarkt schon seit Jahren Steigerungsraten von 3 bis 4 Prozent haben. Und 2013 ging das munter weiter.

“Deutliche Preissteigerungen gibt es u. a. bei ‘Speisefetten und -ölen’ (8,9 Prozent) beispielsweise ‘Butter’ (16,6 Prozent) sowie ‘Obst’ (7,6 Prozent), ‘Gemüse’ (7,0 Prozent) aber auch ‘Molkereiprodukten und Eiern’ (6,5 Prozent) wie ‘Frischmilch’ (12,6 Prozent)”, schildern die Landesstatistiker. Das betrifft ganz unabgefedert die Leipziger Geringverdiener.

Die auch beim Strom rigoros zur Kasse gebeten werden.Um gut 12 Prozent stiegen 2013 die Strompreise. Ab Januar steigen auch die geltenden neuen Porto-Entgelte (1,8 Prozent). Seit Mai wurde auch das staatliche Glücksspiel teuer: Die Lottogebühren stiegen um 14,3 Prozent. Im August kamen die geänderten Rechtsanwalts- und Notargebühren (8,0 Prozent) sowie ferner die Einführung des Mindestlohnes im Friseurhandwerk (5,8 Prozent) zum Tragen.

Nur auf den ersten Blick ein Widerspruch: “‘Verkehrsdienstleistungen’ verteuern sich über das Jahr gesehen im Schnitt um 3 Prozent. Im Gegensatz dazu fallen die Preise an den Tankstellen um reichlich 3 Prozent, die für ‘Heizöl’ sogar um 6 Prozent.”

Heißt im Klartext: Autofahren wurde deutlich billiger. Dafür wurde bei den Ticketpreisen der Bahn und im ÖPNV kräftig aufgeschlagen. Was dann eben nichts mit dem Sprit zu tun hat, sondern vor allem mit den “Sparbemühungen” der öffentlichen Hand. Im Dezember kamen dann noch einmal Tariferhöhungen von durchschnittlich 2,8 Prozent bei der Deutschen Bahn hinzu.

Dabei ist Strom mit seinem Preisaufwuchs von 12 Prozent nicht einmal das Produkt mit der größten Preissteigerung. Kartoffeln wurden 2013 allein um 34 Prozent teurer und werden wahrscheinlich demnächst einzeln verkauft und in Goldfolie gewickelt. Blumenkohl wurde um 31 Prozent teurer, Zwiebeln und Knoblauch um 24 Prozent, Olivenöl und Butter um 17 Prozent. Da tröstet die knapp rechnende Oma im Laden auch nicht, dass “Dienstleistungen von Kreditinstituten” um 17 Prozent billiger wurden.

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