Wer es nicht so dicke hat in seinem Geldbeutel, der freut sich natürlich, wenn es das Päckchen Kaffee im Supermarkt für 3,49 oder 3,99 Euro gibt. Obwohl er in der Regel weiß, dass das eigentlich zu billig ist. Dass diejenigen, die den Kaffee im Schweiß ihres Angesichts anbauen, davon nicht wirklich leben können. Doch die großen Kaffeekonzerne kommen aus ihrem Trott nicht heraus. Während am Weltmarkt Kaffee zu historischen Tiefstpreisen verschleudert wird, versammelt sich vom 6. bis 8. Juni das „Who is who“ der internationalen Kaffeebranche auf der „World of Coffee“ in Berlin.

Die aktuellen Preise decken laut eines Marktreports des Kaffeehändlers Volcafe bei rund 60 Prozent der Produzent/-innen nicht einmal die Produktionskosten, kritisiert aus diesem Anlass das Forum Fairer Handel e. V. Zusätzlich verschärfe der Klimawandel die Situation der Kaffeebäuerinnen und -bauern dramatisch. Noch sei das Geschäft zwar für die großen Röster und Kaffeehändler lukrativ. Doch ihr Erfolg gehe auf Kosten der Kleinbäuerinnen und -bauern sowie deren Umwelt.

Das Forum Fairer Handel und TransFair (Fairtrade Deutschland) appellieren deshalb an die Kaffeebranche, weniger über Nachhaltigkeit zu reden und mehr dafür zu tun – auch im eigenen Interesse. Ein konkreter Schritt könnte sein: Weg mit der Kaffeesteuer für fairen und ökologischen Kaffee.

Kaffeekonzerne profitieren von Preisen unterhalb der Produktionskosten

Kurzfristig mögen die Kaffeekonzerne von niedrigen Preisen infolge von Spekulationsgeschäften und Rekordernten in großen Anbauländern wie Brasilien oder Vietnam profitieren. Insbesondere bei Kaffeequalitäten im niedrigen Preissegment herrscht derzeit ein Überangebot.

Doch wenn die Bäuerinnen und Bauern nicht bald bessere Preise und mehr Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel erhalten würden, stünden der Kaffeebranche düstere Zeiten bevor, mahnen die beiden Fairtrade-Organisationen.

„Von den aktuellen Niedrigpreisen von unter einem Dollar pro Pfund Rohkaffee können Kleinbauernfamilien nicht leben, geschweige denn dringend benötigte Investitionen tätigen“, kritisiert Andrea Fütterer, Vorsitzende des Forum Fairer Handel. Die Konsequenz: Junge Leute ziehen in die Städte oder verlassen ihre Heimatländer, Baumbestände überaltern. Zusätzlich werden die Staatshaushalte der Erzeugerländer mit den gesellschaftlichen und ökologischen Folgekosten des Kaffeeanbaus belastet.

Denn die Kaffeebäuerinnen und -bauern können angesichts der schlechten Bezahlung häufig nicht die Kosten für gesunde und ausreichende Ernährung, Unterbringung, die Schulbildung ihrer Kinder oder deren ärztliche Versorgung bestreiten. Zu den ökologischen Folgekosten gehört beispielsweise die Wasserverschmutzung durch Düngemittel und Pestizide.

Kurz: Die Branche setzt für kurzfristigen Profit die Zukunft des Kaffeeanbaus aufs Spiel.

Ungerechter Kaffeemarkt

Der globale Kaffeemarkt ist zutiefst ungerecht. Während eine Handvoll Kaffeekonzerne von wachsenden Gewinnen profitieren, verbleibt viel zu wenig Wertschöpfung in den Anbauländern. Das belegt die aktuelle Studie „Kaffee – eine Erfolgsgeschichte verdeckt die Krise“. Deren Zahlen für den deutschen Markt verdeutlichen die Schieflage: Die Einnahmen in den Produktionsländern sind zwischen 1994 und 2017 um zehn Prozent gesunken. Dagegen ist die Wertschöpfung bei Röstern und Händlern in Deutschland im gleichen Zeitraum um 139 Prozent, von 1,52 Milliarden Euro auf 3,63 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen.

„Kaffee ist hierzulande das Lieblingsgetränk Nummer eins. Wenn wir aber zukünftig täglich Kaffee genießen möchten, müssen sich die Anbau- und Handelsbedingungen für die Kaffeebäuerinnen und -bauern dringend verbessern“, mahnt Dieter Overath, Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender bei TransFair. „Steigende Produktionskosten, erschwerte Anbaubedingungen durch den Klimawandel und gleichzeitig sinkende Preise – die Kaffeebranche verbaut sich mit dieser Preispolitik die eigene Zukunft.“

Die gegenwärtige Machtverteilung entlang der konventionellen Lieferkette begünstigt die ungleiche Wertschöpfung massiv. Um das zu ändern, sei deshalb auch die Politik gefragt.

„Warum sind Produkte, die auf Kosten von Mensch und Umwelt gehen, so billig? Wenn es die Politik ernst meint damit, Nachhaltigkeitsziele umzusetzen, muss sie faire und ökologische Produkte begünstigen. Deswegen setzen wir uns für die Abschaffung der Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee ein“, erklärt Dieter Overath mit Blick auf die Bundesregierung. Damit möglichst viele Kaffeebäuerinnen und -bauern bessere Bedingungen erhalten, brauche es zudem übergreifende gesetzliche Regelungen.

„Aus diesem Grund plädieren wir für eine gesetzliche unternehmerische Sorgfaltspflicht entlang der Lieferketten. Die Unternehmen müssen dafür Verantwortung übernehmen, dass ihre Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt werden“, erklärt Andrea Fütterer.

Die französische Originalversion der Studie „Kaffee – Eine Erfolgsgeschichte verdeckt die Krise“ wurde im Oktober 2018 vom Forschungsinstitut BASIC im Auftrag der Fair-Handels-Organisationen Commerce Equitable France und Max Havelaar France sowie dem Netzwerk „Repenser les filières“ (zu Deutsch „Wertschöpfungsketten neu denken“) herausgegeben.

 

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