Es gibt so statistische Meldungen, die klingen so, als sollten wir erschrecken und als wären sie ungemein wichtig. Neben Meldungen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrifft das auch Meldungen zur Inflation, im Statistiker-Deutsch etwas trockener „Jahresteuerung“ genannt. Das Verblüffende ist dabei meist, dass Statistiker zwar die Zahlen sehen, aber nicht die Ursachen für die Veränderungen.

Und so meldete das Statistische Landesamt am 29. April: „Im April 2021 überschreitet die sächsische Jahresteuerungsrate erstmalig seit November 2018 aller Voraussicht nach die Zweiprozentmarke und erhöht sich im Mittel um 2,2 Prozent. Insbesondere die seit Wochen anhaltenden Preissteigerungen auf dem ,Energiemarkt‘ (8,5 Prozent) bewirkten diese Entwicklung.“Dabei ist von dramatisch steigenden Preisen auf dem Ölmarkt nichts zu hören und zu lesen. Im Gegenteil. Bis 2020 war der Ölpreis sogar auf Talfahrt, die sich durch das Ausbremsen der Weltwirtschaft von Corona 2020 sogar noch verstärkte. Im April 2020 lagen die Preise für Sprit an den Tankstellen gerade mal bei 90 Prozent der Preise von 2015.

Und nun diese Meldung aus dem Statistischen Landesamt: „Im Vergleich zum April des Vorjahres stiegen die Preise für Heizöl um 7,2 Prozent und für Kraftstoffe um knapp 21 Prozent. Pkw-Besitzer zahlten in diesem Monat im Durchschnitt für Diesel 1,31 Euro, für Superbenzin 1,50 Euro und für Super plus sogar 1,68 Euro je Liter.“

Aber es sind nicht nur die wieder steigenden Ölpreise, die den Preis für Kraftstoffe wieder steigen lassen. Immerhin gab es 2020 einen deutlichen Preisrutsch bei Erdöl, weil die Lager voll waren und die Abnahme stagnierte. Damit aber war ja nur ein langjähriger Trend gebrochen, der die Erdölpreise seit 2004 permanent steigen lässt.

Der viel beschworene „Peak Oil“ hat sich in eine Art Zickzack verwandelt, der darüber täuscht, dass die Ölförderung weltweit immer aufwendiger und teurer geworden ist. Die leicht erschließbaren Ölfelder sind entweder leer gepumpt oder gehen zur Neige. Über kurz oder lang wird Erdöl tatsächlich zu einem sehr teuren Rohstoff.

Aber das alles hätte erst einmal nur gereicht, wieder die Kraftstoffpreise von 2015 zu erreichen. Was die Meldung des Statistischen Landesamtes nicht zeigt, ist der schon spürbare Einfluss des seit Januar 2021 in Deutschland geltenden CO2-Preises, der natürlich auch alle fossilen Kraftstoffe verteuert.

Der ADAC hat im Januar mal vorgerechnet, wie sich die CO2-Abgabe auf die Spritpreise auswirkt: „Ebenfalls 2021 ist die CO₂-Bepreisung im Verkehr in Kraft getreten. Anfangs ist der Preis für eine Tonne Kohlendioxid mit 25 Euro angesetzt, wodurch sich über den Jahreswechsel der Liter Super E10 im Mittel um 7,7 Cent und der Liter Diesel um 7,6 Cent verteuerten. Der CO₂-Preis wird jährlich angehoben und soll 2025 bei 55 Euro liegen. Dann kosten wahrscheinlich der Liter Benzin 15 Cent und der Liter Diesel 17 Cent mehr als Ende 2020.“

Das zusätzlich eingenommene Geld soll ja dafür verwendet werden, einen Teil der EEG-Umlage zu finanzieren und damit die Strompreise zu entlasten. Es müsste sich also in nächster Zeit dämpfend auf die Strompreise auswirken.

„Zusätzlich beeinflussten die im Vorjahresvergleich gestiegenen Preise für Gas (3,5 Prozent) und Strom (1,4 Prozent) den Teilindex Energie“, stellen die Statistiker noch fest. „Unter Ausschluss der Energiepositionen würde der jährliche Preisanstieg nur bei 1,4 Prozent liegen.“

Und dass die Mitarbeiter des Landesamtes für Statistik praktisch alle Autofahrer sind, macht die nächste Gruppe von Preisen deutlich, die sie nun schon traditionell immer wieder heraussuchen: „Der Preisindex in der Hauptgruppe Verkehr erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr überdurchschnittlich um 7,0 Prozent. Neben den Preissteigerungen bei Kraftstoffen sorgten auch höhere Preise für Pkw-Reparaturen (5,4 Prozent) und beim Kauf von Fahrzeugen (2,2 Prozent) für diese Entwicklung.“

Das kann durchaus daran liegen, dass man anders nicht pünktlich zur Arbeit nach Kamenz kommt. Im Spiegel der Verkehrswende freilich ist das alles blauäugig. Dabei haben die Statistiker auch die anderen Zahlen.

Denn während Kraftfahrzeuge im Schnitt übers Jahr gesehen 2,2 Prozent teurer wurden, wurden Fahrräder um 5,2 Prozent teurer. Denn gerade im Corona-Jahr ist die Nachfrage nach Fahrrädern deutschlandweit deutlich angestiegen. Die Fahrpreise bei der Deutschen Bahn sind sogar um 2,3 Prozent gesunken durch die vielen neuen Rabattaktionen, mit denen die Bahn versucht, die Fahrgäste wieder zurück in die Züge zu bekommen.

Eher stabil geblieben sind dagegen die Preise im ÖPNV, der in der Statistik als „Kombinierte Personenbeförderungsleistungen“ geführt wird, sich seit 2015 aber auch genauso wie das Autofahren um 9,3 Prozent verteuert hat. Aber gegenüber 2020 gab es nur eine Steigerung von 1,9 Prozent. Da wirkte sich auch das Leipziger Fahrpreismoratorium sachsenweit noch dämpfend aus.

Natürlich ignorieren die Statistiker solche Posten vor allem deshalb, weil ihr Anteil am offiziellen Warenkorb so klein ist. Für Kraftstoffe geben die Sachsen 3,5 Prozent ihres Monatsbudgets aus. Das klingt wenig. Aber fürs Fliegen gehen ehe nur 0,6 Prozent drauf, fürs Nutzen von Bus und Bahn in der Stadt rund 1,2 Prozent. Das sind die Wichtungen im offiziellen Warenkorb, der praktisch alles umfasst, was alle Menschen im Bundesland ausgeben, auch wenn der eine nur Auto fährt und dafür mehr ausgibt, und der andere nur Straßenbahn.

Das Verkehrsbudget in einem durchschnittlichen Haushalt beträgt z. B. 12,9 Prozent. Wohnen mit Heizung und Licht kostet im Schnitt 32,9 Prozent vom gesamten Warenkorb. Und für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke werden rund 9,7 Prozent ausgegeben. Was sich natürlich deutlich verschiebt, wenn das Einkommen geringer ist als der Durchschnitt. Dort wird es schnell zum Problem, wenn wichtige Nahrungsmittel teurer werden.

„Auf dem Nahrungsmittelmarkt (1,1 Prozent) setzte sich der Trend des letzten Monates fort. Aktuell verteuerten sich gegenüber April 2020 beispielsweise die Preise für Geflügelfleisch (6,6 Prozent), Milch (4,9 Prozent), Brot und Brötchen (3,5 Prozent) sowie frisches Obst (2,9 Prozent)“, so die Statistiker. „Günstiger als vor einem Jahr war der Erwerb von Kartoffeln (-21,8 Prozent), Rind- und Kalbfleisch (-1,0 Prozent) sowie Fisch und Fischwaren (-0,8 Prozent).“

Und man sollte es zumindest anmerken, dass sich Nahrungsmittel seit 2015 noch deutlicher verteuert haben als der Sprit, nämlich um 12,8 Prozent.

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