Als am Donnerstag, 28. Juni, die Leipziger Gruppe ihre Bilanzzahlen für 2017 vorstellte, wurden natürlich auch die groben Zahlen der Töchter (LVB, Stadtwerke, Wasserwerke) genannt. Und natürlich lauschen Journalisten aufmerksam, wenn vor allem die Zahlen der Stadtwerke genannt werden. Denn sie bringen seit Jahren den Löwenanteil am Gewinn ein, aus dem dann die LVB querfinanziert werden. Auch 2017 waren es wieder 54 Millionen Euro.

Das waren rund 10 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Aber es ist trotzdem noch ein ordentliches Ergebnis, denn keines der kommunalen Unternehmen steckt so mitten in einem radikalen Wandel wie die Stadtwerke. Vor ein paar Jahren haben sie ihre Gewinne sogar noch an den Strommärkten auftanken können. Das war noch zu Zeiten, als die Strompreise das abbildeten, was die Erzeugung wirklich kostete. Das tun sie seit ein paar Jahren nicht mehr. Es wird viel zu viel Strom gerade in nicht abschaltbaren Kraftwerken produziert – der drückt auf die Märkte und sorgt für Strompreise, die oft die Kosten nicht decken.

Was den Leipziger Stadtwerken ein zweites Problem verschafft. Denn eigentlich besitzen sie mit der hochmodernen Gas-und-Dampf-Turbinenanlage in der Eutritzscher Straße ein hochflexibles Kraftwerk, mit dem sie Strom und Fernwärme produzieren können. Doch wenn die eingesetzten Gasmengen teurer sind als der Strompreis, der am Ende erlöst werden kann, wird so eine Anlage zum Zuschussgeschäft.

Und das, obwohl sie genau das ideale Bauteil ist, das in der Energiewende gebraucht wird. Denn solche flexiblen Kraftwerke sind es, die die Dellen bei Wind- und Solarstrom ausgleichen können. Nicht die Kohlekraftwerke, die von der Braunkohlelobby immer wieder als „Übergangstechnologie“ angepriesen werden.

Zumindest ein Lichtblick sind die leicht gestiegenen Strompreise: 2017 konnten die Stadtwerke dank gesunkener Gaspreise die Einsatzzeiten der Gas- und Dampfturbinenanlage weiter optimieren und das Ergebnis trotz der weiterhin niedrigen Strompreise an dieser Stelle verbessern.

So gesehen ist es beachtlich, wenn die Stadtwerke trotzdem noch ein Ergebnis in Höhe von 54,2 Millionen Euro abliefern konnten. Und dazu trug eben auch bei, dass sie auch Betreiber eines wachsenden Fernwärmenetzes sind. Die Fernwärme trug den größten Teil zum Unternehmensergebnis bei, bestätigt SWL-Geschäftsführer Karsten Rogall. Und weil eine zentralisierte Wärmeversorgung auch für die Energiewende wichtig sei, baue man auch weiter gezielt das Fernwärmenetz in Leipzig aus. Aktuell zu erleben im Leipziger Westen.

Was nur ein Teil der Umbaustrategie ist. Denn in ein paar Jahren müssen Leipzigs Stadtwerke all das können, was die Energiewende letztlich verlangt. Dazu gehört die Absicherung der eigenen Wärmeversorgung für Leipzig. Denn irgendwann geht das Kraftwerk Lippendorf vom Netz, aus dem die Stadtwerke heute noch 70 Prozent der Fernwärme beziehen. Sie fällt dort als Abwärme bei der Stromerzeugung an.

Der Oberbürgermeister hat mittlerweile den Prüfauftrag auf dem Tisch, mit dem geklärt werden soll, ob ein Ausstieg aus der Fernwärmelieferung schon mit Auslaufen des aktuellen Vertrags 2023 möglich ist oder erst 2030.

2023 wäre unter gewissen Bedingungen möglich, sagt Karsten Rogall, Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig. Aber den Stadtwerken wäre eine längere Übergansphase lieber, sodass sie zwischen 2023 und 2030 die Abnabelung von Lippendorf vorbereiten können.

Erste Schritte haben sie ja getan: 2017 investierte das Unternehmen rund 8,8 Millionen Euro in vier neue Energiestationen (BHKW). Die modernen und lastflexiblen Anlagen gewährleisten Netzstabilität im Strom- und Wärmebereich und stellen eine verbrauchsnahe Erzeugung sicher. Sie arbeiten wie das GuD-Kraftwerk mit Erdgas, können also problemlos geregelt werden oder auch mal ganz vom Netz gehen. Andererseits sind sie in der Lage, ganze Stadtquartiere mit Fernwärme zu versorgen und nebenbei auch noch Strom zu produzieren. Künftig ist also ein ganzes Netz solcher BHKW denkbar – auch in privater Hand. Denn heute schon haben ja größere Unternehmen ihre kleinen Kompaktkraftwerke im Keller.

Wobei vieles an der künftigen Wärmeversorgungsstruktur noch offen ist, betont Rogall. Auch deswegen wolle man lieber ein bisschen mehr Zeit. Die Stadtwerke beschäftigen sich aktuell noch technologieoffen mit der Frage, wie die Leipziger Wärmeversorgung künftig aussehen soll. Aktuell bewerte das Unternehmen verschiedene Technologien, um die ideale Ausprägung des künftigen Erzeugerportfolios zu ermitteln. Ausschlaggebend bei der Entscheidung für oder gegen ein Portfolio seien Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Ökologie.

Und genauso wird ja auch die Stromversorgung immer dezentraler. Längst produzieren auch die Stadtwerke in eigenen Biomasse- und Windkraftanlagen Strom. Und genauso produzieren immer mehr Anlagen in Leipzig Strom. Die Bürger selbst werden zu Stromproduzenten und speisen ihren überschüssigen Strom ins Netz ein. Was wohl die zentral künftige Rolle der Stadtwerke werden wird: diese vielen dezentralen Anlagen zu managen.

Das braucht „eine intelligente Verknüpfung von effizienten erneuerbaren und konventionellen Energien“. Und das braucht eine dafür ausgelegte IT.

Und was der Geschäftsbericht gar nicht enthält, was aber in nächster Zeit hochaktuell wird: Die Übernahme der Stromnetze von enviaM. Eine lange, lange Geschichte, die mal im fernen Jahr 2011 begann, als die Grünen die Stadtverwaltung daran erinnern mussten, dass ja die Konzessionsverträge mit enviaM eigentlich ausliefen und ganz offiziell neu ausgeschrieben und vergeben werden mussten. Und dann machte die Stadt bei der Ausschreibung ein paar Fehler und bewertete das Angebot der eigenen Stadtwerke völlig grundlos schlechter als das von enviaM, sodass hernach ein regelrechtes Hauen und Stechen auch vor Gericht begann.

Denn die Leipziger Stadträte in der Mehrheit wollten natürlich, dass die eigenen Stadtwerke auch das gesamte Stadtgebiet versorgen, also auch die 1999/2000 eingemeindeten Ortsteile. EnviaM aber wollte den Versorgungsauftrag gern behalten. Und so begann ein Marathon an Gerichsprozessen, der noch immer nicht beendet ist. „Aber wir sind zuversichtlich, dass er zu unseren Gunsten endet“, sagt Karsten Rogall.

Was dann aber auch noch einmal Investitionen im dreistelligen Millionenbereich braucht, um die Netze ins Netz der Stadtwerke einzupassen. Das ist noch nicht beziffert, wird aber auch wichtig für die künftige Steuerung des Gesamtsystems sein.

Noch stecken die Stadtwerke mittendrin im Umbauprozess. Deswegen rechnet man 2018 erst einmal nur mit einem Gewinn von 45,8 Millionen Euro. Erst ab 2019 sollen die Gewinne wieder steigen, wenn das unternehmensinterne Umbauprogramm „fit“ greift.

Wozu ja auch die alternativen Erzeugeranlagen gehören, die so langsam auch so funktionieren, wie sie sollen: Der Anlagenbetrieb der Biomasseanlagen konnte weiter stabilisiert werden, betonen die SWL. Mit der Erzeugung von rund 163 GWh Strom wurde in der Bischofferoder Anlage das beste Ergebnis seit der Inbetriebnahme erzielt. Die Erträge der Windkraftanlagen haben sich infolge hohen Windaufkommens gegenüber 2017 erhöht.

Und Positives meldet auch die Danziger Tochter GPEC, die einige Leipziger Politiker und Zeitungen ja schon mehrmals nur zu gern verkauft hätten. Und Kaufangebote von polnischer Seite gebe es, erklärt Oberbürgermeister Burkhard Jung. Aber derzeit gebe es noch keinen Grund, darüber ernsthaft nachzudenken. Denn immerhin steuerte die GPEC, die auch in der Einschätzung von Michael Theis, dem Vorstandssprecher der LVV, eine hervorragende Arbeit leistet, 10 Millionen Euro zum Konzernergebnis der Stadtwerke bei.

Und weil die Geschichte zu den Stromkonzessionen so schön lang ist, haben wir diesmal ein paar mehr von den alten Geschichten unterm Text verlinkt.

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Aktuell zu Ausschreibungen für die öffentliche Daseinsfürsorge wurde am deutschen Parlament vorbei das Handelsabkommen JEFTA mit Japan im Geheimen verhandelt
und wird wohl nächste Woche mit Hilfe von Wirtschaftsminister Peter Altmaier(SPD) in der EU beschlossen.
Dabei könnte wohl auch das Trinkwasser zu einem Handelsgut erklärt werden und damit vor internationalen Schiedsgerichten dessen Vermarktung von privaten Konzernen eingeklagt werden.
Ob eine Petition da noch etwas bewirken kann?
Zumindest kann man damit die SPD an ihre Ansprüche erinnern:
https://blog.campact.de/2018/06/jefta-wasserprivatisierung/

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