Spätere Generationen werden sich sowieso fragen, ob die unsrige zu dumm war, nachhaltig zu denken. Seit 1990 wurden rings um Leipzig lauter Gewerbegebiete aus dem Acker gestampft, die allesamt nicht wirklich gut angebunden sind. Jedenfalls nicht mit klimaschonenden Verkehrsarten. Doch inzwischen schauen auch Unternehmen stärker darauf, wie klimaneutral ein Standort ist. Da spielt noch mehr als die Mobilität hinein.

Das war Inhalt eines Antrags der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat, der am 15. März behandelt wurde und dem die Verwaltung ganz und gar nicht ablehnend gegenüberstand. Denn das gehört nun einmal auch in die Leipziger Klimastrategie. Und in die Klimawandel-Vorsorge. Mal fehlen Konzepte für Starkregen und Regenwasserrückhalt, mal mangelt es an Grün, dominieren riesige Parkplätze, die sich in der Sonne aufheizen. Und immer öfter fragen Unternehmen natürlich nach regenerativen Energien, weil sie ihr Produkte nicht einfach mit irgendwelchen Labels grünwaschen, sondern tatsächlich klimaneutral arbeiten wollen.

Der Verwaltungsstandpunkt zu „Grünen Gewerbegebieten“.

Und – das kommt jetzt natürlich hinzu – künftig auch sicher und preiswert mit Energie versorgt werden möchten. Denn anders als die AfD-Stadträte, die im Leipziger Stadtrat mit den falschen Uralt-Argumenten von anno dunnemals argumentieren (am 15. März exemplarisch Marius Beyer), können die meisten Geschäftsführer rechnen und wissen, wie dramatisch sich die Energielandschaft gerade verändert. Ein klimaneutraler Standort wird auf einmal zum Vorteil für Kommunen, die sich um moderne Unternehmensansiedlungen bemühen.

Die Linksfraktion, für die Olga Naumov sprach, übernahm am 15. März zwar die Stellungnahme der Verwaltung, wollte diese aber wieder um zwei Punkte konkretisieren. Was dann freilich CDU-Stadtrat Falk Dossin zu viel des Guten fand und den Verwaltungsstandpunkt ohne diese Protokollnotiz zur Abstimmung wünschte – der dann trotzdem die klare Zustimmung der Ratsversammlung erhielt.

Was heißt das nun?

„Die Stadtverwaltung wird im Rahmen des derzeit in Erarbeitung befindlichen Stadtentwicklungsplanes (STEP) Wirtschaftsflächen das Thema der Entwicklung bzw. der Transformation ‚grüner Gewerbegebiete‘ (Bestandsgebiete und Entwicklungsflächen) integrieren sowie Ziele, Handlungsbedarfe und Umsetzungsstrategien des STEPs darauf abstimmen“, fasste der Verwaltungsstandpunkt zusammen.

Denn Konzepte gibt es ja schon genug – von der Solardachstrategie bis zum Gründachkataster, von der Zero Waste-Strategie und dem Bienenschutz bis hin zum Biotopverbund. Das Problem ist nur, wie die Vorlage betont: „Die Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung ‚grüner‘ Gewerbegebiete im Rahmen von Bauleitplanungen sind allerdings beschränkt. So sind integrierte Versorgungskonzepte mit erneuerbaren Energien oder klimaneutralen bzw. CO₂-armen Energieträgern überwiegend nicht mit Mitteln der Bauleitplanverfahren steuerbar. Hierzu bedarf es entsprechender städtebaulicher Verträge oder Vereinbarungen, in denen Absprachen mit den Unternehmen zur CO₂-neutralen Versorgung festgehalten werden.“

Das heißt im Klartext: Die betroffenen Unternehmen müssen mitspielen.

Und letztlich tun sie gut daran. Denn die Klimabelastungen werden auch sie zu spüren bekommen. Genauso wie die massiv steigenden Mobilitätskosten, weil ihr Gewerbegebiet eben nicht an den ÖPNV angeschlossen ist.

Der Nordraum im Fokus

Dass das gerade im Gewerbegebiet im Norden der Stadt ein Problem ist, hat man im Stadtplanungsamt durchaus erkannt: „In Umsetzung der Mobilitätsstrategie wird derzeit u. a. für den Leipziger Nordraum mit den Umlandgemeinden und wichtigen Stakeholdern an einem gemeinsam getragenen Konzept zur Umsetzung einer nachhaltigen, verkehrlichen Entwicklung der Gewerbegebiete gearbeitet. Erste Ergebnisse in Form einer Stadtratsvorlage sollen im 3. Quartal 2023 vorliegen.“

Denn da führt weder eine Straßenbahnlinie hin, noch gibt es eine sinnvolle S-Bahn-Station, sodass die Beschäftigten problemlos mit ÖPNV zur Arbeit gelangen könnten. Und wie SPD-Stadtrat Andreas Geisler des Öfteren schon betonte, sieht es auch mit guten Radwegen mau aus. Da haben Planer in früheren Konzepten schlichtweg geschlafen oder – gezwungen von Sparkonzepten – eben nicht in die Zukunft planen können.

Und das betrifft im Grunde alle Gewerbegebiete, wie die Vorlage feststellt: „Darüber hinaus fordert die Stadt bei Neuansiedlungen grundsätzlich Mobilitätskonzepte seitens der Investoren ein, die auch im Einklang mit Klima- und Umweltschutz stehen müssen.“

Das freilich scheint noch nicht so zu klappen. Denn Mobilitätskonzepte nützen nichts, wenn es keine ÖPNV-Strukturen am Ort gibt. Dann bleiben oft nur noch Busverkehre oder Angebote in der E-Moblität oder im Carsharing.

Jetzt kann man gespannt sein, wie sich die „grünen Gewerbegebiete“ im neuen Stadtentwicklungsplan Wirtschaftsflächen wiederfinden, den die Verwaltung bis Juni vorlegen will.

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