Ende April war's erst einmal im Fachausschuss Kultur Thema - jetzt macht das Dezernat Kultur ernst und nimmt tatsächlich seinen Beschlussvorschlag, das Naturkundemuseum am Standort Lortzingstraße zu ertüchtigen, zurück und offeriert dem Stadtrat die Halle 7 auf dem Gelände der Baumwollspinnerei als Prüfvorschlag. Als gäb's hinter den Kulissen schon lange einen Käufer, der das Gebäude an der Lortzingstraße unbedingt versprochen bekam.

Anders sind die Eiertänze des Kulturdezernates um die Immobilie des alten Naturkundemuseums nicht mehr zu interpretieren. Erst recht nicht, nachdem sich nun eigentlich alle Fraktionen einig waren, dass das alte Gebäude saniert wird. Mit neuem Anbau etwas teurer – ohne neuen Anbau ebenfalls. Egal, wie man es rechnet: Es wird um die 20 Millionen Euro kosten. Denn es geht ja nicht nur um Sanierung, es geht um die seit zehn Jahren von Leipzigs Verwaltung ignorierte Frage: Wird das nun ein modernes, in die Region ausstrahlendes Museum oder nicht? Dafür braucht es große, moderne Ausstellungsräume, dazu braucht es einen wissenschaftlich aufgearbeiteten Fundus, dazu braucht es eine Direktorin/einen Direktor, die fähig sind, ein attraktives Ausstellungs-Management zu bewerkstelligen, dazu braucht es regionale Kooperationen. Und eine gute ÖPNV-Anbindung.

Bei jedem einzelnen Vorschlag, der auch nur einen dieser Punkte nicht berücksichtigt, wird das Projekt zum Debakel.

Umso erstaunlicher, dass die eine Fraktion glaubt, sie könne auf eine moderne Erweiterung verzichten, die andere meint, man könne das Archiv einfach mal auf die Alte Messe auslagern, so wie es die SPD-Fraktion jüngst vorschlug. Warum nicht gleich das ganze Museum? – Die Antwort ist einfach und steht auch in allen Gutachten und Masterplänen für das Museum: Ohne eine gute ÖPNV-Anbindung und eine Lage in Innenstadtnähe macht so ein Museum keinen Sinn.

Doch genau so etwas schlägt das Kulturdezernat jetzt ernsthaft vor und der Fachausschuss Kultur hat’s nicht gleich kopfschüttelnd abgelehnt.

Das Ergebnis: Statt der ursprünglichen Beschlussvorlage zum Standort Lortzingstraße bekommt der Stadtrat jetzt einen “Alternativvorschlag” auf den Tisch, in dem all die bislang erfolgten Klärungen wieder zurückgesetzt werden auf Papier-Status: “Der Masterplan Naturkundemuseum Leipzig 2012, der Standortvergleich und die Studie zum Kostenrahmen der Standorte Bowlingtreff und Lortzingstraße 3 werden zur Kenntnis genommen. Die grundsätzlichen Aussagen des Masterplans zu den Aufgaben, Zielen und Potentialen eines Naturkundemuseums Leipzig sind Grundlage für die Neuausrichtung.”

Und dann kommt die Spinnerei ins Spiel: “Als möglicher Standort für das Naturkundemuseum wird die Halle 7 auf dem Gelände der Baumwollspinnerei bis Ende Juli 2015 hinsichtlich der baulichen Eignung, der Finanzierbarkeit und der Rahmenbedingungen (Verkehrsanbindung usw.) in Leipzig Plagwitz geprüft. Die Fachausschüsse Kultur, Finanzen und Stadtentwicklung und Bau werden über das Prüfergebnis informiert.  Bei Eignung des Standortes und Befürwortung der Standortoption durch die genannten Ausschüsse wird die Vorlage ‘Grundsatzbeschluss Naturkundemuseum Leipzig’ durch die Verwaltung entsprechend aktualisiert und dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt.”

Man bremst also noch einmal. Denn der Freistaat hat eine Mohrrübe in den Ring geworfen. Eigentlich nicht fürs Naturkundemuseum, sondern für das nach wie vor fehlende Theaterhaus für die Freie Szene. Aber wenn man die Freie Szene da draußen unterbringen kann, warum nicht auch das Naturkundemuseum? Auch wenn sich das Kulturdezernat sehr vage hält in der Aussage darüber, mit wem es eigentlich über die Unterbringung des Naturkundemuseums gesprochen hat. Wahrscheinlich erst einmal nur mit der Leipziger Baumwollspinnerei Verwaltungsgesellschaft mbH, der Eigentümerin der Spinnerei.

“Im Zusammenhang mit der Etablierung eines Theaterhauses für die freie professionelle Theaterszene im Leipziger Westen wurde u. a. das Gelände der Baumwollspinnerei in Leipzig Plagwitz geprüft. Vom Eigentümer wurde die Halle 7 auf dem Gelände für die Nutzung vorgeschlagen und eine Skizze für die mögliche räumliche Unterbringung des LOFFT e.V. und des Leipziger Tanztheaters vorgelegt. Die beiden Theater sollen auf zwei Etagen untergebracht werden, weitere Etagen des Gebäudes stehen für weitere Nutzungen zur Verfügung”, heißt es in der Vorlage. Man will das Naturkundemuseum also in die verbleibenden zwei Etagen stopfen. Was natürlich die Frage aufwirft: Wo sollen dann eigentlich die publikumsträchtigen Ausstellungen stattfinden?

Die Halle 7 ist übrigens selbst auf dem Spinnerei-Gelände die am äußersten Ende gelegene Halle kurz vor der Saarländer Straße. Da kann nicht mal mehr von Laufweite zur Straßenbahn gesprochen werden.

Warum das Kulturdezernat jetzt auf einmal die Spinnerei ins Spiel bringt, wird deutlich, wenn es um die mögliche Förderung geht: “Ergebnis von Gesprächen beim Freistaat Sachsen gemeinsam mit der Stadt Leipzig/ASW ist, dass der Freistaat bereit wäre, in den kommenden Jahren erhebliche Fördermittel für die Sanierung des gesamten Gebäudes zur Verfügung zu stellen.”

Noch ist der Leipziger Westen Fördergebiet und das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW) ist emsig dabei, weitere Fördermittel für das Gebiet zu akquirieren. Und wenn man dabei noch ein paar alte Probleme aus dem Kulturdezernat mit unterbringen kann, warum nicht?

“Daraufhin wurde über mögliche Nutzungen für die noch freien Flächen im Gebäude gesprochen und in dem Zusammenhang das Naturkundemuseum thematisiert”, heißt es schwammig in der Vorlage des Kulturdezernats. Man tastet sich erst einmal vor. Einen wirklichen Plan hat man eigentlich nicht. Man sieht nur die Chance, das Museum irgendwie preiswerter irgendwo unterzubringen: “Die Stadtverwaltung schlägt vor, die Halle 7 auf dem Gelände der Baumwollspinnerei als Standort für das Naturkundemuseum Leipzig zu prüfen. Die bauliche Eignung wird durch das AGM geprüft. Entstehende Kosten der Prüfung für Gutachten etc. werden aus vorhandenen Haushaltsmitteln des Kulturamtes gedeckt.”

Das AGM ist das Amt für Gebäudemanagement der Stadt.

Womit das Thema wieder einmal vertagt wird – bis Ende Juli erst einmal, was eben auch bedeutet: Vor dem Sommer wird nichts entschieden. Es wäre schon sehr wundersam, wenn dieser neue Standort bei Prüfung von “baulicher Eignung, der Finanzierbarkeit und der Rahmenbedingungen (Verkehrsanbindung usw.) tatsächlich besser abschneidet als der alte Standort an der Lortzingstraße.

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Es gibt 2 Kommentare

Nichts gegen die Spinnerei, aber ein Naturkundemuseum ist dort fehl am Platz. Wegen der Verkehrsanbindung und der dezentralen Lage und der baulichen Gegebenheiten. Hoffentlich kommt die Prüfung nicht auf Grund merkwürdiger Einschätzungen zu einem anderen Ergebnis. Wäre schade um das Museum…

“Ernsthaft” geprüft werden, sollte Leipzigs Kulturdezernat.
Wie ist diesem Ausfluss nur Einhalt zu gebieten???

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