Sie mahnen, sie warnen, sie machen Vorschläge. Und das seit 2016, seit bekannt ist, dass die Bahn ihre Brücken durch die Leipziger Elsteraue ab 2019 neu bauen will. Doch die Stadt Leipzig reagierte nicht, nahm nicht mal die Gesprächsangebote der Bahn an. Aber das Amt für Denkmalschutz meldete sich und sorgte erst recht dafür, dass sich die Brückenpläne für Leipzigs Nordwestaue zur Katastrophe entwickeln.

Am Mittwoch, 14. November, hatten die Leipziger Umweltverbände die Nase voll. All ihre Warnungen und Vorschläge wurden mit Missachtung gestraft. Sie gingen jetzt gemeinsam an die Öffentlichkeit. Denn aus guten Gründen lehnen BUND Leipzig, Ökolöwe und ADFC Leipzig die zu klein geplanten Bahnbrücken über Weiße Elster, Luppe und Nahle ab.

Denn: Die derzeitige Planung schränkt eine ökologische Gewässer- und Auenentwicklung ein. Hintergrund ist das Planfeststellungsverfahren zur Sanierung der Eisenbahnüberführungen im Leipziger Auwald.

Die neuen Bahnbrücken entlang des Heuweges sind nur für die jetzigen, kanalisierten Flussquerschnitte bemessen. Nicht für all die Pläne, die Nordwestaue endlich wieder mit Wasser zu versorgen. Die Leitungsebene der zuständigen Stellen in der Leipziger Verwaltung haben sich komplett weggeduckt und damit Pläne abgenickt, die auf hundert Jahre den katastrophalen Zustand in der Aue zementieren. Und das, obwohl die Bahn mehrfach darum gebeten hat, mit der Stadt darüber zu reden.

„Hier wird der Natur überhaupt kein Raum gegeben“, kritisieren BUND und Ökolöwe. „Pfeiler und enge Öffnungen lassen keine Reserven für eine naturnahe Entwicklung der Flüsse und langfristigen Hochwasserschutz. Vor allem die Nahle benötigt mehr Breite für die Ausleitung der ‚Lebendigen Luppe‘ und eine künftige Anhebung der Gewässersohle.“

Auch die Wege-Infrastruktur unter den Brücken ist unzureichend. Gerade Radfahrer werden es zu spüren bekommen, dass das zuständige Leipziger Amt einfach für sich entschieden hat, dass es sich um das Thema nicht kümmern will.

„Über der Weißen Elster wird die neue Brückenunterkante 70 Zentimeter niedriger als derzeit, ohne dass es dafür plausible Gründe gibt“, so der ADFC Leipzig. „Der ehemalige Parthe-Radweg wird dort nun als ‚Waldweg‘ deklariert, offenbar um der fehlenden Durchfahrtshöhe eine amtliche Begründung zu geben. An Nahle und Luppe fehlen zudem legale Zuwegungen zum Deponieberg.“

Die von der Stadt gewünschte Neubauvariante der Brücke über die Nahle: zu niedrig, mit Betonpfeilern vefbaut. Kein Platz für Radwege und große Hochwasser. Grafik: Heiko Rudolf
Die von der Stadt gewünschte Neubauvariante der Brücke über die Nahle: zu niedrig, mit Betonpfeilern verbaut. Kein Platz für Radwege und große Hochwasser. Grafik: Heiko Rudolf

Dass die Bahn mit völlig unzureichenden Spannweiten und Unterführungen plant, hat mit dem geradezu sinnfreien Vorstoß der Leipziger Denkmalschutzbehörde zu tun, die die 100 Jahre alten Brücken unbedingt in ihrer Anmutung erhalten sehen will. Obwohl keine der Brücken auch nur ein einziges schützenswertes Detail aufweist, das sie zu einem exemplarischen Baudenkmal machen würde. Man hat es mit simplen Standardbauwerken zu tun, die von der Bahn komplett durch Neubauten ersetzt werden sollen.

Und anfangs bot die Bahn durchaus an, hier moderne Stabbogenbrücken zu bauen, die nicht nur preiswerter sind, weil sie heute zum Baustandard der Bahn gehören, sondern auch ästhetisch ansprechen. Was jeder besichtigen kann, der solche modernen Bogenbrücken im Neuseenland begutachtet.

Aber die Stadt beharrte darauf, dass die Brücken im alten Muster neu gebaut werden sollen – mit lauter Betonpfeilern im Flussbett, die den Raum unter der Brücke einengen, und so flach, dass man hinterher wieder irgendwie dasselbe Bild flacher Brücken durch die Aue bekäme.

Ein Trugschluss, auf den die Bahn ebenfalls früh hinwies. Denn da hier schnelle ICE fahren und die Fahrtgeschwindigkeit auch erhöht werden soll, brauchen diese Brücken zwingend einen Fledermausschutz – mehrere Meter hohe Wände rechts und links der Zugtrasse. Spätestens da hätte in der Verwaltung der Groschen fallen müssen, dass man die „alten Brücken“ so oder so nicht wiederbekommt.

Und dass das Ganze nur viel teurer wird, ohne dass man für die Radfahrer oder gar die Auenwiederbelebung irgendetwas gewonnen hätte. Im Gegenteil: An der erwähnten Unterführung an der Weißen Elster wird man regelrecht zum Ducken gezwungen, um unter der – dann neuen – Brücke hindurchzukommen.

Vorschlag Stabbogenbrücke über der Nahle: Unter der Brücke gibt es mehr Platz für den Fluss, für Hochwasser und für einen möglichen Radweg zum Nahleberg. Grafik: Heiko Rudolf
Vorschlag Stabbogenbrücke über der Nahle: Unter der Brücke gibt es mehr Platz für den Fluss, für Hochwasser und für einen möglichen Radweg zum Nahleberg. Grafik: Heiko Rudolf

Die Verbände fordern aus mehreren guten Gründen weitgehend stützenfreie und großzügige Brückenkonstruktionen, die den Flüssen, Uferbiotopen und Wegen genügend Freiraum lassen. Sofern es bei den geplanten Balkenbrücken bleibt, sind zumindest eine höhere Lage sowie an der Nahle eine Erweiterung durch ein zusätzliches Brückenfeld notwendig.

Die Vorzugsvariante der DB Netz waren von Anfang an die erwähnten freitragenden Stabbogenbrücken. Mit gleichen Hauptstützweiten von 60 Meter entsteht dabei ein harmonisches Bild. Durch die schlankere Fahrbahn gewinnt man lichte Höhe. Zudem entfallen Pfeiler in der Hochwasserabflussbahn.

Ursächlich für die verfehlte Planung bei den Bahnbrücken ist nach Ansicht der Verbände das ambivalente Verhalten der Stadt Leipzig. Diese hat die ungünstigen und zudem teuren Pfeilerbrücken gewählt mit Verweis auf Denkmalschutz, obgleich die Brücken in ihrer Gestalt und Bauweise erheblich verändert werden und zusätzlich 4 Meter hohe Schutzzäune für die Fledermäuse bekommen.

Während die städtischen Umweltämter (ASG und AfU) in ihren Stellungnahmen größere und pfeilerlose Brücken fordern, stimmt die Stadt Leipzig im Verfahren den geplanten Abmessungen grundsätzlich zu. Sie erhebt auch kein Aufweitungsverlangen, obwohl dabei entstehende Kosten förderfähig sind, wie andere Vorhaben zeigen. In der Folge sah sich auch die Vorhabenträgerin (DB Netz) nicht veranlasst, die Planung zu ändern.

Und ein Grund dafür könnte genau das sein, was wir in Bezug auf Alte Elster und Elsterbecken geschrieben haben: Massiv wird der Versuch hintertrieben, die Leipziger Elsteraue tatsächlich wieder mit einem natürlichen Wasserregime zu beschicken. Das wurde schon früh im Projekt „Lebendige Luppe“ sichtbar:

Wenn man regelmäßige Hochwasser in der Burgaue haben möchte, braucht man 1. eine Öffnung der dortigen Deiche und 2. muss die Sohle der beiden Flüsse Nahle und Neue Luppe angehoben werden. In den letzen 100 Jahren haben sie sich so tief in den Boden gefräst, dass der Auenwald nicht einmal Wasser bekommen würde, wenn man die Deiche öffnet – Ausnahme wären die 100-jährigen Hochwasser.

Man beteuert zwar immer wieder, dass man die Aue renaturieren will. Aber immer dann, wenn das Thema wirklich auf den Tisch kommt und wichtige Entscheidungen fallen, grätscht eine mittlere Führungsebene im Rathaus dazwischen und widersetzt sich.

Denn wenn man die Sohle der beiden Flüsse anhebt, erhöht sich logischerweise auch der Hochwasserpegel an den Elsterbrücken der Bahn. Man muss also jetzt vorsorgen und die Brücke gerade im Verlauf von Neuer Luppe und Nahle weiter anheben. Das ist vonseiten der Bahn problemlos möglich. Es geht nur um wenige Dezimeter.

Die Verbände appellieren jetzt an die Stadt Leipzig aber auch die DB Netz, die Chance für vorausschauende Brückenlösungen mit Freiräumen für Flüsse und Wege nicht verstreichen zu lassen. Jetzt ist der einmalige Zeitpunkt, hier wirklich einmal klug zu entscheiden und mit einer großzügigeren Planung wirklich eine zukunftsfähige Entscheidung zu treffen.

Dass auch die Stadt großzügig kann, zeige sie – so die drei Verbände – mit ihren Entwürfen zum Saale-Elster-Kanal, die bei der Stadt-Umland-Konferenz am 7. November 2018 präsentiert wurden. Für die Lyoner Brücke am Lindenauer Hafen bekam die große Aufweitung mit freitragender Stabbogenbrücke (!) den meisten Beifall.

Wie man das Elsterbecken in ein totes Gewässer für die Ruderer verwandeln möchte

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Es gibt 4 Kommentare

Das heißt aber auch: Wenn man irgendwann die Sohlen der Flüsse anhebt, um den Auawald wieder zum Auenwald zu machen, wären die Wege nichtmehr nutzbar. Wer sich sowas ausdenkt, sollte sein Lebtag lang Wasser in Eimern in den Auenwald tragen.

Der Weg unter der EÜ Weiße Elster wird letztlich 2m betragen. Das erreicht man, in dem man den Weg um gut 60 cm absenkt. Das bedeutet, das immer dann, wenn die Weißen Elster mal ein paar Tröpfen mehr hat, der Weg unter Wasser steht.

An der Neuen Luppe ist es ähnlich. Hier wird der Weg in Richtung Fluss verschwenkt und leicht abgesenkt, sodass letztlich eine lichte Höhe von 2,50m entsteht. Man muss dann zwar nicht mehr den Kopf einziehen, dafür wird der Weg schon bei einem kleinen Hochwasser nicht mehr nutzbar sein.

Oh, da habe ich doch Weiße Elster und Neue Luppe verwechselt, Mist. Aber die ist auch nicht höher, nur der Weg ist nicht ganz so bedeutend.
Aber was ist mit der Brücke über die Neue Luppe? Wird die höher?

Wie bitte: “Über der Weißen Elster wird die neue Brückenunterkante 70 Zentimeter niedriger als derzeit, ohne dass es dafür plausible Gründe gibt“
Wenn ich das so richtig verstehe und es wirklich stimmt, wäre das eine Katastrophe. Der Weg darunter hat jetzt schon nur grade so Stehhöhe, man käme dann dort garnicht mehr lang. Und es ist eine der wichtigsten Verbindungen der Stadt, vom Zentrum in den Norden, Nordwesten bis nach Leutzsch.
Bitte mehr Informationen dazu!

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