Am Ende stand ein Kompromiss: Ein prinzipielles Ja der Bundesländer zum Angebot der Bundesregierung, die Regionalisierungsmittel von 7,4 Milliarden Euro im nächsten Jahr auf 8 Milliarden zu erhöhen und die Summe bis 2031 jährlich um 1,8 Prozent zu steigern. So geschehen am 16. Oktober im Bundesrat. Aber wer bekommt nun wie viel Geld zur Sicherung des regionalen Zugverkehrs?

Das war bis zur Beratung im Bundesrat am 16. Oktober ein durchaus kritisches Thema, denn die Bundesregierung hatte einfach den 2014 von den Bundesländern vorgeschlagenen “Kieler Schlüssel” zur Grundlage gemacht. Das hätte zwar steigende Geldbeträge für alle westlichen Bundesländer bedeutet, für die östlichen aber wäre die Fördersumme praktisch bis 2030 eingefroren worden – damit wären sie gezwungen, nach und nach immer mehr Regionalverbindungen einzustellen.

Auch Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) hatte gegen diese Entwicklung opponiert.

Jetzt steht zwar fest, wie die Zuweisungen des Bundes ab 1. Januar 2016 steigen. Aber der wichtigste Punkt blieb auch am 16. Oktober offen. Man legte sich noch nicht auf die konkrete Verteilung der Gelder – etwa nach dem “Kieler Schlüssel” – fest. “Wie der Zuschuss zwischen den einzelnen Ländern aufgeteilt wird, soll eine Rechtsverordnung regeln, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf”, hieß es am Freitag aus der Sitzung des Vermittlungsausschusses. “Sie soll in den nächsten Monaten auf den Weg gebracht werden.”

Der eigentliche Kompromiss war natürlich, dass die Länder von ihrer Forderung abrückten, ab 2016 8,5 Milliarden Euro zur Finanzierung des Regionalverkehrs zu bekommen. Sie waren dabei in einer deutlich schwachen Position gegenüber Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), denn nur wenige Bundesländer haben bisher die volle Summe der zugewiesenen Regionalisierungsmittel auch an die zuständigen Zweckverbände für den Regionalverkehr überwiesen. Einige haben mit dem Geld auch viele Aufgaben finanziert, die eigentlich Landesaufgabe sind und mit dem Regionalverkehr nichts zu tun haben. Sachsen zum Beispiel hat in den vergangenen Jahren nur 75 Prozent der Regionalisierungsmittel wirklich zur Bestellung von Nahverkehrszügen eingesetzt. Mit der neuen Regierungsperiode stieg der Betrag zwar auf 80 Prozent. Aber auch das ist eine Größenordnung, bei der ein Bundesfinanzminister zu Recht fragen kann: Warum wollt ihr dann mehr Geld, wenn ihr es doch nicht für den gedachten Zweck verwendet?

Deswegen steht in der Mitteilung des Vermittlungsausschusses auch der deutliche Hinweis: “Die Länder weisen dem Bund regelmäßig die konkrete Verwendung der Gelder nach.”

Ist damit die Kuh vom Eis?

Das hängt wohl davon ab, ob die ostdeutschen Bundesländer tatsächlich eine für sie sinnvolle Quote aushandeln können, stellt Stephan Kühn, sächsischer Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen im Bundestag, fest: “In der verbleibenden Zeit, in der die Mittelverteilung auf die Länder endgültig festgezurrt wird, muss der Bund für eine faire Mittelverwendung unter den Ländern sorgen. Auch die ostdeutschen Länder müssen künftig in der Lage sein, ihr Nahverkehrsangebot mindestens im heutigen Umfang fortführen zu können. Es wäre ein einmaliger Vorgang, wenn im 25. Jahr der Einheit, der Osten im Schienennahverkehr buchstäblich abgehängt würde. – Gleichzeitig appellieren wir an Minister Dulig, mehr Mittel an die sächsischen Verkehrsverbünde weiterzuleiten, damit diese Spielraum für die Bestellung von Nahverkehrszügen haben. Die auch im Vergleich zu anderen ostdeutschen Ländern niedrige Bestellquote Sachsens in Höhe von 71 Prozent ist eine Erblast der Ära Morlok. Sachsen leitet nur 80 Prozent der Mittel an die Zweckverbände weiter. Von einem sozialdemokratischen Verkehrsminister erwarten wir im sächsischen Nahverkehr neue Akzente.“

Und ein anderes Thema, das den Bundesländern ebenfalls bislang die Suppe versalzte, wird jetzt wohl auch angepackt, so Kühn: “Positiv ist auch, dass der Bund die Preissteigerungen für die Nutzung der Bahninfrastruktur deckeln will. Wir werden genau darauf achten, dass diese Zusage im Eisenbahnregulierungsgesetz wirksam umgesetzt wird. Denn ansonsten droht bei übermäßig stark steigenden Infrastrukturpreisen eine Angebotskürzung durch die Hintertür.”

Ähnlich sieht es auch der Deutsche Bahnkundenverband (DBV). Denn über die Trassen- und Stationspreise hat sich die Bahn schon von vornherein den Löwenanteil der Regionalisierungsmittel gesichert – und zwar in einem Umfang, der auch in Sachsen zu dem seltsamen Effekt führt, dass sogar die Abbestellung voll ausgelasteter Regionalzüge billiger ist als deren Betrieb. Denn für jeden gefahrenen Schienenkilometer und jeden angefahrenen Haltepunkt verlangt die Bahn Geld.

“Etwa 50 Prozent der Aufwendungen für den Zugverkehr entstehen durch die Kosten für die Nutzung der Trassen und Stationen”, benennt Gerhard J. Curth, Präsident des DBV, den Umfang dieser “Grundkosten”. “Wie die Begrenzung aussehen soll, ist im Rahmen des Vermittlungsverfahrens nicht geregelt. Auch wann und in welcher Form es kommen wird, ist nicht festgeschrieben. Hier sieht der DBV die große Gefahr, dass es auch nach jahrelangen Verhandlungen keine greifbaren Ergebnisse geben wird.”

Auch der DBV fordert endlich eine sachgerechte Verwendung der Regionalisierungsmittel: “Die Bundesländer müssen dem Bund jährlich darüber berichten, wofür sie die Gelder verwenden. Diese Verwendungsnachweise sind nicht öffentlich. Eine transparente und öffentliche Information hält der DBV für unerlässlich. Auch muss im neuen Gesetz festgeschrieben werden, dass diese Gelder ausschließlich für Bestellungen im Regionalverkehr verwendet werden dürfen, dafür waren sie ursprünglich gedacht. Alle Bundesländer verwenden sie inzwischen für viele andere Ausgaben.”

Jetzt muss noch ausgehandelt werden, wer welchen Anteil am Paket bekommt. “Finanzierungsprobleme werden nicht dadurch gelöst, dass sie geografisch von dem Westen in den Osten verlagert werden. Es gibt insgesamt viel zu wenig Geld für den öffentlichen Bahn- und Busverkehr. Hier muss nachgebessert werden, damit in den Westländern das Angebot ausgeweitet und in den Ostländern wenigstens gehalten werden kann”, sagt Gerhard J. Curth. Der DBV-Bundesverband verkenne nicht die Notwendigkeit, dass die bevölkerungsreichen westdeutschen Bundesländer eine deutliche Aufstockung der Gelder benötigen. “Sie leiden unter einer jahrelangen Unterfinanzierung und können nicht in notwendigem Umfang neue Strecken planen und Taktverdichtungen vornehmen.”

Was eben auch bedeutet: Die Länder werden hart um jeden Prozentpunkt feilschen. Dass der “Kieler Schlüssel” jetzt aber nicht unbedingt Grundlage der neuen Verteilung wird, ist für die Ostländer zumindest ein Hoffnungsschimmer.

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