Da haben sich zwei gefunden. Und zur Leipziger Buchmesse, so verrät Verleger Sven Lychatz, werden sich die beiden jungen Autorinnen zum ersten Mal sehen. Ihr erstes gemeinsames Buch haben die Leipzigerin Dana Menzel und die Frankfurterin Julia Fraczek in einer Fernbeziehung geschrieben. Beide sind 16 und haben auch schon ein Buch veröffentlicht. Dana Menzel machte mit „Diebe im Dunkel“ auf sich aufmerksam. Da ging es um gestohlene Pferde. Die Welt ist voller Ganoven.

Da müssen auch zwei belesene Mädchen nicht lange nachdenken. Es ist einfach so. Und Dana und Julia befinden sich noch in einem Alter, in dem einen das nicht kaltlässt. In dem man noch Hummeln und Wut im Bauch hat und sich sorgt. Und in dem man gern die Welt retten möchte. Bei manchen hört das nicht auf – die engagieren sich ein Leben lang. Aber viele tun das dann eben doch leider als Jugendmarotte ab und geben sich cool und erfahren, wenn sie sich dann einreden, das ginge sie alles doch nichts an oder sie könnten ja doch nichts tun.

Das Schlimme sind nicht die Ganoven. Das Schlimme sind die „Abgeklärten“, die mit ihrer schieren Menge dafür sorgen, dass die Ganoven freie Hand haben und die Jugendträume zerplatzen. Was nicht heißt, dass es nicht doch weiter solche Bücher braucht. Und die Phantasie junger Autorinnen, die sich Geschichten ausdenken, wie das gehen könnte.

Dabei ist gleich ein gemeinsames Reihenprojekt entstanden. Denn „Die Botanicas“ im Titel, das sind die dort abgebildeten Mädchen: Ida, Isabella, Trixie und die Zwillinge Litchi und Chitchi. Eigentlich alle fünf ganz brave Gymnasiastinnen irgendwo in Deutschland, irgendwo in einer ruhigen Randlage, wo Einzelkinder nichts Ungewöhnliches sind und die Eltern alle ein eigenes Haus besitzen. Wo man sich zu Popcorn-Film-Abenden trifft und die besten Freundinnen einlädt, wenn die Eltern mal außer Haus sind – sturmfrei nennt sich das. Da möchten manche Mütter und Väter gar nicht erst wissen, was die pubertierenden Kinder dann anstellen. Aber andererseits sind die fünf kichernden und stichelnden jungen Damen auch schon sehr selbstständig. Sie fragen Mama nicht mehr extra, wenn sie was unternehmen wollen. Und der Wald liegt ja direkt vor der Haustür. Mal ist er finster, mal romantisch. Und manchmal kann man auch versuchen, ihn zum Studium der Baum- und Pflanzennamen zu benutzen.

Und manchmal klopft er auch ans Fenster und macht sich mit einer dringenden Botschaft bemerkbar. Es wird fantastisch. Denn die BewohnerInnen dieses Waldes können sprechen. Zumindest dann, wenn sie wollen. Wenn man sich Menschen offenbart, droht immer die eiligste Verfrachtung als Attraktion in einen Zoo.

Eigentlich wären diese sonderbaren Waldpflanzen – und insbesondere Clematis, die gemeine Waldrebe – auch gern unter sich geblieben. Schon die Mädchen gingen ihnen irgendwie gewaltig auf den Keks. Aber dann machte sich ein Wüstling daran, den Wald systematisch zu zerstören. Einer von diesen heutigen Raffgeiern, die aus störrischem Wald gern wertvolles Bauland machen möchten. Und da können sich die Pflanzen augenscheinlich nicht allein behelfen. Die Mädchen werden gebraucht und es entfaltet sich – ganz ähnlich wie in Dana Menzels „Diebe im Dunkel“ ein kleiner Krimi, bei dem die fünf über ihren Schatten springen und den Unhold dingfest machen müssen – oder zumindest, ihn beweiskräftig auf frischer Tat ertappen. Was beinah schiefgeht, denn wie jeder weiß, ist just dann, wenn man den Schnappschuss seines Lebens machen möchte, die Batterie runter und das kleine Knipsgerät versagt.

Aber Spannung muss sein. Und wer seine Töchter nur mit Prinzessinnenkleidchen und Einhorn-Filmchen verwöhnt, hat garantiert was falsch gemacht. Auf jeden Fall hat er die jungen Damen unterschätzt, die sich sehr wohl verantwortlich fühlen für ihre Welt, sich manchmal auch böse anfauchen, es aber nie wirklich so meinen. Und da sie ja belesen sind (Isas Bücheregal gleich neben dem gemütlichen pastellfarbenen Sofa am Fenster wird extra erwähnt), spielen sie zwar gerne Huch und Hach und sticheln über die Unwissenheit ihrer allerliebsten Freundin, aber eigentlich sind sie so gut gebildet im Wald unterwegs, wie es nicht viele Erwachsene von sich sagen können.

Bücher machen klug. Aber wem sagt man das? Denn sie regen die (jungen) Leser an, ihre Phantasiemaschine anzuschalten, sich Gedanken zu machen über Gut und Böse, über die Gefährdung der Welt und über das, was man auch in der Schule fast nie lernt: die eigenen Möglichkeiten zum Handeln. Denn dass die meisten alt gewordenen Leute so bärbeißig in der Gegend herumlaufen, hat ja vor allem damit zu tun, dass sie nie gelernt und begriffen haben, dass man losgeht und lernt, wie man Dinge tut, wie man Freundinnen findet und Mitstreiter. Und wie man seine eigenen Kräfte und Fähigkeiten realistisch einschätzt. Und dann einfach abwägt, was im Bereich der eigenen Möglichkeiten liegt. Und es dann einfach tut. Auch auf die Gefahr hin…

Hoppla. Ist das jetzt ein Ausflug ins sächsische Hinterland?

Nicht wirklich. Aber indem die beiden Mädchen aus Hessen und Sachsen einfach ihre Idee zu einer richtig spannenden Geschichte aufgeschrieben haben, haben sie eigentlich das Problem der Zeit angestupst: Den drögen Phlegmatismus all der Leute, die ihre Untätigkeit und ihre Unlust, selbst etwas zu tun und die Dinge zum Besseren zu verändern, hinter Groll und Häme verstecken.

Es ist eine Geschichte vom „Einfach tun“ und vom „Verantwortung übernehmen“. Beides eigentlich zentrale Themen für Teenager. Nur dass die meisten recht systematisch in die Sackgasse „Null Bock“ geschickt werden. Weil Erwachsene in hohen Ämtern natürlich Menschen, die sich einmischen, nicht mögen. Das stört bei der Arbeit und bei den Kungelrunden, wo man sich goldene Handshakes verpasst.

Und da „Waldgeflüster“ sichtlich der Untertitel ist, haben sich die beiden fernschreibenden Autorinnen garantiert schon etwas ausgedacht, was in weiteren „Die Botanicas“-Bänden erlebt und erzählt werden soll. Recht flott, sehr spritzig, auch sehr mädchenhaft. Was wahrscheinlich nur Jungs merken, die dann die Augen verdrehen darüber, wie Mädchen sich so über ihr Aussehen und ihre gefährdete Beziehung in der Gruppe aufregen können. Was nicht heißt, dass Jungen mit ihrer Gruppenrolle nicht genauso Probleme haben. Aber sie gehen damit anders um. Nicht unbedingt klüger. Aber vielleicht finden sich ja auch noch ein paar schreibgewandte Teenager, die mit so viel Lust am Fabulieren auch mal die Jungs-Sicht auf die Welt in gut lesbare Bücher zu verwandeln versuchen.

Aber dazu gehört nun einmal das Bücherregal neben dem Fenster. Ohne geht’s nicht.

Dana Menzel; Julia Fraczek Die Botanicas, Lychatz Verlag, Leipzig 2018, 9,95 Euro.

Der unerwartete Bestseller einer 14-jährigen Autorin

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