1998 geboren, gehört Marlene Droop zu den Zoomers, der Generation Z, über deren Lebenseinstellung derzeit in den Medien rauf und runter diskutiert wird. Meistens von viel älteren Leuten, die genauso ratlos auf die Jugend gucken wie einst die alten Griechen Aristoteles und Sokrates. Beide erwähnt sie natürlich, weil ihre weltberühmten, zugeschriebenen Sprüche bis heute fast unverändert aus dem Munde alter Leute zu hören sind.

Alte Leute, die meist einfach nicht verstehen wollen, dass die Welt, wie sie sie verstanden haben, nicht die Welt ist, in der die jungen Menschen aufwachsen. Und in die diese auch gar nicht hineinwachsen wollen, weil vieles daran veraltet, überholt, sinnlos und manchmal einfach nur noch lästig ist. Die Welt verändert sich. Nur manche Leute scheinen das nicht mal zu merken und klopfen mit 80 noch dieselben Sprüche wie mit 18.

Und glauben tatsächlich, man müsse nur die trübsten Tassen in die Parlamente wählen, damit alles wieder so wird wie in den muffigen alten Zeiten.

Na gut: Das war jetzt eine Abschweifung.

Das muss ja krachen

Aber junge Menschen erleben diese Brüche ganz elementar. Ihre Vorstellungen von dem, was sie aus ihrem Leben machen könnten, prallen ungebremst auf eine Welt von Erwachsenen, die viele von denen für unveränderlich und absolut setzen. Natürlich muss das krachen.

Marlene Droop ist noch jung genug, um sich auch an diese verwirrende Zeit um das 15. Lebensjahr zu erinnern, das in jedem Menschenleben prägend und wild ist. Denn da hört man endgültig auf, Kind zu sein. Obwohl man manchmal gar nicht möchte. Denn man spürt genau, dass die große Freiheit im Erwachsensein auch einen großen Haken hat. Denn Freiheit geht mit Verantwortung einher und mit Entscheidungen, die man ganz allein treffen muss.

Und manches sind Entscheidungen fürs Leben. Schrecklich. Man könnte wahnsinnig werden, so hin- und hergerissen vor den wilden Möglichkeiten, die sich auf einmal auftun und die man alle, alle ausprobieren will. Und diesem blöden Gefühl, davon völlig überfordert zu sein.

Und statt einen dieser nervigen Ich-suche-mich-selbst-Romane zu schreiben, hat sich die junge Grafikerin hingesetzt und diese turbulente Lebensphase in lauter witzige Buntstiftzeichnungen gefasst, die zeigen, wie man sich so fühlt, wenn die Gefühle jeden Tag Achterbahn fahren. Auf einmal ist man nicht mehr niedlich und klein und fühlt sich trotzdem so winzig, wenn man die große weite Welt vor sich sieht.

Und statt Superfrau zu sein, die mit Superkräften ins Leben düst, fühlt sich das Erwachsenenwerden eher an, als käme man ständig vom Regen in die Traufe. Und viel zu viele Optionen werden ganz fix zu finsteren Wolken, die den ganzen Himmel verdüstern.

Gar nichts ist einfach. Und nicht nur Mädchen werden sich in Marlene Droops Reise durch diese Chaoszeit wiederfinden, auch wenn Jungen meist andere Strategien beigebracht werden, wie sie in dieser Zeit so tun sollen, als wären sie schon supercool. Dabei ist Coolness in allen Lebensaltern immer nur die Maske, die einer aufsetzt, der keine Lust hat, sich mit Gefühlen und Widersprüchen zu beschäftigen. Oder in den Verdacht zu geraten, man könnte von Situationen und Begegnungen überfordert sein. Obwohl man es ist.

Die richtig große Fragen

So wie es der Heldin in Marlene Droops Büchlein fortwährend geht. Und sie weicht auch den ganz großen Fragen nicht aus. Zum Beispiel der, ob das Leben und das, was einem darin passiert, nun Schicksal ist. Oder doch nur Zufall oder Glück. Und was folgt eigentlich daraus? Und was ist Glück? Und warum beneiden wir ständig andere Leute, die wir noch nie in der Realität getroffen haben? Warum vergleichen wir uns ständig und wollen immerzu wer anders sein? Der wir aber nicht sind.

Geht es den anderen Menschen genauso?

Und warum schämt man sich so sehr? Und hat Angst davor, aufzufallen? Aus der Rolle zu fallen? Obwohl einen doch die besten Freunde gerade deshalb mögen, weil man so ist. Das begreife mal einer. Genauso wie das Ding mit der Unendlichkeit, das so gar nicht zu passen scheint zu einem endlichen Leben. Denn wenn man so ein bisschen erwachsen wird, dann denkt man auch zum ersten Mal richtig über das Sterben nach.

Und darüber, dass alles zu Ende geht. Und das Ende irgendwie dazugehört, weil wir sonst nicht merken würden, wie toll das ist, was wir im Leben erleben.

Am Ende gibt es tatsächlich so einen richtigen Generation-Z-Spruch, wie man ihn diesen jungen um 2000 geborenen Leuten immer wieder angeheftet findet. Denn da geht es um Engagement, das man zuallererst für sich selbst und seine Freund/-innen eingeht. Aber „dann glaube ich, wird meine Welt ein klein wenig besser. Und vielleicht auch die von jemand anderem.“

Was ja, wie man weiß, zu den ewigen Ärgernissen der alten Leute gehört. Denn diese unperfekte, zu verbessernde Welt ist ja die der Alten. Die eigentlich nichts dran geändert haben wollen und das als Beleidigung empfinden, wenn junge Leute auf die Straße gehen und verkünden, dass die Welt der Alten kaputt und reparaturbedürftig ist.

15-Jährige sind nicht doof

Aber Droops auch mit kindlicher Handschrift geschriebene Geschichte erzählt eben auch davon, dass junge Menschen durchaus sehr genau wissen, was sie sich vom Leben wünschen (auch wenn es so verdammt viel ist) und wie die Welt aussehen soll, in der sie leben möchten. Sie schauen noch mit weniger Scheuklappen und rosaroten Brillen auf alles, was da schon ist und was da noch kommt.

Und sie beginnen genau in dieser Zeit, sich selbst als aktiver Teil dieser Welt zu verstehen, spüren, dass sie durchaus ernst genommen werden. Von einigen Erwachsenen (am besten Eltern, Großeltern, Tanten und Onkeln) mit jeder Menge Wohlwollen. Und von anderen mit frustrierten Gesichtern.

Denn die grimmigen Erwachsenen reagieren ja so, weil sie merken, dass die jungen Menschen tatsächlich was ändern können, wenn die das jetzt ernst meinen. Also muss man sie einschüchtern (am besten in großen Polizeikesseln, nicht wahr?). Von der Straße zerren, öffentlich lächerlich machen usw. Die Strategien der in ihren Posen erstarrten Alten sind vielfältig und seit 2.400 Jahren nur zu gut bekannt.

Sie reden den Heranwachsenden nur zu gern ein, dass sie ja keine Ahnung haben und gar nicht wissen …

Aber mit Marlene Droop darf man sich daran erinnern, dass man mit 15 sehr wohl vom Wichtigsten schon eine Ahnung hat. Und dass die Fragen, die man stellt, die richtigen sind. Und dass man lernen muss, zu sich selbst zu stehen und die eigenen Wünsche an die Welt, in der man leben wird, auch ernst zu nehmen. Sonst wird man nämlich nicht glücklich.

Sondern nur ein alter, verbiesterter Mensch, der mit vorwurfsvoller Miene durchs Leben schlurft und anderen Leuten (und am liebsten dieser renitenten Jugend) immerfort vorwirft, dass er selbst ein mieses, langweiliges Leben führen muss.

Muss aber keiner. Darum geht es eigentlich mit diesem kleinen, witzigen Besuch im turbulentesten Lebensjahr, das die meisten erleben. Und das so schlimm nicht ist, wie es Manche darstellen. Aber manchmal braucht man da dennoch, wie es im Untertitel heißt, so ein paar „Gedankenschubser für große Schritte und kleine Sprünge“, die die Leser und Leserinnen „ermutigen, das Leben in die Hand zu nehmen“ und die Zukunft mit einem „Jaaaaa“ zu begrüßen. Meint zumindest die Autorin.

Manchmal aber reicht auch schon eine dicke Portion Neugier. Denn das Leben ist eigentlich eine große Entdeckungsreise. Und die griesgrämigen Alten am Wegesrand kann man ja ignorieren. Es gibt wirklich spannendere Dinge zu entdecken und auszuprobieren. Man muss nur losgehen. Und neugierig sein.

Marlene Droop „Echt das Leben … und ich“, Coppenrath Verlag, Münster 2024, 14 Euro.

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