Braucht es eigentlich noch ein Loblied auf die Kartoffel? Die Erdknolle, den Erdapfel? Das Nachtschattengewächs, das aus deutschen Küchen schon lange nicht mehr wegzudenken ist? Als wäre sie immer dagewesen. Aber bekanntlich musste ja Friedrich II. von Preußen seinen Bauern erst königlich befehlen, die Knolle anzubauen. Sonst hätten sie es nie gewagt. „Kenn ich nich, ess ich nich.“ Kennt man das nicht irgendwie?

Im Grunde haben sich die Deutschen ja nicht geändert seitdem. Man kann sich ja regelrecht vorstellen, wie sie vor dem König buckelten und missmutig fragten: „Kommten das her? Aus Amerika? Von den Wilden? Son Kram essen wir nich.“

So ungefähr.

Aber wahrscheinlich war es ganz anders. Denn das Bild vom Bauern, der selbst bestimmt, was er anbaut, passt nicht zum alten Preußen. Die Ländereien gehörten fast alle den großen Landadligen, den Landjunkern. Und wahrscheinlich müsste man bei Theodor Fontane suchen, was er dazu schreibt, wie sich diese bärbeißigen Herren weigerten, die neumodischen Sitten des Königs zu übernehmen. Sie waren ja nur Militärisches gewohnt. Also brauchte es einen Befehl.

Und Preußen war damit gar nicht vorneweg, wie uns Carola Ruff in der kleinen Vorgeschichte zur Kartoffel erzählen kann. Maria Theresia in Österreich hatte ihre Untertanen schon viel früher dazu gebracht, die Knolle anzubauen. Und als sie erst mal da war, wurde sie sehr schnell zum preiswerten Grundnahrungsmittel und zum Retter vor großen Hungersnöten, die bis dahin auch Preußen und Österreich immer wieder heimgesucht hatten.

Und sie füllt nicht nur hungrige Mägen – sie ist auch gesund. So gesund, dass man mit großen Kartoffelportionen in seiner Alltagsernährung nicht nur viele ungesunde Zutaten ersetzen kann, sondern den Körper auch gleich noch glücklich macht. Und ein gewisses Stirnrunzeln ist nicht zu überlesen, wenn Carola Ruff das Märchen vom „Dickmacher Kartoffel“ erwähnt. Wer hat das in die Welt gesetzt? Ein vernünftiger Mensch, der sich ausgewogen ernährt, ganz gewiss nicht.

Denn die Kartoffel besteht zu 70 bis 80 Prozent aus Wasser. Sie ist geradezu der ideale Wasserspeicher – was selbst all jene wissen, die Kartoffeln anbauen: Sie braucht viel weniger Wasser als die meisten anderen Feldfrüchte, weniger als Reis oder gar Fleisch sowieso. Sie ist also auch noch eine höchst umweltverträgliche Erdfrucht. Die man auch lagern kann, wenn man die kühlen und lichtlosen Räume dazu hat. Die man in mehreren Stärke-Stärken kaufen kann – zu unterschiedlichsten Zwecken. Pellkartoffeln haben eine andere Qualität als jene, die man besser für Klöße verwenden kann.

Die kleine Weltreise lässt Carola Ruff natürlich auch nicht aus, denn weltweit gibt es nicht nur viele unterschiedliche Kartoffelsorten mit recht exotischen Namen, von denen etliche als Saisonspezialitäten auch in unseren Gemüseläden auftauchen, es gibt auch noch nahe und fernere Verwandte, die oft gar keine richtigen Kartoffeln sind, dort, wo sie angebaut werden, aber ganz ähnlich zubereitet werden. Maniok, Taro, Topinambur nennt Carola Ruff als Beispiele. Auch die gibt es da und dort im Handel. Man kommt also mit dem Büchlein auch wieder auf Gedanken zum Ausprobieren.

Was man mit der Kartoffel selbst alles anstellen kann, das wird dann in dutzenden Rezepten noch einmal durchexerziert. Die meisten kennt man, wenn man mit vernünftigen Eltern aufgewachsen ist, die noch selbst gekocht und gebraten haben. Da weiß man, wie man Pellkartoffeln, Kartoffelstampf, Bratkartoffeln und ein ordentliches Bauernfrühstück herstellt. Wie wenig aufwendig das eigentlich ist und wie lecker und wohlmundend am Ende, wenn man sich von seinem Dudelfon nicht ablenken lässt und alles anbrennt.

Und kombinieren kann man die Kartoffelspeise ja bekanntlich mit jedem Gemüse, das sonst noch so in unseren Gärten wächst. Mit Fleisch sowieso, da ja bekanntlich erst ein „ordentliches Stück Fleisch“ aus einem Kartoffelgericht ein „Gericht nach Hausmacherart“ macht.

Aber dabei bleibt es natürlich in diesem Appetitmacherbuch nicht, denn wer schon mal angefangen hat, der kann dann auch gleich mit Rösti, Kartoffelsalat und den durchaus exotischen Runzligen Kartoffeln weitermachen. Und wie zu erwarten war, taucht auch hier wieder ein Rezept zu den deutschlandweit beliebten Variationen von „Himmel und Erde“ auf.

Und am Ende erfährt man auch noch, dass man aus Kartoffeln auch noch Puffer, Klöße und Nudeln machen kann – Gnocchi und Schupfnudeln zum Beispiel. Man merkt schon: Als die Europäer vor 300 Jahren (manche auch früher) lernten, dass man die Knolle aus der Scholle essen kann, haben sie fortan auch alle Phantasie darauf verwendet, die Kartoffel in alles Mögliche zu verwandeln. Wer Kartoffeln in seinem Speiseplan hat, dem wird es niemals langweilig. Der hat auch nicht das Gefühl, er äße immer dasselbe – außer, er ist ein armes Schwein und wird mit den Ergebnissen aus diversen Betriebsküchen und Schulspeisungen konfrontiert.

Dann kann man sich ja meist wieder in die preußischen Bauern hineinversetzen, die vor ihrem Teller sitzen und murren: „Es ich nich. Sieht wie Bäh aus.“

Was auch eine Kunst ist: Aus der Kartoffel Gerichte zu machen, die wie Bäh aussehen und wie Bäh schmecken. Aber das war jetzt ein Seitenabstecher, auch im Interesse all derer, die Kartoffeln eigentlich in allen Variationen lieben. Und wer die Variationen noch nicht kennt, der bekommt mit diesem Büchlein einen Einblick in die Welt der Erdbirne, die die Amerikaner schon anbauten, als die Europäer noch mit Hirse und Haferschleim vorlieb nehmen mussten.

Carola Ruff Kartoffeln, vielseitig & beliebt, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2018, 5 Euro.

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