Es gibt eine Menge Dinge in dieser Welt, die gehören zwar zum Alltag – aber wie sie wirklich funktionieren, wissen wir oft gar nicht. Und stehen dann als große Leute bedeppert da, wenn Kinder ihre herrlichen Warum-Fragen stellen. Das hat auch damit zu tun, dass uns immer mehr Technik umgibt, deren Funktionsweise mit dem gewöhnlichen Alltagswissen nicht erklärt werden kann. Da helfen dann die großen Erklärbücher der „Bilderbande“, die seit zehn Jahren im Leipziger E. A. Seemann Verlag erscheinen.

Zum Jubiläum gibt es gleich ein ganz großes Thema: das Internet. Geboren ist es quasi im Kopf eines Mannes namens Tim Berners-Lee vor über 30 Jahren. Das klingt viel. Kaum noch vorstellbar, dass es davor eine Zeit ohne Internet gab. Obwohl die Idee schon lange herumgeisterte und sich kluge Leute darüber schon Gedanken gemacht haben, als die notwendige Technik noch nicht einmal erfunden war.

Wie erzählt man das? Wo fängt man an?

Prof. Dr. Larissa Suzuki fängt bei Charles Babbage an, der 1837 seine Rechenmaschine „Analytical Engine“ entwarf. Denn ohne Rechenmaschinen ergibt das Internet natürlich keinen Sinn. Und ohne die vielen blitzschnellen Rechenoperationen in diesen Maschinchen schon gar nicht, die noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Größe von Eigenheimen erreichten und eigentlich nur von Regierungen finanzierbar waren.

Mit dem Internet ins Weltall?

Die Geschichte des Internets ist zum größten Teil die Geschichte der Computer und der Computer-Sprachen, an denen auch berühmte Frauen ihren Anteil hatten – so wie Grace Hopper, die die Programmiersprache Cobol entwickelte. Stück für Stück zeigt Larissa Suzuki, wie die einzelnen Bauteile des künftigen Internets entstanden und in den 1960er Jahren die ersten Versuche starteten, Rechenmaschinen miteinander kommunizieren zu lassen.

Natürlich wird dabei auch ihre Sichtweise auf das Internet und seine Funktionsweise sichtbar. Denn sie ist für Google und für die NASA tätig. Seit 2020 arbeitet sie daran, das Internet auch in den Weltraum zu bekommen, nicht nur auf die Raumstation ISS, wo es heute schon verfügbar ist, sondern auch auf Mond und Mars.

Klingt einfach. Hat aber spätestens bei der Reise zum Mars ein veritables Problem, denn selbst wenn sich Funkwellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, brauchen sie von der Erde bis zum Mars zwischen 7 und 40 Minuten. Der Effekt, den alle Internetnutzer auf der Erde erleben, dass eine einmal abgesendete Nachricht binnen Bruchteilen von Sekunden überall auf der Erde empfangen werden kann, funktioniert dann nicht.

Aber die Entwickler sind sich sicher, dass es demnächst also auch ein Space Wide Web geben wird. Derweil entwickelt Larissa Suzuki eine Technologie, „mit der Raumfahrzeuge per Sprachsteuerung bedient werden können“.

Das verrät dieses Buch am Ende, nachdem sie die kleinen und großen Leser mitgenommen hat in die Computergeschichte, die rasant wachsende Leistungsfähigkeit von Transistoren, die Entwicklung der Protokolle, mit denen adressierte Datenübertragung im Internet überhaupt erst möglich wurde und jene regelrechte Explosion des neuen Mediums ab den 1990er Jahren, dessen Bestandteile heute für die Nutzer so selbstverständlich sind.

Vom E-Mail-Verschicken über das Hochladen und Anschauen von Videos, das Anlegen von Blogs und Websites bis hin zu den ganzen Nutzungen, die man selbst auf dem tragbaren Computer in der Hosentasche abrufen kann, dem Smartphone, auf das gefühlt die Hälfte aller Leute auf der Straße starrt, weil sie da mit ihren Kumpels reden, Nachrichten scrollen oder Spiele spielen.

Die Feinde des Internets

Aber auch die Funktionsweise von Suchmaschinen (und ihre dringende Notwendigkeit) deutet die Autorin an, genauso wie die Gefahren des Surfens im Internet, bei dem man, wenn man nicht aufpasst, auch in den finstersten Ecken landen kann. Aber da das Ganze auch kindgerecht sein soll, wurden all die kleinen Datenpakete zu „Alles Punkt com“ und „Technisches Know-how“ nicht mit technischen Bildern illustriert, sondern mit witzigen Grafiken von Harriet Russell, durch die auch eine große, altkluge Spinne krabbelt (während auf den Seiten 34 und 35 allerlei Tiere das Internet anknabbern, anbohren und damit dann oft genug einen Ausfall des Netzes verursachen).

Wobei man an dieser Stelle die menschlichen Übeltäter vermisst, die im Internet noch viel mehr Schaden anrichten als alle Tiere. Aber damit wollte Larissa Suzuki die Kinder wohl nicht erschrecken, ermahnt sie lieber dazu, ihre Daten zu schützen und entsprechende Sperren zu installieren oder von den Eltern installieren zu lassen.

Es ist ja nun leider so: Es gibt da draußen – und eben auch im Internet – eine Menge Verbrecher und Bösewichte, die die Segnungen der genialen Technik missbrauchen. Aber Suzuki geht es eben mehr um die Segnungen, um das Funktionieren von Streaming, die Leistungsfähigkeit der Datenautobahnen, die Vernetzungen mit modernen smarten Geräten, selbst die Funktionsweise von kontaktlosem Bezahlen und die Arbeitsweise von Bluetooth, die es ermöglicht, dass man mit strippenlosen Kopfhörern durch die Welt spazieren kann.

Da geht es dann um Wellen, Funklöcher, Basisstationen und das Erschrecken von Leuten, die mit ihrem Smartphone in den Bergen auf einmal keinen Empfang mehr haben. Da können sich die Kinder mit ihren Eltern also Seite für Seite hineinarbeiten in die Welt des Internets, die heute Milliarden Menschen miteinander verbindet.

Scheinbar ganz mĂĽhelos, wie von Zauberhand. Obwohl aufmerksame Kinder hinterher wissen, dass hier nicht gezaubert wird, sondern lauter kleine und groĂźe Rechenmaschinen immerfort dabei sind, alles, was Menschen sich so ausgedacht haben, in Datenpakete zu verwandeln, die durch Kupfer- oder Glasfaserleitungen durch die Welt geschickt werden und sich am Ende wieder in Bilder, Filme oder Omas herzliche GrĂĽĂźe verwandeln.

Ăśberall vernetzt

Da wird es für die Kinder eher märchenhaft, wenn die Großeltern aus ihrer Jugendzeit berichten, als man noch zur nächsten Telefonzelle laufen musste, wenn man jemanden anrufen wollte. Wir haben uns ja längst an dieses Gefühl gewöhnt, jederzeit und überall durch einen riesigen Datenstrom zu schwimmen, immerfort erreichbar und vernetzt zu sein.

Und dann heftig ratlos dazustehen, wenn das Internet dann doch mal ausfällt, weil ein Waschbär die Leitung durchgenagt hat oder eine etwas übereifrige Oma mit dem Spaten beim Tiefergraben einfach für Kabelsalat gesorgt hat. Kommt alles vor. Und trotzdem ist dieses die ganze Erde umspannende (und auch über Satellit verbreitete) Internet fester Bestandteil unseres Alltags und verändert ihn fortwährend.

Ohne dass wir jetzt tatsächlich schon wissen, wie das Ganze in nur wenigen Jahren aussehen wird. Denn die unerhörte Beschleunigung gehört ebenfalls zu den Grundeigenschaften dieser Welt-Vernetzung.

Darüber darf man dann mit den Vorlesern zusammen nachdenken. Wobei es wohl wirklich gut ist, alles stückweise zu lesen, sonst brummt einem dann der Kopf. Zu viele Daten, könnte man da sagen. Also kurz mal den Pausenknopf drücken und eine große Schale Müsli futtern, bis auch Papa oder Mama wieder fit sind für die nächsten zwei bis vier Seiten.

Und die garantiert aufploppenden Fragen Warum, Wieso und Wie funktioniert das? Wenn man das Buch langsam gemeinsam durcharbeitet, lernt man eine Menge darüber. Und das kann ja nicht schaden in einer Welt, in der immer mehr Dinge um uns herum vernetzt sind und das Wörtchen „Digitalisierung“ Politikern die Köpfe rauchen lässt.

Larissa Suzuki, Harriet Russell „Das Internet“ E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2025, 20 Euro.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar