Kaum ein Wort lieben Kinder mehr als das Wort Warum. Sie können den Erwachsenen regelrecht Löcher in den Bauch fragen und haben auch noch richtig Spaß dabei. Kinder sind von Natur aus neugierig. Und Erwachsene oft genug ratlos. Und so legte der E. A. Seemann Verlag vor zehn Jahren eine eigene Serie extra für Kinder auf: die „Bilderbande“.
Darin erscheinen lauter Sachbücher für Kinder zwischen 4 und 12 Jahren. Zu allen möglichen Wissensgebieten. Selbst zu solchen, bei denen man denkt: Weiß doch jedes Kind! Zum Schlafen zum Beispiel. Obwohl: Wer will denn jetzt schon ins Bett?
Manchmal sind es Titel, die aus anderen Ländern übernommen werden – so wie auch dieser hier zum Schlafen. Da denkt man ja wirklich: Schlafen ist ganz einfach. Legt man sich eben ins Bett und macht die Augen zu. Aber so einfach ist es nicht. Zum Glück, werden nicht nur Kinder sagen, die meist selbst schon ihre Erfahrungen gesammelt haben mit dem Müdesein und dem Nicht-Schlafen-Können, mit schönen und schlimmen Träumen und Dingen, die einem im Kopf herumwuseln, obwohl man eigentlich nur schlafen will. Also doch Schäfchen zählen?
Das kann man mit diesem Buch. Es sind dutzende Schäfchen darin versteckt. Es stecken aber auch Fledermäuse drin, Bären, Igel und Siebenschäfer. Also Tiere, die sich mit Schlafen richtig gut auskennen. Die einen schlafen kopfüber hängend von der Decke, die anderen gleich mal elf Monate am Stück. Womit man schon eins erfährt, was einem meist keiner sagt: Auch die Tiere schlafen. Manche sogar im Flug wie die Mauersegler, manche mit einem offenen Auge.
Wie funktioniert das eigentlich?
Dass neben den vielen Schäfchen auch so viele Tiere ins Buch gefunden haben, hat natürlich auch ein bisschen damit zu tun, dass Cathy Evans Tierärztin ist in Bournemouth, England. Aber natürlich hat es auch damit zu tun, dass sie zeigen will, dass Schlaf in der ganzen Tierwelt vorkommt und wichtig ist. Auch die Gehirne der Tiere müssen sich ausruhen und neu sortieren. Und wer seinen Hund oder die Hauskatze kennt, der weiß: Die schlafen genau so gern und scheinen auch genauso wild zu träumen wie wir Menschen.
Es ist schon ein bisschen Wissenschaft. Muss es auch sein. Denn was da im Schlaf in unserem Kopf passiert, das haben Wissenschaftler in den letzten hundert Jahren erforscht. Und so wird es auch bei den Erklärungen, wie Schlaf funktioniert, ein bisschen wissenschaftlich, erfahren die kleinen Knirpse, die sich das Buch vorlesen lassen, auch gleich was über Hormone – und zwar die beiden für den Schlaf wichtigsten.
Die da wären: Melatonin und Cortison. Wenn man so ein bisschen versteht, wie die funktionieren, bekommt man auch eine Ahnung, warum manchmal das Einschlafen nicht funktioniert und wie viel man falsch machen kann, wenn es ums Schlafen geht.
Wovor auch die Erwachsenen nicht gefeit sind. Diese „Bilderbande“-Bücher sind eben auch Lernstoff für große Leute. Die manchmal glauben, das, was für die Kleinen gilt, spiele für sie keine Rolle mehr. Und die dann bis zum Schlafengehen noch auf Handy starren, wilde Filme gucken, sich kiloweise Snacks in den Mund stopfen oder einfach die Arbeit mit nach Hause nehmen und bis Mitternacht am Bildschirm hängen.
Und sich dann wundern, dass sie nicht schlafen können. Nicht runterkommen in die REM-Phase, in der sich nicht nur das Gehirn in unseren Köpfen erholt, sondern der ganze Körper: unsere Muskeln, unser Herz, unsere Nieren usw.
Die Zeit der Träume
Von der REM-Phase ganz zu schweigen, die quasi das Sahnehäubchen auf unserem Schlaf ist. Denn dann träumen wir. Die meisten bunt und wild und aufregend. Weshalb es in diesem Buch natürlich auch einige Seiten zum Träumen gibt, über falsche und richtige Vorstellungen vom Träumen. Und auch ein bisschen was über die Bedeutung von Träumen.
Auch wenn unser Gehirn in dieser Zeit wahrscheinlich wirklich nur groß aufräumt und sortiert und alles, was am Vortag so an Gedankensalat zusammenkam, durchsucht, ob irgendwas Gescheites dabei was, das unbedingt in den Speicher muss (Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis), oder irgendetwas Schreckliches, mit dem man noch fertigzuwerden hat. Manchmal liegt die Lösung ja tatsächlich im Schlaf.
Auch das kennt ja jedes Kind: Man träumt richtig wild, wenn’s auch am Vortag richtig wild zugegangen ist. Oder es richtig Ärger gab oder man was ganz Blödes erlebt hat.
Aber Cathy Evan hat dazu keine ellenlangen Texte geschrieben, sondern lauter kleine, die die vielen kleinen Dinge erklären, die man rund um Schlaf und Traum wissen kann.
Stefanie Brägelmann hat sie ins Deutsche übersetzt. Und Polya Plavonskaia hat die ganzen kleinen Texte in lauter bunten Bildern platziert, in denen man mal die schlafende Stadt sieht (mit ein paar schlaflosen Leuten am Fenster), mal lauter schlafende Tiere, mal träumende Kinder, mal auch lauter Nachtgespenster – nämlich dann, wenn es um Albträume und Nachtschrecks geht, die man ja nun leider auch kennenlernt in seinem Kinderleben. Aber sie haben nun einmal wenig mit wirklichen Gespenstern zu tun, sondern mit dem, was im eigenen Kopf passiert in der Nacht.
Cathy Evans versucht, das alles zu erklären – manchmal ein bisschen wissenschaftlich. Da gibt es also viele Stellen für das Warum und Wieso. Aber man lernt eine Menge dabei über den eigenen Schlaf (und was man da alles falsch machen kann) und den Schlaf von Elefanten, Walen und Bienen.
Nur nicht über den von Schafen, die sich praktisch auf jeder Seite verstecken. Nur wird man nicht müde dabei, wenn man sie zählt, sondern erst richtig munter. Aber das ist ja wieder gut für dieses Buch. Hinterher weiß man so viel übers Schlafen, dass man praktisch nur noch auf Ausschau ist, ob man irgendwo ein pelziges oder gefiedertes Wesen dabei ertappt, wie es gerade fröhlich vor sich hinschnarcht.
Cathy Evans, Polya Plavinskaia „Warum schlafen wir?“ E.A. Seemann Verlag, Leipzig 2025, 20 Euro.
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