Nein, nicht nur in Sachsen glänzten die verantwortlichen Ministerien und Behörden jahrelang durch Untätigkeit. Die Null-Politik zur Reinhaltung der Gewässer galt genauso in anderen Bundesländern und auf Bundesebene. Das Ergebnis: Die Wasserqualität hat sich aufgrund hoher Belastungen nicht verbessert. Und zum Weltwassertag am 22. März stellen Leipziger Umweltforscher der deutschen Umweltpolitik ein ganz schlechtes Zeugnis aus.

Am 6. März, als im Landtag über die Nitratmessungen in Sachsens Wasserkörpern diskutiert wurde, fuhren sogar noch Bauern nach Dresden, um vor dem Landtag zu demonstrieren. Sie wissen zumeist, dass die Überdüngung ihrer Felder Teil des Problems ist.

Aber sie kommen aus der Klemme nicht heraus, die ihnen eine Billigproduktion für die großen Einzelhandelsketten aufzwingt. Erst wenn die Preise für Landwirtschaftsprodukte wieder einen anständigen Wert erreichen und Bauern auf die Intesivbewirtschaftung von Vieh und Feldern verzichten können, wird sich die Lage bessern.

Doch weder Bund noch EU machen Anstalten, diesen Raubbau an den ökologischen Gütern zu beenden. Deshalb werden auch die neuen Zahlen zur Wasserrahmenrichtlinie, die jetzt ermittelt werden, nicht besser aussehen als die von 2015.

Am 22. März rufen die Vereinten Nationen alljährlich den Weltwassertag aus. „Wasser und Klimawandel“ heißt das Motto in diesem Jahr. Es soll darauf aufmerksam machen, wie eng die Themen Wasser, Natur und Klimawandel miteinander verbunden sind. Doch wie ist es 2020 um die Wasserqualität in Deutschland bestellt? Welche Quellen sorgen für Verschmutzung? Welche Folgen haben menschliche Einflüsse? Wie kann der ökologische Zustand unserer Gewässer verbessert werden?

Vier Fragen – vier kurze Antworten der Wasserexperten des Umweltforschungszentrums (UFZ) Dietrich Borchardt, Markus Weitere und Karsten Rinke.

Wie bewerten Sie den ökologischen Zustand der deutschen Flüsse und Seen sowie des Grundwassers?

Der ökologische Zustand unserer Gewässer wird im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie regelmäßig erfasst, zuletzt 2009 und 2015. In diesem Zeitraum ist der Anteil der Oberflächengewässer, die in einem „guten Zustand“ oder „sehr guten Zustand“ sind, leicht gesunken und lag 2015 bei unter 10 Prozent. Eine Verbesserung gab es lediglich dahingehend, dass der Anteil der Gewässer, die in einem „schlechten“ Zustand sind, in dem Zeitraum auf unter 20 Prozent gesunken ist. Die Mehrheit von etwa 70 Prozent befindet sich genau dazwischen – in mäßigem bis unbefriedigendem Zustand (siehe UBA-Bericht Seite 18).

Der Zustand der Grundwasserkörper – hier wird der mengenmäßige und der chemische Zustand unterschieden – hat sich von 2009 bis 2015 kaum geändert. Der mengenmäßige Zustand ist in rund 97 Prozent der Grundwasserkörper „gut“. Der chemische Zustand wird insbesondere aufgrund der Belastung durch Nitrat in über 36 Prozent der Grundwasserkörper in Deutschland als „schlecht“ bewertet.

In 23 Prozent der Grundwasserkörper mit einem „schlechten chemischen Zustand“ wurden weiter steigende Schad- und Nährstoffgehalte ermittelt. Sinkende Schadstoffgehalte konnten im letzten Bewirtschaftungszeitraum bei lediglich 4 Prozent erreicht werden (siehe UBA-Bericht Seite 21). Grundwasser ist jedoch nicht der Endpunkt von Nährstoffeinträgen, sondern ein wichtiger Reaktor und Transmitter, der maßgeblich die Menge und die Dynamik von Nährstoffausträgen in Flüsse und letztlich auch Meere steuert.

Welche Quellen sind für Verschmutzung von Binnengewässern und Grundwasser vor allem verantwortlich?

Die wenigen Grundwasserkörper, in denen der mengenmäßige Zustand „schlecht“ ist, sind zumeist durch Bergbauaktivitäten belastet. Für die Grundwasserqualität sind die Nitrat- und teilweise auch die Pestizidbelastung aus der Landwirtschaft als größtes Problem anzusehen.

In Oberflächengewässern sind eine größere Zahl von Belastungsursachen verantwortlich für den „mäßigen“ bis „schlechten“ ökologischen Zustand – man spricht von „multiplen Stressoren“. Dazu gehören u. a. die flächendeckenden Begradigungen der Fließgewässer, Abflussveränderungen, Stauanlagen, degradierte Flussauen sowie die Nährstoffbelastung durch Stickstoff (insbesondere Nitrat aus der Landwirtschaft) und Phosphor (insbesondere aus häuslichen Abwässern), welche zu einem verstärkten Algenwachstum führen, der sogenannten Eutrophierung. Auch Chemikalien können die Gewässerökosysteme negativ beeinflussen. Quellen für problematische Chemikalien sind u. a. die Landwirtschaft, städtische und industrielle Abwässer und Altlasten.

Welche Folgen haben direkte und indirekte menschliche Einflüsse wie der Klimawandel für die Gewässerökosysteme?

Die Folgen der direkten und indirekten menschlichen Einflüsse auf aquatische Ökosysteme sind sehr komplex. Allgemein gesagt, führt die Summe der Einflüsse zu einer Veränderung von Lebensgemeinschaften und damit zu einer Gefährdung der Biodiversität sowie zu einer Veränderung des Stoffhaushaltes von Gewässern.

In Fließgewässern kommt es hierdurch zum Beispiel zu ausgeprägten Niedrigwasserperioden, in denen die Wassertemperaturen ungewöhnlich hohe Werte erreichen und sensible Arten an ihre Toleranzgrenzen kommen. Durch die milderen Winter können sich neue Arten stabil etablieren, die früher eigentlich nur in wärmeren Regionen vorkamen.

In Seen verlängert die Erwärmung die Dauer der Schichtung durch einen früheren Beginn im Frühjahr und die spätere Auflösung im Herbst. Die begrenzten Sauerstoffvorräte im Gewässer müssen somit längere Zeiträume überbrücken und das Risiko der vollständigen Sauerstoffzehrung steigt. Dadurch wird Fischsterben wahrscheinlicher.

Überdüngt: Das Wasser der Weißen Elster. Foto: Marko Hofmann
Überdüngt: Das Wasser der Weißen Elster. Foto: Marko Hofmann

Der Klimawandel verstärkt schließlich die ohnehin schon vorhandenen Probleme durch häufigere, längere und stärkere hydrologische Extreme wie Hitze- und Dürreperioden sowie Starkniederschläge und Hochwasser. So konnten wir am UFZ zeigen, dass im Zuge der Hitze- und Dürresommer 2018/19 sowohl das Fischsterben aufgrund von Sauerstoffzehrung als auch das Auftreten von potenziell toxischen Blaualgenblüten gegenüber den Vorjahren zunahmen. In internationalen Studien ist dokumentiert worden, dass sich die Auswirkungen der Eutrophierung und der Klimaänderung gegenseitig verstärken.

In einem wärmeren Klima werden wir also unsere Schutzziele für prioritäre Gewässer deutlich verschärfen müssen. Selbstverständlich beeinflussen die Veränderungen der Gewässer auch ihre Nutzung. In den großen Flüssen fehlt z. B. das Wasser für Schifffahrt und Kühlwasserbedarf, in den Seen müssen infolge von Cyanobakterien-Massenentwicklungen Badeverbote ausgesprochen werden.

Welche Maßnahmen könnten den ökologischen Zustand der deutschen Gewässer verbessern?

Es ist ein sehr viel konsequenterer Gewässerschutz in verschiedenen Bereichen gefragt. Der reicht von der Renaturierung veränderter Gewässer und deren Randbereiche, über die Reduktion von Nährstoffüberschüssen in der Landwirtschaft, dem Austausch von problematischen Chemikalien bis zur Aufgabe nicht nachhaltiger Gewässernutzungen.

Und es muss unter den Bedingungen des Klimawandels darum gehen, die Resilienz des Wasserkreislaufs, von Gewässerökosystemen und Wasserinfrastrukturen für die Zukunft zu erhöhen. Das heißt sie sollten so gestaltet werden, dass sie zusätzliche Störungen, wie sie etwa durch den Klimawandel zu erwarten sind, abpuffern können.

Für gute, das heißt, wissensbasierte Entscheidungen ist eine solide Kenntnis der zu erwartenden Änderungen notwendig. Hier existieren noch erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Entwicklungspfade des Klimas bis zum Ende dieses Jahrhunderts sowie bezüglich der Auswirkungen der Klimaveränderungen auf den Landschaftswasserhaushalt und den Zustand aquatischer Ökosysteme.

Für die Ableitung konkreter Maßnahmen und nachhaltiger Managementpläne (sowohl hinsichtlich Wassermenge als auch hinsichtlich Wasserqualität), ist es deshalb wichtig, zeitnah wissenschaftlich fundierte Vorhersagen zu erarbeiten. Dazu gehören auch neuartige und zuverlässige Frühwarnsysteme auf Basis von Langfristwettervorhersagen, Satellitenfernerkundung und modernsten Umweltmodellen.

Altmedikamente werden auch in sächsischen Grundwasserkörpern immer öfter nachgewiesen

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