Ganz mutig schienen CDU und SPD zu sein, als sie im Oktober in ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag schrieben: "Wir ersetzen jede Lehrerin und jeden Lehrer, die aus dem Schuldienst ausscheiden, 1:1 und tragen dem Anstieg der Schülerzahlen, den deutlich gestiegenen Ausbildungsverpflichtungen der Schulen und dem erhöhten Bedarf für die schulische Inklusion angemessen Rechnung. In dieser Legislaturperiode werden wir mindestens 6.100 neue Lehrerinnen und Lehrer unbefristet einstellen.”

Das Wörtchen “mindestens” ist wichtig. Denn 6.100 neue Lehrerinnen und Lehrer in fünf Jahren, das könnte knapp reichen. Das entspräche etwa der Zahl von Lehrerinnen und Lehrern, von denen das Kultusministerium heute schon weiß, dass sie bis 2019 in den Ruhestand gehen: 6.129 genau.

Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) weiß dabei auch recht genau, wie groß die Unsicherheit bei diesen Zahlen ist. Nicht nur, was das “vollendete 63. Lebensjahr” betrifft, mit dem die Lehrpersonen rein rechnerisch in Ruhestand gehen. Viele Lehrerinnen und Lehrer scheiden früher aus. Die meisten gehen schon Jahre vorher in Altersteilzeit, so dass schon heute tausende Lehrer keine Vollzeitstelle mehr besetzen. Was unter anderem dazu führt, dass tausende Unterrichtsstunden ausfallen, weil zwar rechnerisch die Zahl der Lehrkräfte reicht – faktisch aber nicht.

Rein rechnerisch schleppt Sachsen schon seit 2013 eine Differenz von rund 1.500 Lehrerstellen mit sich, die dadurch entsteht, dass Vollzeitäquivalente eben keine kompletten Lehrer sind.

Auch das wird sichtbar in der Anfrage, die die Abgeordnete der Linksfraktion Cornelia Falken an die Staatsregierung gestellt hat. Von den Lehrerinnen und Lehrern, die im Schuljahr 2014/2015 ganz offiziell in Ruhestand gehen, arbeitet mehr als die Hälfte längst in Altersteilzeit: Auf 636 Vollzeitäquivalente kommen 1.211 Personen. Es gehen also 1.211 Personen in Ruhestand – aber nur 636 Stellen werden frei.

Zugegeben, das ist jetzt etwas reduziert und vereinfacht dargestellt. Auch jüngere Lehrer haben ein Recht auf Teilzeit.

Es müssen also deutlich mehr Lehrer eingestellt werden, als rechnerische Vollzeitstellen frei werden. Das, was die letzte schwarz-gelbe Landesregierung in Sachsen bis zuletzt versucht hat. Da kommt man dann auf die so schön kleingerechneten 415 Vollzeitäquivalente für 2014, bei denen sich dann schon am Ende des Schuljahres 2013/2014 herausstellte, dass das hinten und vorne nicht reicht.

Eltern, Schüler und Lehrer werden sich an die hektischen Verhandlungen in Dresden im Sommer 2014 erinnern, als Kultusministerin Brunhild Kurth dem Finanzminister Georg Unland (ebenfalls CDU) noch einmal 175 unbefristete Neueinstellungen aus dem Kreuz leierte. Was auch wieder 40 zu wenig waren. Mindestens.

Ob das jetzt so bleibt und auch in den nächsten Jahren immer wieder nur knapp unter Unterkante eingestellt wird (und die tatsächliche Lücke beim Lehrpersonal immer weiter aufreißt), ist noch offen. Im Koalitionsvertrag steckt ja auch das Versprechen, mit dieser seltsamen “Effizienz”-Praxis (nur einstellen, was tatsächlich nötig ist) Schluss zu machen.

Aber das müssen CDU und SPD noch klären. Es stünde zwar im Koalitionsvertrag, so Brunhild Kurth, dass 6.100 Lehrkräfte bis 2019 eingestellt werden sollen. Aber das sei abhängig “von tatsächlichen Abgängen und der konkreten Bedarfssituation”.

Das klingt leider wieder nach “von der Hand in den Mund” und nicht nach einer verlässlichen, nachhaltigen Einstellungspolitik, mit der – zum Beispiel – die verantwortliche Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) dann die Lehrerausbildung für die Zeit in vier, fünf Jahren organisieren könnte. So lange dauert nun einmal ein Lehrerstudium.

Die Zahlen für die Lehrkräfte, die 2019/2020 in den Ruhestand gehen, hat man ja schon: 1.714. Ab 2017 geht das ja so richtig los mit dem verstärkten Abgang des längst überalterten Lehrkörpers in den Ruhestand.

Aber so richtig flott geht die aktuelle Regierung das Thema noch nicht an. “Derzeit laufen die entsprechenden Abstimmungen im Sächsischen Staatsministerium für Kultus”, erklärt Brunhild Kurth, also in ihrem Haus. “Laut Koalitionsvertrag ist das ‘Lehrerpersonalentwicklungskonzept 2020’ im Jahr 2015 vorzulegen.”

Sollte es erst im Herbst so weit sein, hat man wieder ein wichtiges Jahr zum Umsteuern verpasst.

Und was an den Zahlen auch noch fehlt: Es sind weder die steigenden Schülerzahlen eingerechnet noch der höhere Bedarf an Pädagogen für die Absicherung des Themas Inklusion.

Und die letzte Meldung aus dem Kultusministerium vom 20. Februar zum Thema: “Auch in diesem Schuljahr wurden zum 1. Februar 2015 wieder Lehrer neu eingestellt. Mit insgesamt 300 ist die Zahl der unbefristeten Neueinstellungen genau doppelt so hoch wie im Vorjahr. Auf diese 300 Stellen hatten sich bei der Sächsischen Bildungsagentur 880 Personen beworben.”

Kleine Anfrage von Cornelia Falken zum Einstellungsbedarf von Lehrkräften bis 2020 als pdf zum Download.

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