Wann beginnen Kinder eigentlich ihre Feinmotorik zu trainieren? Kann es sein, dass das schon vorm vollendeten 1. Lebensjahr beginnt und noch vorm vollendeten 3. Lebensjahr so richtig abgeht - wie die Post oder ein Feuerwerk? Die Verhaltensforscher werden es wissen, denn die Feinmotorik oder auch Kleinmotorik der Hände und Gliedmaßen wird auch von Wikipedia aufs Engste in Verbindung gebracht mit Begabungen fürs Leben.

Nicht ohne Grund haben wichtige Lernbegriffe mit unseren Händen zu tun, denn der Mensch lernt erst in zweiter Linie mit dem Kopf, in erster Linie lernt er mit den Händen, lernt zu erfassen, zu behandeln, zu begreifen. Was wir nicht fassen können, wird nicht zur Lernstruktur in unseren Köpfen. Und diese Grundfertigkeiten zum  Erfassen komplexer Sachverhalte (behalten, auch das hat mit der Hand zu tun), werden früh angelegt, sind wie eine Basis für alles andere, was später an konkreten Lerninhalten erlernt wird. Oder erlernt werden kann. Denn wenn die wichtigsten Fähigkeiten zum Begreifen komplizierter Dinge nicht angelegt sind, wird Lernen und Behalten in späteren Lebensjahren schwer.

Umso wichtiger ist, dass Kinder mit Eintritt in die Schule eine trainierte und ausgeprägte Feinmotorik haben. Die wird in den Schuleingangsuntersuchungen genau in Augenschein genommen. Und das Ergebnis ist, dass nach wie vor jedes fünfte untersuchte Kind in Sachsen beim Schuleintritt Probleme mit der Feinmotorik hat. 22,8 Prozent waren es 2013, etwas weniger als 2011, als 23,8 Prozent der Kinder mit diesem Befund auffielen.

Die sächsische Statistik zeigt aber auch, dass in einigen Regionen augenscheinlich erfolgreich versucht wurde, die Sache in den Griff zu bekommen. Möglicherweise spiegeln sich in den regional fallenden Zahlen auch die höheren Betreuungsquoten in den Kinderkrippen, eben da, wo die Unter-Dreijährigen nicht nur betreut, sondern auch beschäftigt und gefordert werden.

In Leipzig ist die Quote der Kinder, die mit Problemen in der Feinmotorik auffielen, in den zwei Jahren von 25,2 Prozent auf 21,1 Prozent gefallen. Besonders heftige Sorgen hatten 2011 noch Mittelsachsen, Chemnitz und der Landkreis Sächsische-Schweiz/Osterzgebirge, wo jedes dritte Kind bei der Einschulungsuntersuchung Probleme mit der Feinmotorik hatte. Alle drei Kommunen haben den Wert mittlerweile unter 30 Prozent drücken können. Eigentlich ist es keine körperliche Störung, auch wenn Ärzte den Befund machen. Je früher die fehlende (Finger-)Fertigkeit erkannt wird, umso besser kann man mit den richtigen Übungen gegengesteuern.

Aber in der Entwicklung des jungen Menschen hängen einige Dinge mit dieser frühen Geschicklichkeit zusammen, die man auf den ersten Blick nicht mit den Händen in Verbindung bringt. Aber die gedankliche Beweglichkeit korrespondiert aufs Engste mit der Geschicklichkeit der Hände, so dass auch Dinge wie Begabung, Können, Virtuosität und Präzision (auch im Denken) mit dieser früh ausgebildeten Fertigkeit der Gliedmaßen zu tun haben.

Und wie ist das mit dem anderen Teil der Beweglichkeit, der Grob- oder Großmotorik, bei der es vor allem um die Gewandheit und Beweglichkeit des ganzen Körpers in Aktion geht?

Auch hier scheint sich etwas zum Besseren zu wenden in Sachsen, möglicherweise auch durch die weiter ausgebaute Betreuung der Kinder im Kleinkindalter. Von 2011 bis 2013 fiel der Prozentsatz der Befunde von 14,1 auf 13,3 Prozent. In Leipzig stieg der Wert in dieser Zeit von 11,0 auf 13,2 Prozent an, liegt aber damit noch deutlich unterm Dresdner Wert von 17,1 Prozent. Würden die Werte nicht auch im Landkreis Meißen, im Vogtlandkreis und im Erzgebirgskreis höher liegen als in Leipzig, würde man ja vermuten können, dass die Sache mit der Grobmotorik ein Problem der Großstadtkinder ist, die weniger Platz zum Toben und Klettern in der freien Landschaft haben.

Aber dem scheint nicht so. Im Gegenteil. Der letzte Befund deutet darauf hin, dass Großstadtkinder sogar mehr Bewegung haben und wohl auch eine weniger fett- und zuckerreiche Ernährung. Denn bei den Adipositas- und Übergewicht-Werten liegen sowohl Dresden mit 5 Prozent als auch Leipzig mit 8,9 Prozent unter den sächsischen Werten. Dafür liegen der Vogtlandkreis und die Landkreise Meißen und Leipzig im zweistelligen Bereich. Leipzig hat zwar zahlenmäßig die meisten Kinder, die zur Schuleingangsuntersuchung ein krankhaftes Übergewicht, also Adipositas, bescheinigt bekommen: Die 146 Kinder, die hier 2013 gezählt wurden, machen 3 Prozent aller untersuchten Kinder aus, der sächsische Durchschnitt liegt bei 3,4 Prozent. Die drei genannten Landkreise kommen alle auf über 4 Prozent.

Das ist kein naturgegebener Wert, das beweist eindrücklich die Stadt Dresden, die augenscheinlich erfolgreiche Programme in ihren Kindertagessstätten laufen hat und die Adipositas-Quote auf 1,5 Prozent gedrückt hat. Auch die Quote der übergewichtigen Kinder ist nur halb so hoch wie im Landesdurchschnitt. Es ist also keineswegs naturgegeben, dass Kinder schon mit Übergewicht in die Schule kommen und dort spätestens im Sportunterricht Probleme bekommen.

Was sagen also die Befunde aus der Schuleingangsuntersuchung über eine mögliche Sonderrolle Leipzigs in der sächsischen Schullandschaft? – Gar nichts. Die Zahlen zeigen eindeutig, dass sich die Voraussetzungen der Kinder bei der Einschulung im Land nicht sonderlich unterscheiden, im Gegenteil, in den Großstädten sogar ein wenig besser sind als im Landesdurchschnitt (und – siehe Dresden – noch eine Ecke besser sein könnten).

Die Probleme, die dann zu gehäuften negativen Schulkarrieren in Leipzig führen, müssen also später beginnen.

Da machen wir dann morgen weiter an dieser Stelle.

Die Anfrage von Cornelia Falken zu den Schuleingangsuntersuchungen in Sachsen.

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