Wie machen sich eigentlich die vor vier Jahren von der damaligen Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer angewiesenen Stellenkürzungen in Sachsens Hochschulen bemerkbar? Zeigt sich überhaupt ein Effekt? Ja, sogar mehrere, denn jede Stellenstreichung hat Folgen - und am Ende leiden vor allem der wissenschaftliche Mittelbau und die Aushilfsjobs der Studierenden.

“Ende 2014 waren an den sächsischen Hochschulen (einschließlich Hochschulkliniken) 43.006 Personen beschäftigt”, meldete das Statistische Landesamt am 10. September die neuen Zahlen für 2014. “Das waren 0,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Von allen Mitarbeitern waren 22.403 weiblich.”

Und damit ging die Zahl der Hochschulbeschäftigten erstmals seit Jahren zurück.

Wobei immer zu bedenken ist: Gewachsen ist die Zahl der Hochschulangestellten über die Jahre vor allem in drei Bereichen: Einmal im Pflegebereich der Universitätskliniken, einmal im Aushilfsbereich der Studierenden und dann noch im Bereich der durch Drittmittel finanzierten Stellen. Im Pflegebereich nahm die Zahl der Angestellten auch 2014 weiter zu – von 3.599 auf 3.689.

Aber wie sieht es im eigentlichen Lehrbetrieb aus? Sachsens Statistiker haben sich da einen augenscheinlich positiven Punkt herausgepickt: “1.869 Professoren und 470 Professorinnen lehrten und forschten hauptberuflich,  das  sind 79  mehr als im Jahr 2013. Außerdem gab es 20 Juniorprofessorinnen und 46 Juniorprofessoren 2014 an Sachsens Hochschulen.”

Also wächst das wissenschaftliche Personal?

Nicht wirklich. Man merkt nur, wie die Hochschulen und Universitäten versuchen, wenigstens die zentrale Instanz der Professur zu bewahren – und damit die so wichtige Fächervielfalt. Doch der Professor / die Professorin ist praktisch nur das Scharnier, um das sich alles dreht. Um einen geordneten Lehr- und Forschungsbetrieb zu organisieren, braucht man eigentlich auch noch Dozenten und Assistenten – schon vor von Schorlemers Streichanweisung eine aussterbende Spezies. Damals gab es noch 157 von dieser Art, 2014 waren es nur noch 129. Also werden die wichtigen Lehraufgaben weiterdelegiert an den sogenannten Mittelbau, im Statistik-Chinesisch “wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter”. Das klingt nach Handtuchhalter und Tafelputzer. Aber tatsächlich sind das die Leute, die den Betrieb am Laufen halten und die dem Prof das zuarbeiten, was zum Beispiel in Forschungsprojekten alles gebraucht wird.

Weil aber die Hochschulen die Professuren lieber nicht liquidiert haben, waren sie durch die Schorlemer-Anweisung gezwungen, ans wissenschaftliche (Mitarbeiter-)Personal zu gehen. Und das ist unübersehbar 2014 erstmals auch zahlenmäßig geschrumpft: von 12.047 auf 11.881. Weniger wissenschaftliche Mitarbeiter, das heißt aber auch: Weniger (Neben-)Jobs für Studierende. Das sind die “wissenschaftlichen Hilfskräfte”, die seit 2012 die Statistik regelrecht aufgebläht haben, auch wenn die Studierenden meist nur Stunden- oder Projektjobs übernommen haben. Mit 8.784 erreichte die Zahl 2013 den Spitzenwert. 2014 ging die Zahl auf 8.663 zurück.

Noch auf Jahre werden die Hochschulen auf die hilfreichen Studies nicht verzichten können.

Aber es gibt noch eine weitere Stelle, an der sichtbar wird, wie sich die Stellenstreichungen im offiziellen Stellenplan auswirken – um den es ja die ganze Zeit geht. Die angewiesenen Kürzungen bezogen sich nie auf die Gesamtzahl von damals noch 39.554 Hochschulbeschäftigten, sondern auf den offiziellen Stellenplan. Mit dem die Hochschulen übrigens auch 2011 schon versucht haben, kreativ umzugehen, indem Vollzeitstellen in Teilzeitstellen aufgesplittet wurden.

Das fällt nicht sofort auf, weil man von der sächsischen Landesregierung eher mutige Rechnereien mit Vollzeitäquivalenten gewohnt ist. Aber es macht eben einen gewaltigen Unterschied, ob man 1.000 Stellen in Vollzeit mit 1.000 Leuten besetzt oder mit nur rechnerischen 1.000 Vollzeitäquivalenten, die sich dann vielleicht aus 500 Leuten mit einem vollen Vertrag zusammensetzen, aber 800 haben nur einen Teilzeitvertrag. So wie das Wissenschaftsministerium rechnet, sind so aus 1.000 Stellen 1.300 geworden. Ohne einen müden Euro mehr.

Doch statt diese, aus der Not geborene, Kreativität der Hochschulen zu würdigen, hat die damalige CDU/FDP-Regierung die Streichung von insgesamt 1.046 Vollzeitstellen verfügt. Was augenscheinlich den Druck auf die Hochschulen erhöht hat, noch mehr Vollzeitstellen in Teilzeitstellen aufzusplitten, damit der Studiengang nicht ganz zusammenbricht. Also stieg die offizielle Stellenzahl im Stellenplan von 8.559 im Jahr 2011 auf 9.414 im Jahr 2013. 2014, dem Jahr, als die Hochschulleitungen dann die ersten Ergebnisse melden mussten, wird nun sichtbar, wie die “aus dem Stellenplan finanzierte” Stellenzahl auf 9.085 absackte. Man muss kein Prophet sein, um denselben Effekt auch für 2015, 2016 und 2017 zu erwarten. Oder mal so gesagt:

Die große Not an den Hochschulen beginnt gerade erst.

Denn das einzige Mittel, die rigide Kürzungsanweisung (immerhin ging es um fast jede achte Stelle im Stellenplan) irgendwie auszugleichen, hat sich erschöpft. Jahrelang haben Sachsens Hochschulen geglänzt beim Einwerben von Drittmitteln. Das heben auch die Statistiker noch einmal lobend hervor: “29 Prozent der Beschäftigten (12.577) an den sächsischen Hochschulen wurden 2014 aus Drittmitteln finanziert.”

Ein Blick auf das aus Drittmitteln finanzierte wissenschaftliche Personal zeigt: Dessen Zahl ist vom Spitzenwert 10.982 im Jahr 2013 abgesackt auf 10.250. Was zum einen bedeutet: Die Grenze bei der Akquise von Drittmitteln ist erreicht, die Landesregierung rechnet zu unrecht damit, dass es den Hochschulen gelingt, immer neue und noch mehr Drittmittelprojekte einzuwerben.

Und der andere Aspekt dabei ist: Auch zur Akquise von Drittmitteln braucht man geschultes Personal. Denn da ruft man nicht einfach mal bei einer Forschungsgemeinschaft an und handelt einen Deal aus. Man muss ausgefeilte Bewerbungen für jedes einzelne ausgeschriebene Projekt schreiben und kann nur mit einer Chance rechnen, wenn die Bewerbung mit den besten Bewerbungen der besten deutschen Hochschulen konkurrieren kann. Wenn man aber Stellen streicht, hat man einfach weniger Leute, die professionelle Projektbewerbungen schreiben können. Die Katze beißt sich in den Schwanz. Die Kürzungspolitik – die ja nach dem Willen der aktuellen Regierung bis 2016 weitergehen soll – sorgt dafür, dass noch viel mehr Stellen verloren gehen als eigentlich gedacht.

Die Zahlen aus dem Sächsischen Landesamt für Statistik.

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