Es ist schon eine spannende Frage, die die Grünen im Sächsischen Landtag derzeit umtreibt: Opfert der Freistaat die Qualität seiner Schulen, um die Löcher zu stopfen, die er mit seiner Einstellungspolitik erst gerissen hat? Und ist die zuständige Ministerin schon so verzweifelt, dass sie einfach ein paar Regeln außer Kraft setzt? - Ein Antrag soll's richten.

Im September 2015 hatte Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) eigenmächtig entschieden, die externe Evaluation sächsischer Schulen auszusetzen, obwohl dieses Element der Qualitätssicherung und -entwicklung im Schulgesetz verankert ist. Darüber berichtete die “Sächsische Zeitung” am 30. September 2015 auf Seite 6: “Ich löse – vorübergehend – den Bereich Externe Evaluation auf“.

Der Bereich am Sächsischen Bildungsinstitut, der mit dieser Aufgabe betraut war, wurde aufgelöst – vorübergehend, wie es hieß. Die verbliebenen Lehrkräfte, die in der externen Evaluation tätig waren, sollten vor die Klassen zurückgeholt werden, um die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten.

In einem Antrag fordert die Landtagsfraktion der Grünen nun, dass die Staatsregierung Farbe bekennt und Stellung bezieht. Sie soll berichten, welche Instrumente und Maßnahmen der Qualitätssicherung und -entwicklung dem gesetzlichen Auftrag Genüge tun und wann und in welcher Form die externe Evaluation wiederaufgenommen werden soll. Der Antrag steht am heutigen Mittwoch, 3. Februar, auf der Tagesordnung des Plenums.

“Ich teile den Grundsatz, wonach die Absicherung des Unterrichts oberste Priorität genießt. Jedoch erschreckt es mich, zu welchen Mitteln inzwischen gegriffen wird”, erklärt dazu Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion. “Ob Regelungen des Schulgesetzes ‘ausgesetzt’ werden, sollte die Kultusministerin nicht alleine entscheiden. Dafür braucht es einen Beschluss des Gesetzgebers, also des Landtags.”

Denn das Paragraphenwerk heißt ja nicht ohne Grund Gesetz: Der Landtag hat es beschlossen und auch die Ministerin muss sich daran halten.

Im Schulgesetz für den Freistaat Sachsen heißt es in Paragraf 59a “Evaluation”: “(1) Das Ergebnis der Erziehungs- und Bildungsarbeit und die Umsetzung des Schulprogramms werden regelmäßig überprüft.” Dass die Ministerin diese Pflicht zur Prüfung gern aufweichen möchte, wird im Entwurf der Staatsregierung für ein neues Schulgesetz sichtbar. Dort wird aus der Pflicht auf einmal so etwas wie eine freiwillige Aufgabe, die die Schulaufsichtsbehörde ansetzen kann, wenn sie Lust dazu hat. In Paragraf 3a “Qualitätssicherung” heißt es dort nämlich: “(5) Die oberste Schulaufsichtsbehörde kann externe Evaluationen und Untersuchungen zu Schülerleistungen anordnen. Die Schulaufsichtsbehörde bestimmt die teilnehmenden Schulen.”

“Im Entwurf für ein neues Sächsisches Schulgesetz gibt es zwar einen eigenen Paragrafen zur Qualitätssicherung. Die externe Schulevaluation ist darin jedoch nur noch als Option, nicht mehr als Pflicht vorgesehen”, sagt Zais. “Das macht eine Debatte um Qualitätssicherung und -entwicklung jetzt umso dringlicher. So sehr ich ein Mehr an Eigenverantwortung für die Schulen begrüße: Sie darf nicht in einer Mangelverwaltung enden. Schulen brauchen Unterstützung, wenn sie die hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden, erfüllen sollen. Dazu gehört für mich auch, das ‘Unterstützungssystem Schulentwicklung’ nicht weiter kaputtzusparen.”

Tatsächlich scheint es in diesem Punkt um eine reine Sparmaßnahme zu gehen. Dafür scheint das sächsische Kultusministerium auch die so wichtige Qualitätskontrolle opfern zu wollen.

“Seit Jahren bestimmt der Streit um Ressourcen die bildungspolitischen Debatten”, benennt Petra Zais den lähmenden Hintergrund einer jahrelangen Verweigerung, das Personalproblem in Sachsens Schulen überhaupt ernst zu nehmen. Nachdem Kultusminister Roland Wöller 2012 die Segel strich, versucht seine Nachfolgerin Brunhild Kurth mit immer neuen Ad-hoc-Lösungen kurzfristig Entspannung in das Personaldilemma zu bringen, scheitert aber immer wieder am Finanzminister, wenn es um eine nachhaltige finanzielle Absicherung des Lehrerbedarfs geht.

“Die Frage, was gute Schule und guten Unterricht ausmacht, gerät dabei in den Hintergrund”, kritisiert Petra Zais. “Die externe Evaluation ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch eine Unterstützung für die Schulen. Der Blick von außen kann helfen, Stärken und Schwächen zu erkennen und Entwicklungsziele zu formulieren.”

Der Grünen-Antrag “Qualitätssicherung und -entwicklung an sächsischen Schulen” (Drs 6/3794)

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