Eine Angst trieb die sächsische Regierung seit 2009 um und war auch mit dem Regierungswechsel 2014 noch nicht erledigt: Kann Sachsen den Hochschulpakt bis 2020 erfüllen oder nicht? Der Hochschulpakt, mit dem der Bund seit 2007 die Länder unterstützt, sollte die nötigen Hochschulkapazitäten für die gestiegenen Studierendenzahlen bis 2020 sichern. Aber das war in Sachsen nicht so sicher, seit die Studienberechtigtenzahlen hier ab 2011 abstürzten.

Das lag nicht daran, dass weniger junge Sachsen studieren wollten, auch wenn sich die CDU/FDP-Regierung alle Mühe gab, die jungen Leute auf der Mittel- bzw. Oberschule zu halten. Es lag schlicht an den halbierten Geburtsjahrgängen der frühen 1990er Jahre, die jetzt ins Ausbildungs- bzw. Studienalter kamen. Die Wirtschaft merkte es an drastisch zurückgehenden Bewerberzahlen für Ausbildungsplätze.

Doch der Rückgang an den Hochschulen fiel nicht ganz so drastisch aus wie befürchtet, denn prozentual entschieden sich deutlich mehr Schulabgänger dafür, doch ein Studium aufzunehmen. Es gab also nur einen zumindest überschaubaren Rückgang, keine Halbierung wie bei den Ausbildungsplätzen.

Was eigentlich jetzt keine besondere Nachricht wert wäre, wenn man nicht mit den 2015er-Werten wieder die Zahl der Studienberechtigten von 2010 erreicht hätte. Eine Zahl, die Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, dazu animiert, ein wenig aufzuatmen. Denn damit ist absehbar, dass sich auch nach Wegfall der doppelten Abiturjahrgänge in einigen westlichen Bundesländern die Studierendenzahlen in Sachsen auf dem derzeitig hohen Niveau halten und der Stopp der Stellenstreichungen ab 2017 ohne Verrenkung finanziert werden kann.

„Es ist erfreulich, dass die Zahl der Studienberechtigten in Sachsen 2015 um 11,8 Prozent auf 13.581 gewachsen ist und somit das Niveau von 2010 erreicht. Mit diesem erfreulichen Anstieg besteht die Chance, dass die sächsischen Hochschulen bis zum Jahr 2020 die Kriterien des Hochschulpaktes schaffen werden“, sagt Holger Mann. In allen fünf ostdeutschen Flächenländern ist die Zahl der Schulabgänger mit Studienberechtigung ähnlich deutlich angestiegen, in Mecklenburg-Vorpommern mit 12,8 Prozent noch etwas höher, in Sachsen-Anhalt mit 10,1 Prozent ähnlich beachtlich.

Aber auch in den westlichen Bundesländern ist die Gesamtzahl der Studienberechtigten nicht gesunken, sondern weiter leicht angestiegen.

Auch das ist für die dicht gestaffelte Hochschullandschaft in Sachsen wichtig. Denn auf 21.395 Studienanfänger wie 2014 kommt der Freistaat nur, wenn auch Studienwillige aus anderen Bundesländern zuwandern und auch die internationale Attraktivität der sächsischen Hochschulen steigt.

Die jungen Studierwilligen aus Sachsen selbst sind freilich die Grundlage aller Planungen.

Holger Mann: „Nach Jahren rückläufiger Zahlen der Landeskinder mit Studienberechtigung wird deutlich: Wir taten gut daran, die Hochschulkapazitäten – trotz demografisch bedingten Rückgangs der sächsischen Abiturjahrgänge – aufrechtzuerhalten.“

Er wäre nicht Politiker, wenn er nicht auch noch ein „Aber“ einstreuen würde: „Die bundesweiten Zahlen zeigen jedoch deutlich, dass der massive Zuwachs an Studienberechtigten vorbei ist, da die doppelten Abiturjahrgänge hinter uns liegen. Erfreulich ist der Anstieg um 8,3 Prozent in den neuen Bundesländern, jedoch macht dies in absoluten Zahlen nur 59.447 von 443.041 Studienberechtigten bundesweit aus.“

Das Aber zum Aber lautet freilich auch: Mit den gestiegenen Studienberechtigtenzahlen kann man nun auch etwas verlässlicher über das Jahr 2020 hinaus planen. Denn dass es zu den heftigen Fingerhakeleien der vergangenen Jahre kam, hat ja auch damit zu tun, dass die heftigen Wellenbewegungen in der ostdeutschen Geburtenstatistik eine Unsicherheit in alle Zukunftsprognosen gebracht hat, die es so vorher nicht gegeben hat. Das könnte sich jetzt so langsam beruhigen.

„Die vorgelegten Zahlen müssen nun bei den aktuellen Planungen zur Hochschulentwicklung 2025 Berücksichtigung finden“, erklärt Holger Mann, der zu skizzieren versucht, wie man künftig mit der Kapazitätsplanung der Hochschulen in Sachsen umgehen möchte: „Die Hochschulen werden auch künftig Anziehungspunkt für junge Menschen sein, daher sollten wir ihnen den Spielraum eröffnen, je nach regionaler Gegebenheit auf die Nachfragesituation zu reagieren. Der Erhalt von 754 Stellen in Verbindung mit einer Zielzahl von 95.000 Studierenden an den staatlichen Hochschulen im Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums ist dabei gesetzt. Ein Korridor, wie es ihn derzeit schon gibt, sollte die notwendige Flexibilität bringen und erneut Bestandteil sein.“

Zur Erinnerung: In der Regierungszeit von Schwarz/Gelb in Sachsen war man mit den Prognosen sogar auf 80.000 Studierende an den Hochschulen in staatlicher Trägerschaft heruntergegangen. Auch das hatte damals mit den Prognosen zu künftigen Abiturienten in Sachsen zu tun. Nur hatte sich Sachsens Regierung da selbst viel zu sehr eingeredet, man könne die jungen Leute mit diversen Reformen an den Mittel-/Oberschulen binden und den Drang auf die Gymnasien bremsen. Aber wenn ein Arbeitsmarkt vor allem hochqualifizierten Arbeitskräften Chancen eröffnet, helfen alle staatlichen Lenkungs-Versuche nicht: Die jungen Leute drängen auf den höchstmöglichen Bildungsabschluss. Das haben CDU und SPD mittlerweile korrigiert, auch wenn die 95.000 noch deutlich unter den rund 106.000 Studierenden an staatlichen Hochschulen liegen, die es derzeit gibt.

Da wird es noch einigen Abstimmungsbedarf geben in den nächsten Jahren.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar