„Das Jahr 2019 wird bitter“, schrieb Markus Brauck am 26. Februar in einem Kommentar auf „Spiegel Online“, in dem er sich mit den jüngsten Hiobsbotschaften vom deutschen Zeitungsmarkt beschäftigte. Kurz zuvor geisterte die Nachricht durchs Land, Dumont wolle seine Lokalzeitungen verkaufen. Eine Nachricht, die DuMont eher zurückhaltend dementierte.

Seit 2018 arbeite man an der Neuausrichtung der Gruppe, teilte DuMont mit. „Vor diesem Hintergrund werden derzeit verschiedene Handlungsoptionen entwickelt. Dies beinhaltet unter anderem auch die mögliche Veräußerung von Teilen des Portfolios der Mediengruppe. Eine derartige Überprüfung der Strategie findet üblicherweise regelmäßig in einem Unternehmen statt, so auch bei DuMont. Aktuell gibt es weder konkrete Ergebnisse noch Entscheidungen dazu.“

Parallel machte die Nachricht aus Thüringen Furore, die Funke-Gruppe prüfe dort, ihre gedruckten Zeitungstitel sämtlich einzustellen und künftig nur noch online zu berichten. Wobei DuMont am 5. April wieder ein gesteigertes Geschäftsergebnis für die ganze Gruppe vermeldete. Aber der Geschäftsbericht machte auch deutlich, wie sich die großen Medienkonzerne verändern. Der Umbauprozess unter dem Druck der Entwicklungen im Internet ist ja in allen großen Verlagshäusern seit gut 20 Jahren im Gang. Man kauft immer neue Sparten und Vertriebskanäle hinzu, diversifiziert also das Geschäft, wie es so schön heißt. Die neuen Umsätze macht man mit Geschäftsfeldern, die mit Journalismus nichts mehr zu tun haben.

Das Ergebnis: Die regionalen Zeitungshäuser bauen schon seit Jahren Personal ab, im redaktionellen Bereich genauso wie allen anderen Bereichen. Nur ist das in den Zeitungen selbst fast nie Thema. Sie schreiben nicht selbst drüber, was einerseits verblüfft, andererseits natürlich auch zeigt, wie wenig souverän der Wandel gestaltet wird.

Die in Leipzig erscheinende LVZ ist ja ein typisches Beispiel dafür. Dass bekannte Redakteure und Redakteurinnen in den vergangenen Jahren einfach verschwanden, merkten die Leser bestenfalls dann, wenn ihnen diese Journalisten mit ihren Themen und Denkansätzen wichtig waren. Denn mit jedem langgedienten Redakteur verschwindet auch ein Stück Lokalkompetenz. Und je mehr das Häuflein der verbliebenen Redakteure schrumpft, umso mehr Themen werden nicht mehr gründlich beackert. Was natürlich Rückwirkungen bei den Lesern hat. Wenn die Leser erst einmal das Gefühl haben, dass sie in ihrer Zeitung immer weniger relevante Themen aus ihrem Lebensumfeld finden, bestellen sie die Zeitung ab.

Was zur Folge hat: Die verkauften Auflagen schrumpfen. Die verkaufte Auflage der LVZ zu Jahresbeginn 2019 betrug noch 159.076 Exemplare, ein Minus von 51,6 Prozent gegenüber dem Jahr 1998. Eine Folge davon war ja der Beschluss, die LVZ-Druckerei in Stahmeln aufzugeben, um die LVZ künftig in der Druckerei der „Mitteldeutschen Zeitung“ (DuMont) in Halle drucken zu lassen und den Dresdner Ableger „Dresdner Neueste Nachrichten“ in der Druckerei der „Sächsischen Zeitung“ in Dresden.

Was übrigens auch das Format der LVZ ändern wird. Am 1. November wird sie – statt im bisherigen Nordischen Format – fortan im Rheinischen Format der „MZ“ gedruckt. Am 31. Oktober soll auch schon die Festtagsschrift zum 125. Geburtstag der LVZ in Halle gedruckt werden. Da kann man gespannt sein, worüber in dieser Festschrift geschrieben wird – und worüber nicht.

Und nicht nur der damit verbundene Abbau von 250 Arbeitsplätzen war Thema auf der jüngsten Betriebsversammlung der LVZ, wo ja nun seit Jahren eine Umstrukturierung der anderen folgt, um das Wegbrechen nicht nur der verkauften Auflage, sondern auch der Anzeigenerlöse zu kompensieren.

Wird ab November in Halle gedruckt: die LVZ. Foto: Ralf Julke
Wird ab November in Halle gedruckt: die LVZ. Foto: Ralf Julke

Was eigentlich das Hauptproblem sämtlicher Regionalzeitungen ist. Denn mit der Entstehung der „social media“ sind die Löwenanteile auch und gerade des regionalen Anzeigenmarktes abgewandert. Noch vor wenigen Jahren war die LVZ aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung im Anzeigenmarkt ein hochprofitables Unternehmen, lieferte jährliche Millionenüberschüsse ans Mutterhaus Madsack in Hannover ab. 2018 machten aber, wie man hört, die Anzeigenblätter, die noch zu Hunderttausenden in die Leipziger Hauseingänge geschmissen werden, erstmals einen Verlust von 1 Million Euro.

Und dabei hatte man zuvor erst die Anzeigenabteilungen von LVZ und Anzeigenblättern zusammengeschmissen.

Und ein Weilchen her ist es ja schon, als ein Großteil der überregionalen redaktionellen Arbeit ausgelagert wurde. Sie erfolgt heute im madsackeigenen Redaktionennetzwerk Deutschland (RND), womit auch die LVZ immer mehr gefüllt ist und das Blatt nicht nur den Lesern, sondern auch den eigenen Mitarbeitern immer mehr entfremdet. Es ist nicht mehr die Leipziger oder sächsische Sicht auf die Dinge. Und im Regionalen ist dafür die Arbeitsmotivation deutlich lädiert.

Nun gibt es im Sommer die nächste Umstrukturierung, folgt auch der Madsack-Konzern dem längst etablierten Plus-Modell, wie es „Spiegel“, „Zeit“ oder „F.A.Z.“ schon fahren: Dafür werden besondere Artikel, von denen man sich hohes Leserinteresse verspricht, im Plus-Bereich untergebracht, an den man nur bei Abschluss eines Abonnements kommt. Ein Modell, das längst schon medienübergreifend hätte eingeführt werden können. Aber jeder kämpft für sich allein.

Und die Teilung im Redaktionsteam wird noch schärfer zwischen Newsteam und Printteam. Und mit einer Software zur Überwachung des Nutzerverhaltens geht man den Weg hin zur direkten Reichweitenkontrolle. Das mag aus Sicht der Geschäftsleitung toll klingen. Aber wenn man an so etwas als Redakteur denkt, wird es brenzlig, denn das verändert die Auswahl der Themen noch einmal. Und wo kommen die Leute her, die für den Plus-Bereich die wirklich besonderen Geschichten recherchieren?

Schon in der Vergangenheit war ja zu beobachten, wie der Online-Auftritt der LVZ geradezu zu einem Polizeimeldungskanal wurde, weil Nachrichten von Unfällen, Bränden, Überfällen nun einmal sehr schnell mehr Aufmerksamkeit generieren als eher sachliche Beiträge über Politik, Wirtschaft oder das Engagement der Leipziger. Wird sich das jetzt weiter verschärfen?

Denn das Problem der Jagd nach Reichweite, um damit dann noch ein paar Online-Werbeumsätze zu generieren, funktioniert nur begrenzt.

Ein Problem, auf das Markus Brauck ebenfalls einging in seiner „Spiegel“-Kolumne: „Neue journalistische Dienste füllen diese Lücke bislang nicht. Sie sind im Kleinen, im Kommunalen, so gut wie nie erfolgreich, weil ihnen das ökonomische Modell fehlt. Sie sind im Großen meist nur erfolgreich, wenn sie weniger auf Journalismus setzen und mehr auf Vermarktung. Die Digitalplattformen ‚Vice‘, ‚Buzzfeed‘ und ‚Huffington Post‘, die für einen neuen Journalismus stehen wollen, müssen gerade hunderte Stellen streichen. Auch ihr Problem: das Geschäftsmodell.“

Denn tatsächlich konkurrieren sie allesamt mit den Kolossen Facebook, Youtube & Co., wo ungefilterte Nachrichten in Sekundenschnelle online sind und sich – je schriller und dramatischer sie sind – in Windeseile verbreiten. Oft genug mit fatalen Folgen, weil niemand sie prüft und die Algorithmen, die sie befeuern, nicht auf Fakten, Sinn oder Korrektheit prüfen. Wenn es um diese Themen geht, schaut auch ein Mark Zuckerberg dumm aus der Wäsche, denn sein Geld verdient er mit Masse, Aufregung und dem konsequenten Auslesen und Ausnutzen der Nutzerdaten.

Und dazu kommt dann noch ein echtes Foul-Spiel, wie Klaus Staeck in der „Frankfurter Rundschau“ schrieb: „Wer soll ihm seine Forderungen nach global einheitlicher Regulierung des Datenschutzes abnehmen, hatte doch Facebook selbst stets alle Möglichkeiten, die Sicherheit der Userdaten zu garantieren. Das Unternehmen verbuchte im vorigen Jahr 55,8 Milliarden Dollar Umsatz und wurde hierzulande nur minimal für seine Gewinne aus Werbeeinnahmen besteuert.“

Gegen diesen international agierenden Riesen sind sämtliche deutschen Medienhäuser Zwerge. Und sie haben allesamt noch kein Mittel gefunden, die regionale Berichterstattung unter dem Druck dieses gefräßigen Giganten wieder auf eine sichere Basis zu stellen.

Aber was ist noch sicher, wenn LVZ-Geschäftsführer Björn Steigert in der Betriebsversammlung auch für die LVZ feststellen muss: Das Printmodell ist am Ende? Wie lange dauert es dann noch, bis es auch die LVZ nur noch online gibt? Und wie sieht die dann aus? Dran gearbeitet wird ja schon.

Die Serie „Medien machen in Fakenews-Zeiten“

 

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