Der weltbekannte Filmemacher Michael Moore sagt voraus, dass die Demokraten bei den Midterm Wahlen in den USA, die am 8. November 2022 รผber Mehrheiten im Senat und Kongress entscheiden, nicht verlieren werden. Er ist mit dieser Prognose sehr allein auf weiter Medienflur. Doch der Mann hat Erfahrung damit, ein einsamer Rufer in der Wรผste zu sein, dessen Voraussagen keiner ernst nimmt. Bis sie eintreten.

Hilary for President! Oder eben doch nicht?

โ€žDafรผr, dass Donald Trump diese Wahl gewinnt, mรผsste es schon ein Video geben, auf dem zu sehen ist, wie Hilary Clinton lรคchelnd einen Wurf Hundewelpen ertrรคnkt, wรคhrend sie von Terroristen umgeben ist, die โ€šTod fรผr Amerika!โ€˜ rufen!โ€œ, sagte ein Funktionรคr der Republikaner noch zwei Monate vor Trumps Sieg 2016.

Die meisten Experten, Kommentatoren und Medienbarfliegen sahen das bis noch zum Wahltag genauso. Und obwohl Clinton mehr Wรคhlerstimmen bekam als Trump, gewann The Donald seinerzeit dennoch die Wahl. Nicht mit einer รผberwรคltigenden Mehrheit, wie der Mann das heute noch behauptet, aber er siegte.

Wรคhrend man sich รผberall bei den Umfrageinstituten, den Demokraten und Redaktionen am Tag nach Trumps Wahlsieg hรคnderingend fragte, was zur Hรถlle da passiert war, durfte ein Mann sich bestรคtigt fรผhlen. Denn der Filmemacher Michael Moore hatte Trumps Sieg korrekt vorausgesagt. Nur glaubte ihm bis zum Wahltag keiner. Im Gegenteil. Man machte sich in den Medien lustig รผber den dicken Mann mit der auffallenden Brille und dem Hang zu geschmacklich eher herausfordernden Basecaps.

Was hatte Moore besser gemacht als all die Umfrager, Politikwissenschaftler und Berufskommentatoren, die so รผberzeugt gewesen waren, dass Hilary Clinton gewinnen mรผsse?

Er hatte sich auรŸerhalb der Meinungsblasen der groรŸen Metropolen und politischen Thinktanks umgehรถrt. Und er tat es in genau jenen Bundesstaaten, die fรผr Trumps Sieg entscheidend gewesen waren. Was er da hรถrte, war ein sehr lautes: โ€žFuck you!โ€œ in Richtung der demokratischen Prรคsidentschaftskandidatin.

Und was er aus jenem โ€žFuck you!โ€œ schloss, war eine tiefe Unzufriedenheit mit dem politischen System Amerikas, bei jenen, die auรŸer ihm nur wenige รผberhaupt auf dem Schirm hatten. Und die keiner so ernst nahm wie er.

Gestern, heute, morgen โ€“ Volkes Stimme

Moore stammt aus Flint, Michigan, einem jener Orte, die durch die Globalisierungswellen der Clinton und Bush-ร„ra ruiniert worden und seither einem allmรคhlichen Verfall preisgegeben waren. Der heute 68-Jรคhrige stammt aus der Arbeiterklasse und er hat seine Wurzeln, trotz weltweitem Erfolg seiner oscargekrรถnten Filme, auch nie verleugnet.

Er spricht die Sprache der Enttรคuschten und Vergessenen, die Hilary Clinton einst als โ€žBedauernswerteโ€œ bezeichnet hatte, denen sie vorwarf, grundsรคtzlich rassistisch, homophob und fremdenfeindlich eingestellt zu sein. Ihr Spruch kam bei jenen Leuten nicht besonders gut an. Und sie hatten kein Problem damit, ihr dies an der Wahlurne auch zu beweisen.

Nun, sechs Jahre spรคter, kurz vor einer weiteren entscheidenden Wahl in den USA, gab Moore eine neue Prognose ab, fรผr die man ihn in Medien und bei den Umfrageinstituten gequรคlt belรคchelt.

Dort hรคlt man es mit der Statistik und der historischen Erfahrung, die beide eindeutig besagen, dass die aktuell mit einer hauchdรผnnen Mehrheit herrschenden Demokraten bei den Midterms, den Wahlen fรผr Kongress und Senatsmitglieder, im November untergehen werden. Was Joe Biden zu einer โ€žlame Duckโ€œ, einem in seiner Handlungsmacht sehr eingeschrรคnkten Prรคsidenten machen wรผrde.

Bowling in Absurdistan

Man kรถnnte jetzt einwenden, dass Moores eigene Wahlprognosestatistik so toll nicht sei, weil einmal recht gehabt zu haben, auch Zufall gewesen sein kรถnnte.

Michael Moore sieht das auf dem Blog seiner Webseite ganz รคhnlich, aber er hat auch Gegenargumente parat. So zeigt er in einem seiner dort verรถffentlichten Texte, dass viele der Kommentatoren und Experten in den groรŸen US-Medienhรคusern dazu neigen, a) denkfaul zu sein und b) sich gegenseitig in einer bestimmten Auffassung bzw. Prognose zu bestรคtigen, sobald die in der Presse oder dem TV erst einmal oft genug wiederholt worden seien.

Was dort aber fehle, sei das, was Moore so gut beherrscht wie kaum ein anderer, nรคmlich dem Volk in den sogenannten โ€žfly over Statesโ€œ des US-โ€žRust Beltsโ€œ aufs Maul und in die Seele zu schauen.

Wรคhrend sich die Echokammern der Medien gegenseitig in ihren Auffassungen bestรคtigten, hat Moore zwei Wรคhlergruppen ausgemacht, die die Midterms bestimmen kรถnnten. Nรคmlich junge Wรคhler und Nicht-Wรคhler. Beides sind groรŸe Wรคhlergruppen, die sowohl von den Republikanern wie den Demokraten umworben werden.

Allerdings, Moore zufolge, von den Republikanern etwas weniger als von den Demokraten. Glaubt man Moores Voraussagen, hรคtten die Trump-Republikaner zwei weitere wahlbestimmende Eigenschaften, die sie von den Demokraten durchaus negativ unterscheiden.

Erstens, seien unter deren Kandidaten so viele ausgesprochene Idioten, wie nie zuvor in einem Kandidatenraster. Und zweitens, hรคtten die Republikaner sich mit der Entscheidung des Supreme Courts das Recht auf Abtreibung infrage zu stellen, ein mรคchtiges Eigentor geschossen, weil รผberall im Lande Frauen bei diesen Midterm-Wahlen einen verdammt guten Grund hรคtten zur Wahlurne zu gehen.

Und die Republikaner abzustrafen, die fรผr jene konservative Mehrheit im Obersten Gerichtshof gesorgt hatten, die das Recht auf Abtreibung infrage gestellt haben.

Dieses Mal seien es zudem nicht nur Working Class Frauen und Vertreterinnen der unteren Mittelschicht, die von den Republikanern, deren Fรผhrung und Kandidatenkader angewidert seien, sondern auch Leute aus der oberen Mittelklasse. Sie hรคtten nach Moore eingesehen, dass sie mit einem von Trumps Gefolgschaft beherrschten Kongress und Senat nichts zu gewinnen hรคtten.

ร„hnlich verhalte es sich mit den Nicht-Wรคhlern, denen die zunehmend rundweg bescheuerten Sprรผche und Medienauftritte prominenter Trump-Loyalisten schlicht zu weit gingen. Hierbei sei nur an ein einziges, jedoch aussagekrรคftiges Beispiel erinnert: Marjorie Taylor-Greene, Kongressabgeordnete und hyperloyaler Trumpfanin, sah die diesjรคhrige Ursache fรผr verheerende Waldbrรคnde im amerikanischen Mittleren Westen in von Juden gesteuerten Weltraumlasern.

Shitstorm am Dnjepr

Okay, kรถnnte man jetzt als LZ-Leser/-in sagen, was gehen mich US-Midterm-Wahlen an, ich habe aktuell wirklich andere Probleme. Stimmt zweifellos. Aber eine von Republikanern beherrschte Legislatur in Washington hat in Zeiten von Krieg in Europa sehr konkrete Auswirkungen auch auf Deutschland und Leipzig.

Die Republikaner, vor allem der Teil von ihnen, der Trump blindlings unterstรผtzt, sind uneins รผber die amerikanische und NATO-Unterstรผtzung der Ukraine und kรถnnten dafรผr sorgen, dass die deutlich verringert oder ganz eingestellt wird.

Was nicht nur Putin in die Hรคnde spielen wรผrde, sondern dazu fรผhren muss, dass der Krieg in der Ukraine lรคnger dauert, als er es mit dem aktuellen MaรŸ an Unterstรผtzung durch die EU, die USA und die NATO voraussichtlich wรผrde.

Hinzu kommt, dass The Donald ein Freund und Bewunderer Putins ist, der zudem noch ein ganz persรถnliches Hรผhnchen mit dem ukrainischen Prรคsidenten Wolodymyr Selenskyj zu rupfen hat. Dieser zeigte sich nรคmlich wรคhrend des Wahlkampfes 2020 nicht wirklich kooperativ, als es Trumps Team darum ging, politischen und persรถnlichen Schmutz รผber Joe Bidens Sohn Hunter zu sammeln, der im Aufsichtsrat eines ukrainischen Energieunternehmens gearbeitet hatte.

Der These folgend, dass ein Zurรผckfahren der Unterstรผtzung fรผr die Ukraine den Krieg in diesem Land weiter in die Lรคnge zรถge, bedeutete dies auch lรคngere Sanktionen gegen einen zunehmend verzweifelteren Putin.

Und eine Blockade des Demokraten in Kongress und Senat kann wirtschaftliche Auswirkungen auf die EU haben, der man im Trump-Lager sehr misstrauisch gegenรผbersteht und die man bereits einmal mit Hilfe von Zรถllen gefรผgsam zu machen versucht hatte.

AuรŸerdem sind Deutschland und ganz Europa seit Putins Krieg wieder stรคrker auf US-ร–l und Gaslieferungen angewiesen, die zumindest mittelfristig unsere Industrie am Laufen halten. Ein von Trump Getreuen bestimmter Kongress und Senat kรถnnte uns Europรคern da durchaus das (รœber)Leben sehr schwermachen.

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