Auch die Verleihung des „Leipziger Ring für Demokratie“ wartete 2015 in neuem Gewand auf. Natürlich blieb die Nikolaikirche als Symbol der Friedlichen Revolution der Ort der Preisübergabe, doch zuvor begann am Festivalzentrum im Museum für bildende Künste ein Rundgang auf den Spuren der `89er-Montagsdemonstrationen. Preisträger Losnitza beschrieb sein Gefühl der russischen Politik: „Der Film zeigt die Ereignisse während des Militärputsches 1991 aus St. Petersburg. Es ist danach ein Gefühl des Aufbruchs in demokratische Zeiten. Sehe ich mir Russland heute an, sind wir in die Zeit vor 1990 zurückgefallen.“

Anhand von Bildern, die damals das Dokumentarfilmstudio Leningrad filmte, setzte der Regisseur einen zurückhaltenden Film zusammen, der die gezeigten Bilder nicht kommentiert, sondern für sich sprechen lässt. Kommentare sind lediglich die der gezeigten Personen oder Radiostimmen aus dem Off. Was der Film in beeindruckender Weise zeigt, ist wie lückenhaft die damalige Berichterstattung aus Russland war, da alle Bilder an die sich mehrere deutsche Zuschauer erinnern konnten, aus Moskau stammten. Die Demonstrationen in St. Petersburg blieben durch die Moskau-zentrierte Sichtweise der Korrespondenten ein blinder Fleck, den der Film „The Event“ nun auch für das deutsche Publikum mit Bildern füllte.

Auch die Jury-Begründung berücksichtigte diesen Aspekt: „Die Gesichter dieser Revolution, ihre Würde und selbstbewusste Besonnenheit, erscheinen geradezu als Gegenentwurf zur dumpfen Primitivität und Gewaltbereitschaft derer, die die Demokratie beseitigen möchten.“ In der Tat könnten sich daran auch die teils hitzigen Demonstranten in Sachsen eine Scheibe von der damaligen russischen Gelassenheit abschneiden. Obwohl es um viel mehr ging, nämlich auch die eventuelle bewaffnete Niederschlagung der Demonstrationen vor dem Winterpalais, diskutieren die Leute sachlich ohne sich anzuschreien, wenn sie anderer Meinung über den richtigen Weg in die Zukunft sind.

Sergei Loznitsa nimmt den Preis von Michael Kölsch entgegen Foto: Sebastian Beyer
Sergei Loznitsa nimmt den Preis von Michael Kölsch entgegen. Foto: Sebastian Beyer

Festival-Direktorin Leena Pasanen wies auf die Bedeutung des Leipziger Rings hin: „Aus Finnland kommend, sehe ich Demokratie manchmal als selbstverständlich an. Doch für viele Freunde und Filmemacher aus anderen Ländern ist sie das nicht. Sie, liebe Filmemacher, sind die Stimme der Demokratie, die uns ins Gewissen redet.“ Gerade deshalb zeichne der Preis in Kooperation mit DOK Leipzig Filme aus, die sich um die Bedeutung von Demokratie drehen. Sie ließ auch durchblicken, dass sie an der Kooperation zum Leipziger Ring gerne festhalten möchte. In diesem Jahr waren fast alle Plätze ohne Sichteinschränkung durch Säulen besetzt. Ebenfalls lobte sie den Rundgang im Vorfeld der Verleihung.

Lena Pasanen lobte den Mut der Filmemacher. Foto: Sebastian Beyer
Leena Pasanen lobte den Mut der Filmemacher. Foto: Sebastian Beyer

Dieser war eine weitere Neuerung beim diesjährigen Festival und geht auf einen Vorschlag der Finnin zurück. „Ich war positiv überrascht, dass das Angebot so gut ankam“, sagte Gesine Oltmanns vom Vorstand der Stiftung für Friedliche Revolution, 60 Teilnehmer hatte sie gezählt. Über einen Halt an der „Runden Ecke“ mit Erläuterungen von Zeitzeugen ging es weiter zur Reformierten Kirche und von dort zur Nikolaikirche. „Einzig den Verkehrslärm vom Goerdelerring hatten wir ein wenig unterschätzt“ so Oltmanns gegenüber der L-IZ.

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