Das Bild stammt noch aus einer Zeit, als der Schülerwettbewerb um das Gaggaudebbchen klein genug war, um im Lene-Voigt-Kabinett des Leipziger Ratskellers ausgetragen zu werden. Das war 2004. Das Kabinett war mit lauter Erinnerungsstücken an die Leipziger Mundartdichterin Lene Voigt ausgestattet. Auch die Lene-Voigt-Gesellschaft traf sich hier regelmäßig. Das Gaggaudebbchen ist längst umgezogen ins Kabarett Sanftwut.

Es hätte schon längst nicht mehr ins gemütliche Lene-Voigt-Kabinett gepasst. Dort freilich wollte die Lene-Voigt-Gesellschaft sich am 2. September noch einmal zum seit Januar geplanten Kaffeeklatsch treffen.

Doch: „Das Lene-Voigt-Kabinett gab und gibt es nicht mehr!“, stellte Klaus Petermann, Vorsitzender der Lene-Voigt-Gesellschaft entsetzt fest. „Die zahlreichen Ausstellungsstücke, Bilder und Informationstafel waren verschwunden und bis zum heutigen Tag gibt es auch keine Information an uns, inwieweit wir diese Materialien zurückerhalten können.“

Eigentlich existierte es zu dem Zeitpunkt noch, war aber schon durch eine andere Veranstaltung belegt. Der Lene-Voigt-Gesellschaft war der Admiral-Bromme-Salon als Ausweich angeboten worden, teilt uns Ingo Winkler von Ratskeller Leipzig mit. Das sei auch so akzeptiert worden.

Seit dem Jahre 2000 war das Lene-Voigt-Kabinett nicht nur Treff- und Veranstaltungsort der Lene-Voigt-Gesellschaft e. V., sondern auch ein Teil der Leipziger Stadt- und Kulturgeschichte. Auch die Wirtschaftskammern trafen sich gern im Kabinett.

„Zahlreiche Veranstaltungen unseres Vereins fanden dort statt, Gäste der Stadt bewunderten die Ausstellung und die Gestaltung des Raumes und in vielen Tourismusportalen wurde und wird immer wieder auf das Lene-Voigt-Kabinett hingewiesen“, stellt Petermann fest. „Nun sind wir auf der Suche nach neuen Räumen, einer neuen Partnerschaft, um unsere Lene-Voigt-Exponate in einem würdigen Rahmen der Öffentlichkeit zu präsentieren und auch wieder einen Treffpunkt für ein geselliges Vereinsleben zu haben.“

Dass sich alles geändert hat, hat natürlich damit zu tun, dass es zwischenzeitlich ein neues Betreiberkonzept im Ratskeller gegeben hat. Die beiden Geschäftsführer Ingo Winkler und Jan Woithon hatten ein paar andere Vorstellungen beim Umgang mit dem 110-jährigen Gemäuer, wozu auch gehörte, mit dem „Lotteraner“ eine andere Person der Stadtgeschichte zentral zu vermarkten: Hieronymus Lotter, den Bürgermeister, unter dessen Regie einst die Pleißenburg, der Vorgängerbau des Neuen Rathauses, gebaut wurde.

„Warum hat der Ratskeller von dieser Würdigung für die ,Leipziger Nachtigall‘ Abschied genommen?“, haben wir die beiden gefragt. „Kann man mit Lene Voigt nichts mehr anfangen? Oder fand sie in einem übergreifenden Konzept keinen Platz mehr?“

Das war dann auch der Punkt, wie sie uns die beiden Geschäftsführer bestätigen: „Nichts ist so beständig, wie die Veränderung … Vor mehr als zehn Jahren haben wir in unserem jährlichen Jahresauftaktmeeting über die zukünftige Ausrichtung unseres Hauses gesprochen. Dabei haben wir uns für einen wachsenden Einsatz von regionalen Produkten entschlossen. So bieten wir neben Käse vom Landgut Nemt, Säften von Sachsenobst und Weinen der Winzergenossenschaft Freyburg immer mehr eigene Marken und Produkte an. Nach dem Einbau unserer eigenen Braumanufaktur 2017 brauen wir nun – mit großem Erfolg – unsere eigenen Kellerbiere. Mit diesen Marken und Produkten erzählen wir unseren Gästen Geschichten … Natürlich erzählen wir diese Geschichten auch mit Hieronymus Lotter, mit der Leipziger Lerchenfrau und auch mit unserer Lene Voigt. Und Lene Voigt ist in unseren Club Alt Leipzig ,umgezogen‘. Hier wird ihr Andenken – nach wie vor – in unserem Haus wachgehalten und geehrt. Das ehemalige Kaffeekabinett wird nun zu unserem ,Schalander‘, dem Raum, in dem in einer Brauerei die Bierverkostungen durchgeführt werden.“

Existieren die Ausstellungsstücke aus dem Kabinett noch? Hat die Lene-Voigt-Gesellschaft eine Chance, sie zu bekommen?

„Alle Stücke existieren natürlich noch. So auch die Ehrenkaffeekanne, welche uns vor vielen Jahren verliehen wurde. Sie werden (zum Großteil) schrittweise in den nächsten Wochen einen neuen Platz im Club Alt Leipzig finden. Der Lene-Voigt-Gesellschaft können wir jedoch schon jetzt die Blätter mit den Chroniken (Format A3) zurückgeben, da wir diese aus gestalterischen und Platz-Gründen nicht wieder einsetzen wollen.“

Wird es noch ein Gespräch mit der Lene-Voigt-Gesellschaft geben? Wird man der Gesellschaft helfen, neue Räume für ein Lene-Voigt-Kabinett zu finden? Oder für die regelmäßigen Sitzungen der Lene-Voigt-Gesellschaft?

„Wir können den Unmut, sollte er überhaupt existieren, bei der Gesellschaft nachvollziehen. allerdings hat niemand aus unserem Haus die Lene-Voigt-Gesellschaft ,vertrieben‘. Seit vielen Jahren stellen wir den Damen und Herren unsere Räume kostenfrei (und ohne Mindestumsatz) zur Verfügung. Größere Veranstaltungen finden seit vielen Jahren leider in anderen Einrichtungen unserer Stadt statt. Das ist zum Teil für uns – aufgrund einer fehlenden Bühne – natürlich nachvollziehbar. Nach wie vor ist unser Haus (mit seinen insgesamt sieben Räumen und 700 Plätzen) auch für die Lene-Voigt-Gesellschaft offen und reservierbar.“

Was wird mit dem Raum, der fast 20 Jahre lang Lene-Voigt-Kabinett war, jetzt geschehen? Bekommt er eine neue besondere Nutzung?

„Wir haben seit einiger Zeit eine hohe Nachfrage nach Bierseminaren und -verkostungen in unserem Haus. Diese werden wir dann vorrangig – je nach Verfügbarkeit – in unserem Schalander durchführen. Alle unsere Räume können selbstverständlich auch ,themenfremd‘ von unseren Gästen gebucht und genutzt werden.”

Auch im L-IZ-Büro landete ein Lotteraner

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