Nils L. (37) hatte am 5. Juli 2013 Bock auf Fußball. Der Leipziger besuchte das Freundschaftsspiel des 1. FC Lokomotive gegen den Halleschen FC. Blöd nur: Der Neonazi hat im Bruno-Plache-Stadion seit Februar 2007 Hausverbot. Das Amtsgericht verurteilte den Rechtsextremisten wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht plädierte sein Verteidiger Mario Thomas auf Freispruch. Der Prozess bescherte dem früheren Lok-Präsidenten Steffen Kubald einen großen Auftritt.

Der Rechtsanwalt argumentierte am Donnerstag, sein Mandant habe von dem Hausverbot keinerlei Kenntnis gehabt. Vielmehr sei Nils L., der der Verhandlung nicht persönlich beiwohnte, davon ausgegangen, er habe im Zusammenhang mit Randalen bei einem Pokalspiel am 10. Februar 2007 ein befristetes Stadionverbot erhalten. Der Brief mit dem Hausverbot sei ihm außerdem nicht persönlich zugegangen. Mario Thomas weist darauf hin, dass nicht L., sondern eine bevollmächtigte Person, das Einschreiben in Empfang genommen habe.

Pikant: Am 5. Juli saß Katrin Pahlhorn (37) zufällig in dem Kassenhäuschen, an dem ein Begleiter des Neonazis zwei Tickets erwarb. Die Finanzberaterin kennt nicht nur Nils L. vom Sehen, den sie auf dem Stadionvorplatz erblickte. Als Schatzmeisterin hatte sie das Hausverbot mit unterzeichnet. “Wir haben unser Hausrecht wahrgenommen, weil wir keinen Nazi in unserem Verein haben wollten”, berichtete sie dem Gericht. Nach Mario Thomas sei an dieser Stelle ein Stadionbesuchsvertrag zustande gekommen. Da dieser durch Pahlhorn abgeschlossen wurde, habe Nils L. nicht mehr von einem Betretungsverbot ausgehen müssen.

Aber wusste der Neonazi überhaupt von dem Hausverbot? Zu dieser Frage hatte die Vorsitzende Gabriele Plewnia-Schmidt Steffen Kubald (53) vorgeladen. Der Ex-Präsident, ein breitschultriger Mann mit Stiernacken, der in Leipzig bekannt ist wie ein bunter Hund, räumte bereitwillig ein, dass er in der Vergangenheit mit der Hooligan-Szene in Verbindung gebracht worden sei.

Über Nils L. spricht der frühere Funktionär zunächst in der 1. Person Plural. “Wir kennen uns ewig.” Schon zu DDR-Zeiten seien die Männer zusammen der “Loksche” hinterher gereist. Nach der Insolvenz des VfB Leipzig im Dezember 2003 waren Kubald und Nils L. an der Neugründung des 1. FC Lokomotive beteiligt.

“Damals haben wir jeden mit ins Boot genommen. Es ging nicht um Politik, es ging um Lok”, fasst der Gründungsvorsitzende einen fatalen Fehler zusammen. Spätestens Mitte der 2000er Jahre fielen die rechten Schläger dem Vorstand auf die Füße. Wiederholt geriet der Club in die Negativ-Schlagzeilen, erlangte in der überregionalen Fußball-Öffentlichkeit gar den Ruf eines Nazivereins.

Als sich 800 Hooligans im Februar 2007 nach dem Pokalmatch gegen Erzgebirge Aue II Straßenschlachten mit der Polizei lieferten, nutzen Kubald und Co. die Steilvorlage. Acht bis zehn bekannte Rechtsextremisten erhielten Hausverbot. Zu diesem Zeitpunkt war das Tischtuch war zwischen Nils L. und dem Lok-Präsidenten längst zerschnitten. “Ich habe kein Bedürfnis, mit Nils L. einen Kaffee trinken zu gehen”, gab Kubald dem Gericht zu Protokoll.

Selbstredend habe der rechte Hooligan von dem Hausverbot gewusst. Als Nils L. mit seinem politischen Ziehsohn Enrico Böhm, der heute den Leipziger NPD-Kreisverband vorsteht, im Sommer 2009 mit einem Wahlkampfbus vor dem Stadion in Probstheida Station machten, habe er mit beiden Neonazis gesprochen. Inhalt des Gesprächs: Wo dürfen die Kameraden den Bus parken, ohne Gefahr zu laufen, gegen ihre Hausverbote zu verstoßen?

Zwei Jahre zuvor waren Neonazis aus dem Umfeld von Nils L. bei einer anderen Gelegenheit im Lok-Umfeld auffällig geworden. Die Rechtsextremen parkten einen Lkw mit dem Konterfei des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß vor dem Bruno-Plache-Stadion. Mit der Aktion warben die Neonazis für eine Internetseite mit geschichtsrevisionistischen Inhalten. Diese wurde später von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Im Internet ist auf einer NPD-Webseite nach wie vor ein Spendenaufruf für die Lkw-Tour abrufbar. Als Empfänger ist eine Bankverbindung von Nils L. angegeben.

“Wir wollten nicht mehr, dass er ins Stadion kommt”, stellte Kubald unmissverständlich dar. Allerdings kann der frühere Fußballfunktionär nicht mit Bestimmtheit sagen, ob L. bereits vor Erteilung des Hausverbots im Zusammenhang mit Lok-Spielen auffällig geworden war. Mario Thomas erklärte, sein Mandant habe am 10. Februar 2007 seine Tochter in Berlin besucht. Unstrittig bleibt, dass der Neonazi später bei der NPD-Landtagsfraktion anheuerte. Bis 2014 war Nils L. beim Sächsischen Landtag als technische Hilfskraft angestellt. Derzeit lebt der Leipziger von Arbeitslosengeld. “Ist er noch NPD-Mitglied”, erkundigte sich Plewnia-Schmidt. “Dazu kann ich nichts sagen”, erwiderte Thomas.

L-IZ.de liegen keine Erkenntnisse vor, die darauf hindeuten, dass Nils L. nach dem Ausscheiden der NPD aus dem Landtag mit seiner rechtsextremen Weltanschauung gebrochen haben könnte. Lok-Präsident Heiko Spauke betonte auf Nachfrage gegenüber dieser Zeitung, dass das Hausverbot nach wie vor Bestand habe. “Es muss für ein Hausverbot einen sachlichen Grund geben”, betonte Mario Thomas. Der Verteidiger beantragte einen Freispruch.

“Der Verein Lok wurde immer wieder mit der NPD in Verbindung gebracht”, erwiderte Staatsanwalt Christoph Sprinz. “Dass ein Fußballverein sich von solchen Leuten distanziert, ist ein gesellschaftliches Interesse.” Das Urteil wird am 24. März erwartet.

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