Es waren nur wenige Beamte im Einsatz, als es an zwei Tagen hintereinander zu Angriffen auf die provisorische Asylunterkunft in Heidenau am letzten Wochenende kam. Für das kommende hat die Versammlungsbehörde des Landkreises Sächsische Schweiz am Donnerstag den polizeilichen Notstand ausgerufen. Die Durchführung eines Willkommensfestes in der Stadt, welches vom Bündnis Dresden Nazifrei angemeldet wurde, ist damit gefährdet.

Die Frage, die sich seit dem letzten Wochenende stellte, war für viele – wird es wieder zu versuchten Angriffen auf das Flüchtlingsheim in einem ehemaligen Baumarkt in Heidenau kommen? Dem will das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wohl nun ein Riegel vorschieben.

Das Bündnis Dresden Nazifrei wollte am Freitag ein Willkommensfest in Heidenau veranstalten. Nach einer Bitte zum Kooperationsgespräch habe die Behörde um 15 Uhr am Donnerstag den polizeilichen Notstand erklärt. „Die verfügbaren Einheiten schützen die Notunterkunft, zusätzliche Einheiten für ein Versammlungsgeschehen wären nicht verfügbar“, leiteten die Aktivisten die Entscheidung der Versammlungsbehörde weiter.

„Davon ist das Willkommensfest am Freitag in Heidenau betroffen, nicht jedoch die Demo am Samstag in Dresden“, stellte das Bündnis auf Facebook klar. Am Samstag findet eine Demonstration unter dem Motto „Heute die Pogrome von Morgen verhindern“ statt, die sich für Geflüchtete einsetzt und gegen rassistische Anfeindungen gerichtet ist.

„Es ist der blanke Hohn, dass es offenbar genügend Polizeikräfte gibt, um sich tagelange Scharmützel mit alkoholisierten Nazi-Schlägern zu liefern“, kritisiert das Bündnis, „hingegen keine, um ein Willkommensfest zu schützen.“ Juristische Mittel werden zurzeit geprüft.

„Wir können dazu nichts sagen“, verwies die Pressestelle des Sächsischen Innenministeriums auf Nachfrage auf die Polizei in Dresden. „Im Moment sind wir in Gesprächen mit der Versammlungsbehörde“, sagte Pressesprecher Thomas Geithner von der Polizeidirektion Dresden gegenüber L-IZ.de. „Wir arbeiten nur zu“, wies er eine entsprechende Entscheidungsverfügung zurück. Weder die Pressestelle noch der Referatsleiter für Versammlungsrecht des Landratsamtes waren bis zur der Fertigstellung des Artikels telefonisch zu erreichen.

Für die Durchführung des Willkommensfestes am Freitag bestehe zwar noch auf dem Gelände des DRK eine Möglichkeit, darüber müsse jedoch verhandelt werden. Eine sichere Abreise als auch eine Beschränkung der Teilnehmerzahl auf 100 bis 150 Personen, wäre allerdings die Folge, lautete die Einschätzung der Dresdner.

Nachtrag (19:27)

Ein mögliches Verbot bestätigte das Landratsamt nun gegenüber Radio Dresden. Mehrere Veranstaltungen seien angemeldet, so Kati Hille. “In Kooperationsgesprächen mit der Polizei und den jeweiligen Versammlungsanmeldern wurde der Versammlungsbehörde signalisiert”, teilte die Behörde mit, “dass die zurzeit zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht in der Lage sind, umfassend die Versammlungen abzusichern.” Eine Entscheidung für das Wochenende stehe noch nicht fest, so Hille.

 

Mitteilung der Behörde. Quelle: Radio Dresden
Mitteilung der Behörde. Quelle: Radio Dresden

Nachtrag (21:30)

“Das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge als zuständige Versammlungsbehörde hat für den 28. August 2015, 14:00 Uhr bis zum 31. August 2015, 06:00 Uhr, alle öffentlichen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel im gesamten Stadtgebiet von Heidenau untersagt”, teilte die Behörde am Donnerstagabend mit und begründet die Maßnahme mit unzureichender Polizeiunterstützung in diesem Zeitraum. Man sehe im Angesicht der Konfrontation von Asylgegnern und -befürwortern und dem stattfindenden Demonstrationsgeschehen keine andere Möglichkeit, “um insbesondere die Sicherheit der Heidenauer Anwohner und der Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung zu gewährleisten.”

Am vergangenen Freitag und Samstag hatten mehrere Hundert Menschen versucht, das provisorische Heim anzugreifen. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Erst am Sonntag fanden größeren Gegenaktivitäten unter anderem von Antifa-Aktivisten statt, dabei kam es ebenfalls zu Auseinandersetzungen zwischen Asylgegnern, Flüchtlingsunterstützern und der Polizei.

Nachtrag (28.08.2015 13:40)

Das Verwaltungsgericht Dresden hat das Verbot gekippt. Es wurde als rechtswidrig bezeichnet. Das Bündnis Dresden Nazifrei hatte eine Eilentscheidung angestrengt, um das geplante Willkommensfest dennoch durchführen zu können.

“Wir haben eine angemeldete Veranstaltung dort”, versicherte das Bündnis seine Absicht das Willkommensfest trotz des Hin- und Hers abzuhalten und forderte zur Teilnahme auf. Zu Gegenaktivitäten trotz des Verbots hatten ebenfalls mehre Neonazigruppen aufgerufen.

Das kommende Wochenende könnte turbulent werden auch in Anbetracht der zunächst beanstandeten fehlenden Polizeikräfte seitens der Versammlungsbehörde. Innenminister Markus Ulbig appellierte an alle Veranstalter zur Friedlichkeit, teilte Pressesprecher Martin Strunden mit.

Nachtrag (28.08.2015 14:00)

“Die angerufenen Richter der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden führen in ihrem Beschluss aus, dass sich die angegriffene Allgemeinverfügung des Landratsamts vom 27. August 2015 nach »summarischer Prüfung« als offensichtlich rechtswidrig darstelle”, heißt es in der Pressemitteilun aus Dresden zur Einschätzung der allgemeinen Verbotsverfügung.

Der polizeilich Notstand sei nicht hinreichend begründet, urteilten die Richter. “So stütze sich die  vorgenommene Gefahrenprognose lediglich auf die Ereignisse des vergangenen Wochenendes ohne sich konkret mit den für das kommende Wochenende angezeigten Versammlungen auseinanderzusetzen”, formulierte die Kammer.

Ebenfalls schätzten die Juristen in Dresden die Entscheidung als unverhältnismäßig ein: “Sie [die Entscheidung] stelle nach Überzeugung der Kammer schon nicht das mildeste Mittel dar, um den von der Behörde angenommenen Gefahren, die von den angezeigten Demonstrationen ausgehen sollen, wirksam zu begegnen.” Andere Maßnahmen, wie eine örtlichen und zeitliche Beauflagung wären hier möglich gewesen, wurden ab nicht ergriffen, um die politischen Lager voneinander zu trennen.

Beim Lesen der Urteilsbegründung drängt sich der Eindruck auf, dass die Behörde in Pirna weitere Bilder von Auseinandersetzungen unter allen Umständen vermeiden möchte. Die Verbotsbegründung wurde unter anderem wegen der “erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit” vor dem “Hintergrund der medial begleiteten gewalttätigen Geschehnisse” ausgesprochen. Mediale Aufmerksamkeit hatte Heidenau bereits zuvor. Durch den Umgang mit den angemeldeten Versammlungen wohl jetzt noch mehr.

 

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