Ein Irrtum mit bösen Folgen: Weil er sich offenbar von einer Gruppe junger Männer beleidigt fühlte, ging ein 42-Jähriger auf einen Mann los. Anschließend soll er versucht haben, ihn mit seinem Auto anzufahren. Das Gericht verurteilte den bereits mehrfach vorbestraften Mann zu einer Freiheitsstrafe.

Die Vorstrafenliste von Dzeladin B. (42) ist lang: Mindestens 16 Mal wurde er seit 1990 straffällig, meist wegen Diebstahl und illegaler Einreise nach Deutschland. Aktuell sitzt B. eine mehrjährige Freiheitsstrafe ab, nachdem er im Oktober 2013 einen Mann mit einer Waffe bedroht und diesem – wohl unabsichtlich – in den Schuh geschossen hatte. Zuvor war ein Freund von ihm selbst Opfer einer Auseinandersetzung im Eisenbahnstraßenmilieu geworden und wollte sich dafür offenbar rächen.

Wenige Tage vor dem Zwischenfall mit der Waffe gab es bereits einen weiteren Übergriff. Am 5. Oktober wartete B. im Leipziger Hauptbahnhof auf die Ankunft seiner mittlerweile 25-jährigen Freundin. Gemeinsam verließen sie kurz vor Mitternacht das Gebäude über den Ausgang an der Ostseite. Dort trafen sie auf eine Handvoll junger Männer. Die Anklageschrift wirft B. vor, den Einzelhandelskaufmann Jens P. (29) beleidigt und ihm anschließend den Daumen gebrochen und ins Gesicht geschlagen zu haben. Als P. das Kennzeichen von B.s Auto fotografieren wollte, soll dieser schließlich rückwärts auf ihn zugefahren sein, so dass sich P. mit einem Sprung in Sicherheit bringen musste.

Aus Sicht des Angeklagten stellte sich die Situation jedoch vollkommen anders dar. Er und seine Freundin seien von den Männern mit Sätzen wie „Du scheiß Kanake“ und „Wo hast du die hübsche Schlampe gefunden?“ beleidigt worden. Als  Jens P. ihm zwei Kopfstöße verpasste, habe er ihn von sich weggeschubst. Am Ende der Auseinandersetzung soll P. schließlich noch gegen sein Auto getreten haben.

Letzteres getan zu haben, bestritt Jens P. in der anschließenden Zeugenvernehmung nicht. Jedoch habe er aus Ärger über die vorherigen Ereignisse so gehandelt. „Wir saßen bei einem Feierabendbier beisammen und haben herumgealbert“, erzählt der Geschädigte. „Auf einmal fallen bösartige Beleidigungen und jemand schmeißt einen Milchshake in unsere Richtung. Ich weiß nicht, was einen Menschen dazu bringt, abends in eine Gruppe von fünf Leuten zu gehen und Stress zu suchen.“

Diesbezüglich konnten die weiteren Zeugen etwas Licht ins Dunkel bringen. Mit Gesten und Tiergeräuschen habe man eine Gruppe von Fußballfans imitiert, die zuvor im Hauptbahnhof eingetroffen war, schilderte Michael L. (23) das Geschehen. Er ist mit P. befreundet und hatte damals versucht, den Streit zu schlichten. Die Albernheiten hatte Dzeladin B. offenbar auf sich und seine Freundin bezogen und als Beleidigung aufgefasst. Mit Beschimpfungen wie „Ihr Hurensöhne“ und „Asoziales Gesindel“ soll er daraufhin laut Michael L. auf die Gruppe junger Männer zugegangen sein. B.s Freundin wurde ebenfalls als Zeugin vernommen, konnte sich aber an keine Details mehr erinnern.

Für die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stellte sich die Schuld des Angeklagten als erwiesen dar. Weil er bereits mehrfach vorbestraft ist, die Schwere der Verletzungen „nicht unerheblich“ waren und die Tat ohne ersichtlichen Grund und zudem nur zwei Wochen nach Verhängung einer Bewährungsstrafe geschah, forderte sie eine Freiheitsstrafe. Amtsrichterin Ute Fritsch folgte dem Antrag.

Für Beleidigung und vorsätzliche Körperverletzung erhielt Dzeladin B. sieben Monate sowie für Nötigung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis nochmals vier Monate. Richterin Fritsch legte diese Strafe mit einer knapp zweijährigen Freiheitsstrafe wegen der Auseinandersetzung in der Eisenbahnstraße zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und einem Monat zusammen. Noch vor dem Urteil hatte B. angekündigt, sich zukünftig bessern zu wollen. Doch bis er dafür den Beweis antreten kann, wird er wohl noch einige Zeit im Gefängnis verbringen müssen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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