Am Samstag sind Mitglieder der rivalisierenden "Hells Angels" und "United Tribuns" auf der Eisenbahnstraße aneinandergeraten. Bei der Schießerei kam ein Anwärter ("Prospect") der "United Tribuns" ums Leben, zwei weitere Mitglieder der Straßengang wurden verletzt, einer davon lebensgefährlich. Die Polizei nahm nach Aussage eines Pressesprechers gegenüber L-IZ.de 14 Hells-Angels-Mitglieder fest, darunter den mutmaßlichen Haupttäter. Der 30-Jährige soll noch am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt werden.

Polizeisprecher Alexander Bertram gegenüber L-IZ.de zum Ablauf am 25. Juni 2016: „Kurz nach 15 Uhr hat sich eine Gruppe der Hells Angels in ein Bistro an der Eisenbahnstraße gesetzt.“ Die Polizei gerufen hatten Passanten, die den Rockern, die ihre Kutten mit dem Hells-Angels-Schriftzug und -Logo in der Öffentlichkeit trugen, eine Gefährderansprache erteilen wollte.

Doch dazu kam es für die vier Beamten, welche als erste vor Ort eintrafen und bereits weitere Kollegen in der Hinterhand wussten gar nicht mehr. Bertram weiter: „Die Tribunes waren aber sofort da. Erst flogen die Fäuste, dann Flaschen, anschließend wurde geschossen. Es entstand kein Schusswechsel, sondern nur eine Waffe kam seitens der Hells Angels zum Einsatz.“

Zwei Gangs in einer Stadt

Die „United Tribuns“ existieren in der Messestadt offiziell erst seit Anfang Mai 2016. Der lokale Ableger mit dem Namenszusatz „Iron City“ eröffnete sein Clubhaus nahe der Eisenbahnstraße, musste das Objekt allerdings nach nur drei Wochen wieder räumen. Laut einem Medienbericht hatten die Rocker das Objekt aus juristischen Gründen verlassen müssen. Aus der Gegend selbst verschwanden sie dennoch nicht, in den Augen der Hells Angels eine Inbesitznahme und ein Gebietsanspruch, welcher mit ihrer Vorherrschaft in Leipzig kollidiert.

Die „United Tribuns“ wurden 2004 von dem bosnischen Box-Profi Almir Culum gegründet und sind vorwiegend im süddeutschen Raum aktiv. Der Leipziger Ableger genießt noch den Status eines Probe-Chapters, für die Höllenengel in der Messestadt offenbar bereits ein Provokation.

Die „Hells Angels“ selbst sind seit spätestens 2008 offiziell in der Messestadt präsent. Den Rockern wird nachgesagt, weite Teile des Drogengeschäfts in den Innenstadt-Diskotheken und Nachtclubs zu kontrollieren und allgemein die Vorherrschaft in Leipzig zu beanspruchen. Die Gründung des Leipziger Charters fiel zeitlich mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen in verschiedenen Clubs und Diskos zusammen, damals hieß der Gegner noch Artur T..

Nicht das erste Mal in Leipzig

Die Schießerei vom 25. Juni 2016 ist der blutigste Konflikt im Leipziger Bandenmilieu seit dem sogenannten „Disco-Krieg“ Anfang 2008. Eine migrantische Gruppierung rings um den Kickboxer Artur T. hatte auf dem Drogenmarkt Fuß fassen wollen – zum Missfallen deutscher Türsteher mit Hells-Angels-Kontakten, die ihrerseits die Kontrolle über das illegale Business beanspruchten. Die Gründung des Rockerclubs war die logische Konsequenz des Konflikts, der am 8. März 2008 seinen tragischen Höhepunkt fand.

Mitglieder der Migrantengang griffen daraufhin zunächst die Diskothek „Schauhaus“ an und zogen nach Handgreiflichkeiten mit den Türstehern schließlich weiter Richtung Innenstadt. Im Barfußgässchen fielen schließlich Schüsse. Der Mord an einem unbeteiligten 28-Jährigen ist bis heute nicht aufgeklärt. Artur T. tauchte unter, vermutlich im Ausland. Die Szene mauerte, Zeugen schwiegen aus Angst vor Gericht – ein Vorgang, welcher sich laut Polizei nun wohl auch beim aktuellen Vorfall wiederholen dürfte.

Ein alter Bekannter taucht wieder auf

Sooren O. (31) soll schon damals in die Randale involviert gewesen sein. Heute liegt der Vizepräsident der Leipziger „United Tribuns“ mit einer Schussverletzung im Krankenhaus, ist nach einer Not-Operation aber außer Lebensgefahr. Einer seiner Brüder hatte gestern nicht so viel Glück. Der Anwärter konnte nach der Schießerei von Rettungskräften zunächst wiederbelebt werden, verstarb jedoch später in der Klinik. Verletzt wurde außerdem ein dritter Rocker der „United Tribuns“. Über dessen Gesundheitszustand ist derzeit nichts bekannt, der Rest seiner laut Polizei vermutlich bis zu 20 Mann starken Gang hatte sich dem Zugriff der Polizei vor Ort entzogen.

Bei dem Schützen soll es sich um einen 30-jährigen Höllenengel handeln. Die Staatsanwaltschaft möchte den mutmaßlichen Täter im Laufe des Sonntags dem Haftrichter vorführen lassen. Die Polizei ist seit gestern Nachmittag rund um die Eisenbahnstraße in höchster Alarmbereitschaft. Rocker lehnen die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen kategorisch ab und nehmen das Recht vorzugsweise selbst in die Hand. Statt einer polizeilichen Aufklärung liegt so der Gedanke näher, dass es zu Folgereaktionen seitens beider Gangs kommen könnte.

Teil 2 vom 28. Juni 2016 hier auf L-IZ.de: Nach der Schießerei in der Eisenbahnstraße: „Spätestens im Osten Deutschlands wird die Sache eskalieren“

Anmerkung der Redaktion: In einer erste Version des Beitrages war von einem Verbot von „Kutten“ die Rede. Dies wurde geändert. Das Tragen von Kutten mit den entsprechenden Symbolen ist seit einem Grundsatzurteil im Jahr 2015 vor dem BGH auch dann MC-Mitgliedern gestattet, wenn einzelne regionale Charter/Chapter verboten sind.

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