Seit gestern Abend, 14. Juli, ist der Tod des gerade einmal 38-jährigen Unternehmers Thomas Wagner aus Leipzig Gewissheit. Auf einem Rückflug von Venedig nach Leipzig sei die „Piper 32“, ein sechssitziges Reiseflugzeug, am 14. Juli gerade einmal 30 Minuten nach dem Start aus einer Höhe von 3.000 Metern über einem Waldstück in Slowenien abgestürzt. So die Meldung in nahezu allen bekannten Medien. Mit ihm starben drei weitere Personen, darunter der Pilot, deren Namen bislang unbekannt sind.

Grund des Absturzes seien Vereisungen an der Maschine gewesen. Noch am gestrigen Abend reagierte das Unternehmen mit einer betont nüchternen Pressemitteilung und bestätigte den Tod des Haupteigners und Geschäftsführers der Unister Holding GmbH.

Unister stand und steht geschäftlich unter Druck. Und letztlich war fast alles mit dem nun tödlich verunglückten Gründer verstrickt. Darauf weisen seit dem gestrigen Tage alle Artikel und eine Pressemitteilung aus dem Hause Unister selbst zum tragischen Tod Thomas Wagners hin.

Der unvermittelte Tod der vier offenbar Handelsreisenden im kleinen Reiseflugzeug tritt angesichts der medialen Aufzählungen der vermuteten Probleme bei Unister fast in den Hintergrund. Seit heute will nun Focus Online den ersten Namen der Begleiter Wagners erfahren haben. Bei dem 39-jährigen weiteren Toten soll es sich um Oliver Schilling handeln, ein Miteigentümer an Unister. Man sei wegen einem Geschäft am 13. Juli nach Venedig geflogen, sollen Insider nun erzählen.

Vom Unternehmen selbst fehlt dazu bislang jede Bestätigung (siehe Update am Ende des Artikels, d. Red.).

Zu den teils widersprüchlichen Meldungen der vergangenen Monate passt die Überlegung vom großen Deal dennoch. Übereinstimmend der Tenor der vergangenen Monate in allen Medien: Unister braucht Geld, Kreditverpflichtungen drückten offenbar, man versuche die gesamte Reisesparte „Unister Travel“ zu verkaufen. Bislang erfolglos, von bis zu 900 Millionen Euro Kaufpreis war die Rede, doch namentlich in Erscheinung getretene Interessenten sprangen wieder ab.

Das Handelsblatt berichtete parallel gar über Verluste in Höhe von 27,7 Millionen Euro im Jahr 2013 und eine bilanzielle Überschuldung des Unternehmens. Da Unister für 2013 bis heute keine Bilanz veröffentlicht hat, ist dies nur schwer zu prüfen. Die letzte vollständige Darstellung der Mutterfirma Unister Holding GmbH datiert auf das Geschäftsjahr 2011, seither folgten nur noch Veröffentlichungen zu einzelnen GmbHs.

Wirklich entkräftet hat das Unternehmen die Berichte um die finanzielle Lage seither auf diesem oder anderen Wegen also nicht.

Noch sind dies alles nach wie vor Spekulationen – wie so vieles, wenn es um Unister und vor allem die vergangenen zwei Jahre im manchmal überraschend eiligen Leben von Thomas Wagner geht. Binnen weniger Jahre ist aus einem anfangs als Studentennetzwerk namens „Unister“ gestarteten StartUp ein Unternehmen mit 40 Internetseiten und Angeboten von Reisevermittlungen bis Finanzdienstleistungen und diversen weiteren Angeboten geworden. 1.200 Mitarbeiter sollen heute in den diversen Unterfirmen der Unister Holding beschäftigt sein.

Die „ewige Baustelle“ an der Goethestraße und dann doch kein neuer Firmensitz bei Unister. Foto: L-IZ.de (2015)
Die „ewige Baustelle“ an der Goethestraße und dann doch kein neuer Firmensitz bei Unister. Foto: L-IZ.de (2015)

Ob der – für deutsche Verhältnisse – fast kometenhafte Aufstieg des Unternehmers Wagner nun den jeweiligen Branchen, welche die Angebote tangierten oder, wie im Reiseverkauf, sie zu dominieren suchten, schlicht Neid und Missgunst hervorrief oder sich das Unternehmen hier und da trickreich nach oben wurstelte, ist bis heute umstritten. Mächtige Gegner fanden sich jedenfalls schnell, vor allem in der Reisebranche, nicht immer grundlos angesichts vollmundiger Ankündigungen. So schickte Unister das Newsportal „News.de“ mit einer Kampfansage Richtung Spiegel Online und anderer Nachrichtenseiten an den Start. Heute hinkt die Seite weitgehend abgeschlagen auf dem deutschen Medien-Markt hinterher.

Neu ist in jedem Fall bis heute, dass es beim Aufstieg an guter Beratung des Unternehmens offenbar nicht gemangelt hat. Die Firmenkonstruktion aus unzähligen GmbHs bis hin zu neueren Firmenanmeldungen us-amerikanischer Ableger in der Steueroase Delaware zeigten mindestens professionelle Raffinesse beim Splitten von Geschäftsrisiken und Geldumläufen.

Seit 2014 schien der Wurm drin zu sein

Nach einer Razzia im Dezember 2013 waren Vorwürfe laut geworden, das Unternehmen hätte widerrechtlich Reiserücktrittsversicherungen verkauft und neben einer fehlenden Genehmigung dazu auch die Steuern dafür nicht sachgerecht abgeführt. Während der Ermittlungen waren Thomas Wagner und Daniel Kirchhof, ein weiterer Gesellschafter, in Untersuchungshaft genommen und später wieder freigelassen worden – eine Anklageerhebung sollte noch in diesem Jahr erfolgen.

Durch diverse juristische Auseinandersetzungen und den anstehenden Gerichtsprozess kam es zudem nach übereinstimmenden Berichten zu inneren Zerwürfnissen bei Unister – Kirchhof sollte hinausgedrängt werden, doch der setzte sich durch eine Übertragung seiner Anteile an den Leipziger Bauunternehmer Steffen G. zur Wehr. Zumindest bis zum Gerichtstermin, bei welchem festgestellt wurde, dass die Anteile nicht rechtskonform übertragen worden sein sollen. Ein Sieg für Thomas Wagner, wenn auch einer, der die öffentlich vermuteten Finanzprobleme nicht löste.

Die Gerüchte rings um die finanzielle Situation der Firma wollten nicht mehr enden. Der Neubau einer Leipziger Firmenzentrale an der Goethestraße, als sichtbares Zeichen erreichter Größe des Unternehmens zur Zusammenführung aller Leipziger Mitarbeiter über Jahre angekündigt, fiel unter den Tisch. Meldungen zu Versuchen Unisters, Domains zu verkaufen, machten die Runde. Zuletzt hieß es vor gut zwei Monaten, die Domain „geld.de“ sei für einen ungenannten Betrag an die JDC Group gegangen – bis heute ist das Vergleichsportal weiterhin auf den Namen Unister eingetragen.

Seitens Unister lautete die Verteidigung letztlich immer so: Die aufgetretenen Probleme rings um die eigenen Angebote im Netz hätte man immer zeitnah behoben, die Presse skandalisiere und schädige so Unister. Zuletzt hatte Thomas Wagner eingeräumt, dass die vielen Geschäftsbereiche der Holding sehr schnell entstanden und gewachsen seien. Fehler waren dabei wohl unausweichlich und letztlich menschlich. Wie es nun mit dem Unternehmen selbst weitergeht, ist angesichts der starken Konzentration aller wichtigen Fragen auf Thomas Wagner durchaus fraglich.

Update vom 15. Juli 2015 “Unister trauert auch um Oliver Schilling”

Unister trauert auch um Oliver Schilling

 

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