Es ist nicht nur im ÖPNV so, dass die verantwortliche Politik die Zeichen der Zeit nicht erkennen will und sich schwertut mit dem Umsteuern. Es betrifft auch das Radfahren. Immer mehr Leipziger sind mit dem Fahrrad unterwegs. Wo aber mehr Fahrräder im Verkehr sind, wird auch mehr gestohlen. 2017 gab es erstmals über 10.000 gemeldete Fahrraddiebstähle in Leipzig. Genauer: 10.027.

2016 war der Wert schon hoch gewesen mit 9.642 Fällen. Seit 2008 hat er sich mehr als verdoppelt.

Es überrascht nicht, dass die drei sächsischen Großstädte die Diebstahlsstatistik bei Fahrrädern anführen. Aber Leipzig hat mittlerweile drei Mal so viele Fahrraddiebstähle zu verkraften wie Dresden. Was natürlich mit der Beschaffungskriminalität in Leipzig zu tun hat. Aber auch mit dem wachsenden Fahrradbesitz, der zunehmenden Attraktivität des Radfahrens und der wachsenden Zahl öffentlicher Abstellplätze, wo niemand mehr die Kontrolle hat, ob es auch wirklich der Besitzer ist, der da gerade sein Fahrrad abkettet.

Ein Zustand, den der ADFC Leipzig schon seit Jahren kritisch sieht. Denn sichere Abstellplätze fehlen

In Dresden kommen auf 1.000 Einwohner knapp 7 gestohlene Fahrräder, in Leipzig wurden letztes Jahr 9.642 Räder als gestohlen gemeldet, was mehr als 18 Rädern pro 1.000 Einwohnern entspricht, stellte der ADFC Leipzig schon im Vorjahr fest. Und musste dann nicht mal Luft holen, als sich zum Jahreswechsel herumsprach, dass die Zahl 2017 über die 10.000er-Marke springen würde.

Fahrraddiebstähle in Sachsen 2007 bis 2016. Grafik: ADFC Leipzig
Fahrraddiebstähle in Sachsen 2007 bis 2016. Grafik: ADFC Leipzig

Innerhalb der letzten zehn Jahre entsprach schon die 2016er-Zahl einer Steigerung um über 100 % in der Messestadt. Im bundesweiten Durchschnitt kommen auf 1.000 Einwohner lediglich 4 gestohlene Fahrräder. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club schlug deshalb Alarm: Neben einem höheren Verfolgungsdruck durch die Polizei seien auch sichere Abstellmöglichkeiten erforderlich, besonders an Bahnhöfen.

Ein Thema, das ja just mit der Eröffnung des Busterminals am Hauptbahnhof wieder zur Sprache kam und jetzt mit zwei Stadtratsanträgen auch thematisiert wird.

Dass sich ein Parkhaus privatwirtschaftlich betreiben lässt, kann ja nicht der Hauptgrund dafür sein, dass die Stadt Leipzig für das so wichtige Segment des Radverkehrs auch nach acht Jahren keine Lösung hat.

Mit 12 % der Fälle liegt die Aufklärungsquote beim Fahrraddiebstahl in Leipzig auf einem niedrigen Niveau.

„Das ist im deutschen Vergleich zwar nicht der schlechteste Wert, zeigt aber dass der Druck auf Fahrraddiebe äußerst gering ist“, befand Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen. Über 18.000 der in Sachsen 2016 gestohlenen 20.795 Fahrräder seien von der Polizei nicht gefunden worden. Bundesweit entsteht durch Fahrraddiebstahl ein jährlicher Schaden von 177 Millionen Euro.

Für Krause ist der geringe polizeiliche Kontrolldruck nur ein Teil des Problems. Um des Problems Herr zu werden, müsse an weiteren Punkten angesetzt werden. Oft fehlen sichere Fahrradständer, an denen nicht nur das Vorderrad, sondern auch der Fahrradrahmen angeschlossen werden könne. Hier haben aus Sicht des ADFC die sächsischen Städte noch viel aufzuholen. So fehlten einerseits an vielen Stellen im öffentlichen Raum Fahrradbügel, andererseits würden Bauherren keine Vorgaben zum sicheren Fahrradparken gemacht.

„Wer seinen Bürgern billige Felgenkiller anbietet, an denen nur das Vorderrad angeschlossen werden kann, braucht sich über die hohe Anzahl von Fahrraddiebstählen nicht zu wundern“, betonte der ADFC-Geschäftsführer. Neben der von der Sächsischen Staatsregierung bereits angekündigten Investition in Radstationen an Bahnhöfen seien deshalb auch klar definierte Standards zum Fahrradparken in der Sächsischen Bauordnung erforderlich. Nur wartet Leipzig auf die Planung so einer Radstation bis heute.

„Auch auf der polizeilichen Seite muss mehr getan werden“, forderte Krause. „Warum gibt es keine Sonderermittlungsgruppen, die an Stellen mit häufigem Diebstahl aktiv werden und moderne Ermittlungsmethoden einsetzen? Auch Fahrräder lassen sich mit GPS orten oder das Internet nach Hehlerware überwachen. Mehr Sichtbarkeit der Polizei, gern auch auf dem Fahrrad, hilft dabei, Dieben das Geschäft zu erschweren.“

All dies erfordere natürlich mehr Personal bei der Polizei.

Aber auch Radfahrer selbst könnten sich oft besser gegen Fahrraddiebstahl schützen. Wer sein Rad abstellt sollte immer darauf achten, den Rahmen an einem festen Gegenstand anzuschließen, so dass es von Fahrraddieben nicht weggetragen werden kann. Der ADFC empfiehlt, 10 Prozent des Kaufpreises in die Sicherheit des Fahrrads zu investieren (Fahrradschloss, kodierte Verschraubungen, Versicherung etc.). Als weiteren Baustein zum Diebstahlschutz bieten die ADFC-Ortsgruppen in Dresden, Bautzen, Görlitz und Zittau eine Fahrradcodierung an.

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